Die Datenschutz-Grundverordnung, kurz DS-GVO, gilt seit dem 25. Mai und wird seit Wochen auch in unserer Community heiß und kontrovers diskutiert. Es herrscht Unsicherheit über die Auslegung und die Umsetzung der Regelungen in der fotografischen Praxis. Vieles ist unklar oder nicht eindeutig, manche Informationen widersprechen sich auch.
Mehr Klarheit bringt der Gastbeitrag unseres Partners Rheinwerk Verlag. Wolfgang Rau – Rechtsanwalt, Präsident des Deutschen Verbands für Fotografie e. V. und Autor des Buchs »Recht für Fotografen« – fasst darin alles Wichtige zur DS-GVO für Fotografen zusammen:
»Macht der Datenschutz die Fotografie kaputt?« von Wolfgang Rau
Am 25.05.2018 trat die neue Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) der EU in Kraft, die sofort für alle Mitgliedsländer der EU sowie deren Bürger und Unternehmen unmittelbar Anwendung findet. (Zeitgleich trat auch das neue Bundesdatenschutzgesetz (BDSG (neu)) in Kraft, das eine Anpassung des bestehenden BDSG an die DS-GVO ist.) Ob das, was mit der DS-GVO erreicht werden soll, nämlich eine Harmonisierung des europäischen Datenschutzrechts, tatsächlich erreicht wird, soll hier nicht vertieft werden. Es erscheint jedoch durchaus fraglich, bietet der Art. 85 den Mitgliedstaaten doch die Möglichkeit, von Ausnahmeregelungen durch entsprechende nationale Vorschriften Gebrauch zu machen, was einige Länder auch bereits getan haben. Hierzu an späterer Stelle mehr.
DS-GVO und BDSG (neu) im Wortlaut
Beide Texte können Sie im Internet in ausdruckbarer Form finden:
Suchen Sie alternativ im Internet nach »EU-DSGVO« bzw. »BDSGneu Text«.
Es ist festzustellen, dass die DS-GVO mit ihren Auswirkungen erst jetzt zum Inkrafttreten in das allgemeine Bewusstsein rückt und viele Fragen aufwirft. Im Internet lassen sich dementsprechend viele Meinungen zur DS-GVO finden, die oft aber auch nur das sind: Meinungen, ohne konkrete Kenntnisse. Fakt ist, dass die DS-GVO durchaus kompliziert ist, viele Fragen offen lässt und insbesondere kleinere mittelständische Unternehmen und Handwerker, aber auch Verbände wie beispielsweise auch den Deutschen Verband für Fotografie e.V. (DVF), einen reinen Amateurverband, vor immense organisatorische und teils kostenaufwändige Anforderungen stellt.
Keine wesentlichen Änderungen für den Fotografen
Um der weiteren Darstellung aber schon einmal vorzugreifen: Für den Fotografen ändert sich nichts Wesentliches!
Es würde den Rahmen dieser Abhandlung sprengen, alle datenschutzrechtlichen Aspekte hier darzustellen. Im Folgenden möchte ich mich deshalb auf diejenigen Punkte beschränken, die für Fotografen von Interesse sind, wobei ich ausdrücklich hinzufügen muss, dass durchaus noch nicht alles klar ist, was auch der Grund für die Meinungsvielfalt im Internet sein könnte: Die Inhalte der Abhandlungen reichen vom Abgesang auf die freie Fotografie bis hin zu der Beurteilung, dass Panikmache keinesfalls angebracht sei. Gerade aufgrund der angesprochenen Unklarheiten, die zum Teil noch bestehen, können meine nachfolgenden Ausführungen auch nur eine Wiedergabe des aktuellen Standes sein. Es bleibt letztlich abzuwarten, ob es noch Änderungen durch den nationalen Gesetzgeber gibt (was derzeit wohl nicht vorgesehen ist), wie sich die neuen Regelungen in der Praxis auswirken und wie die Rechtsprechung darauf reagieren wird.
Wo liegt aber nun die Wahrheit für Fotografen? Müssen wir uns tatsächlich von der freien Fotografie verabschieden und alle Fotos, auf denen Personen, wenn auch nur als sogenanntes Beiwerk, abgebildet sind, zukünftig unterlassen, und reduzieren sich die fotografischen Möglichkeiten damit tatsächlich auf Motive wie beispielsweise Blümchen, menschenleere Landschaften und Städte sowie die Astrofotografie (natürlich ohne Abbildung von Marsmännchen)?
Wie sah die rechtliche Situation vor der DS-GVO aus?
Bevor ich diese Frage in einem ersten Fazit beantworte, möchte ich ganz kurz auf die rechtliche Situation vor Inkrafttreten der DS-GVO eingehen. Besitzern meines im Rheinwerk Verlag erschienenen Buches »Recht für Fotografen« sei hierzu die (erneute) Lektüre von Kapitel 3, »Menschen«, nahegelegt. In diesem befasse ich mich ausführlich mit den Aspekten der Personenfotografie und der hierzu vorhandenen, umfangreichen Rechtsprechung. Für diejenigen, die das Buch (noch) nicht besitzen, hier eine kurze Zusammenfassung:
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, sowohl in Deutschland als auch in Österreich, kann schon die Herstellung eines Fotos ohne Einwilligung der fotografierten Person(en) rechtswidrig sein. In jedem Fall ist eine Veröffentlichung eines Fotos ohne Einwilligung der Person(en) gemäß § 22 Kunsturhebergesetz (KUG) definitiv schon seit Inkrafttreten des KUG im Jahre 1907 rechtswidrig. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine einmal erteilte Einwilligung in der Regel nicht bzw. nur unter ganz besonderen Umständen widerrufen werden.
Von dem Grundsatz, dass die Veröffentlichung eines Bildnisses grundsätzlich der Einwilligung bedarf, gibt es allerdings Ausnahmen, die im Einzelnen in § 23 KUG geregelt sind, und zwar in folgenden Fällen:
- wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt
- wenn es sich um Bilder handelt, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen
- wenn es sich um Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen handelt, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben
- wenn es sich um Bildnisse handelt, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.
In diesen vier Ausnahmefällen ist eine Einwilligung der fotografierten Person nicht erforderlich. Soweit, kurzgefasst, die heutige Situation.
Was ändert sich für Fotografen durch die DS-GVO?
Mit Inkrafttreten der DS-GVO am 25.05.2018 ist die Personenfotografie zunächst in einem anderen Licht zu betrachten. Dabei steht fest, dass das Fotografieren von Personen grundsätzlich eine Datenerhebung im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften darstellt. Denn personenbezogene Daten sind nach Art. 4 der DS-GVO:
»(…) alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einen Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Personen sind, identifiziert werden kann.«
Da digitale Kameras in den Exif-Daten verschiedene Informationen speichern, manche Kameras über ein eingebautes oder als Zubehör genutztes GPS-Modul auch den Standort der Aufnahme festhalten, fällt die Fotografie unter den Begriff der Datenerhebung. Das ist unstreitig. Aufatmen können allerdings die Analogfotografen, bei denen eine solche Datenerhebung per se nicht vorliegt. Nach Art. 6 der DS-GVO ist eine solche Datenerhebung grundsätzlich nur zulässig, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, die in Art. 6 ausdrücklich genannt werden. Dabei ist die Verarbeitung der Daten nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:
a. »die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben;
b. die Verarbeitung ist für die Erfüllung eines Vertrages, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen;
c. die Verarbeitung ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der Verantwortliche (d.h. der Fotograf – Anm. des Verfassers) unterliegt;
d. die Verarbeitung ist erforderlich, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen;
e. die Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde;
f. die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.«
Für Fotografen sind insbesondere die Bedingungen a) und b), aber auch f) von Bedeutung.
Der private und der familiäre Bereich sind ausgenommen
Ausgenommen von den neuen Regelungen sind im Übrigen die Datenerhebung und -nutzung im privaten oder familiären Bereich oder in Bezug auf Daten von Verstorbenen. Insoweit findet die DS-GVO keine Anwendung. Dies ergibt sich unmittelbar aus den Erwägungsgründen zu der DS-GVO, wo es in Ziffer 18 heißt:
»Diese Verordnung gilt nicht für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten, die von einer natürlichen Person in Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten und somit ohne Bezug zu einer beruflichen oder wirtschaftlichen Tätigkeit vorgenommen wird. (…)«
Hinzu kommt, dass nach Art. 21 der DS-GVO jede Person jederzeit berechtigt ist, aus Gründen, die sich aus ihrer besonderen Situation ergeben, gegen die Verarbeitung sie betreffender personenbezogener Daten, die aufgrund von Art. 6 Abs. 1 Buchstaben e oder f erfolgt, Widerspruch einzulegen, worauf die Person spätestens zum Zeitpunkt der ersten Kommunikation hinzuweisen ist.
Aus Vorgesagtem ergeben sich eindeutig zwei Aspekte:
- Mit Inkrafttreten der DS-GVO ist zukünftig vor jeder Aufnahme die Einwilligung der fotografierten Person(en) einzuholen. Dies gilt für alle abgebildeten Personen, die erkennbar sind, also auch dann, wenn diese nur „Beiwerk“ auf dem Foto sind.
- Diese Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden, worauf man als Fotograf die fotografierte Person bei Einholung der Einwilligung auch ausdrücklich hinzuweisen hat.
Wie verhält sich die DS-GVO zum Kunsturhebergesetz?
Dies würde auf den ersten Blick bedeuten, dass die Vorschriften des KUG hinter die DS-GVO zurücktreten würden, denn – wie oben gesehen – ist nach dem KUG eine Einwilligung vor jeder Aufnahme und eine Einwilligung bei Vorliegen der Ausnahmetatbestände des § 23 KUG nicht erforderlich, und der Widerruf einer einmal erteilten Einwilligung ist in der Regel nicht möglich bzw. an sehr hohe Anforderungen (im Sinne eines besonderen Ausnahmefalls) geknüpft.
In der praktischen Konsequenz bedeutet dies beispielsweise, dass man vor dem Dom in Köln, einer touristisch äußerst stark frequentierten Sehenswürdigkeit, jede Person, die auf einem Foto abgelichtet würde, ansprechen und um Einwilligung bitten müsste. Und dies zu Beweiszwecken am besten schriftlich und ganz sicherlich im Hinblick auf die Touristen auch gleich in mehreren Sprachen. Denn schon nach bisherigem Recht ist der Fotograf beweispflichtig für das Vorliegen einer Einwilligung, weshalb ihm die mündliche Einwilligungserklärung im Zweifelsfall nicht viel helfen dürfte, wobei Schweigen auch nicht als Einwilligung gilt. Was ist dann aber mit denjenigen Personen, die während des Aufnahmeprozesses hinzukommen, die man gar nicht mehr um Einwilligung bitten konnte, und die nun plötzlich ebenfalls im Bild sind? Oder was mache ich als Fotograf, wenn ich ein Bild mit Einwilligung der fotografierten Person bereits veröffentlicht habe, zum Beispiel in einem Buch oder einer sonstigen Publikation, und dann von der fotografierten Person den Widerruf der erteilten Einwilligung erhalte? Viele ähnliche Beispiele ließen sich noch aufzeigen.
Man erkennt unschwer den Irrsinn eines solchen Szenarios, welches jedoch die Konsequenz einer strikten Umsetzung der DS-GVO im Bereich der Fotografie wäre. Es verwundert deshalb nicht, dass – abgesehen von der praktischen Unmöglichkeit, eine solche Situation überhaupt zu beherrschen – angesichts eines solchen durchaus nicht unrealistischen Szenarios viele Fotografen verunsichert sind. Hinzu kommt die Angst, im Falle eines Verstoßes gegen die Bestimmungen der DS-GVO mit Bußgeldern belegt zu werden, die in der DS-GVO mit bis zu 20 Millionen Euro, bei Unternehmen zwischen 2 und 4% des gesamten weltweit getätigten Jahresumsatzes, je nachdem welcher Wert höher ist, festgeschrieben sind. Dass dies dem ein oder anderen die Freude an der Fotografie nehmen würde, wenn dies tatsächlich so eintreten sollte, ist nachvollziehbar.
Nach derzeitiger Kenntnis wird dies jedoch nicht eintreten, von einem derartigen Irrsinn werden wir Fotografen zum Glück wohl verschont bleiben!
Zunächst einmal regelt die DS-GVO selbst in Art. 6 Ausnahmetatbestände, sogenannte Rechtfertigungstatbestände. Dies sind unter anderem die oben zitierten Ziffern a) und b) des Art. 6. Derjenige Fotograf, der eine Einwilligung der abgebildeten Personen vorlegen kann, und der Fotograf, der Personen aufgrund eines Auftrags (Vertragsverhältnisses) abgelichtet hat, handelt rechtskonform. Dass dies allerdings nicht den oben geschilderten Beispielsfall betrifft, liegt auf der Hand, weil es an Einwilligungen und erst recht an Verträgen fehlt.
Eingangs habe ich jedoch bereits darauf hingewiesen, dass den nationalen Gesetzgebern in Art. 85 der DS-GVO die Möglichkeit gegeben wurde, durch entsprechende Rechtsvorschriften das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten gemäß der DS-GVO mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, einschließlich der Verarbeitung zu journalistischen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken, in Einklang zu bringen.
Damit berücksichtigen die Verfasser der Richtlinie einen möglichen Konflikt verschiedener Grundrechte, wie dem Datenschutzrecht auf der einen und beispielsweise dem Recht auf Meinungsfreiheit auf der anderen Seite. Hierzu heißt es in den Erwägungsgründen zur DS-GVO in Ziffer 4:
»Die Verarbeitung personenbezogener Daten sollte im Dienst der Menschheit stehen. Das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten ist kein uneingeschränktes Recht; es muss im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden. Diese Verordnung steht im Einklang mit allen Grundrechten und achtet alle Freiheiten und Grundsätze, die mit der Charta anerkannt wurden und in den europäischen Verträgen verankert sind, insbesondere Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und der Kommunikation, Schutz personenbezogener Daten, Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, unternehmerische Freiheit, Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein faires Verfahren und Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen.«
Von dem Recht, auf nationaler Ebene mit den jeweiligen Grundrechten abgestimmte Ausnahmeregelungen zu schaffen, hat beispielsweise Schweden Gebrauch gemacht. Im Gesetzentwurf der schwedischen Regierung vom 15.02.2018 heißt es hierzu:
»Die EU-Datenschutz-Grundverordnung sowie weitere Datenschutzgesetze finden in dem Umfang, wie sie gegen Presse- oder Meinungsfreiheit streiten, keine Anwendung.«
Auch der Gesetzgeber in Österreich hat nicht nur ein Privileg für die Verarbeitung personenbezogener Daten für wissenschaftliche, künstlerische und literarische Zwecke geschaffen und ausgewählte Teile der DS-GVO für auf diese Bereiche nicht anwendbar erklärt, sondern darüber hinaus auch den sogenannten gemeinnützigen Organisationen, die im Auftrag betroffener Bürger Datenschutzverletzungen zur Anzeige bringen, das Wasser insoweit abgegraben, als diese keinen Schadensersatz verlangen dürfen. In vielen Publikationen im Internet wurde zum Teil heftig kritisiert, dass der deutsche Gesetzgeber bislang »gewohnt untätig« geblieben sei. Auch aus diesem Grunde ist vielfach Panikmache an die Stelle einer sachlichen Auseinandersetzung mit der Thematik getreten, was nicht weiter verwundert, wenn man berücksichtigt, dass auch Nichtjuristen in großer Zahl eine rechtliche Bewertung der Problematik vornehmen. Deshalb herrscht offenbar die Meinung vor, die Untätigkeit des Gesetzgebers, der keine Ausnahmeregelung nach schwedischem und österreichischem Vorbild geschaffen hat, führe nunmehr dazu, dass die Fotografen von der vollen Wucht der DS-GVO mit allen Konsequenzen getroffen werden.
Was dabei allerdings leider übersehen wird, ist die Tatsache, dass es nach Auffassung der Bundesregierung einer solchen Ausnahmevorschrift nicht bedarf, da es eine solche Ausnahmevorschrift bereits gibt, nämlich – man höre und staune – das Kunsturhebergesetz (KUG).
Äußerungen aus dem Bundesinnenministerium zum Verhältnis von DS-GVO und KUG
Tatsächlich ist es nämlich so, dass die Bundesregierung offensichtlich ganz bewusst keine gesetzliche Ausnahmevorschrift verabschiedet hat und das KUG als eine Ausnahmeregelung im Sinne des Art. 85 DS-GVO ansieht mit der Folge, dass das KUG gerade nicht von der DS-GVO verdrängt wird, sondern dieser vielmehr als Spezialgesetz vorgeht. Ich zitiere in diesem Zusammenhang zwei Äußerungen aus dem Bundesinnenministerium:
Frage: »Was ändert sich mit der Datenschutzgrundverordnung für Fotografen?«
Antwort: »Das Anfertigen von Fotografien wird sich auch zukünftig auf eine – wie bislang schon – jederzeit widerrufbare Einwilligung oder alternative Erlaubnistatbestände wie die Ausübung berechtigter Interessen (Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO) stützen können. Diese Erlaubnistatbestände (nach geltender Rechtslage Art. 7 der geltenden EU-Datenschutz-Richtlinie 95/46/EG i.V.m. den nationalen Umsetzungsgesetzen) decken seit vielen Jahren datenschutzrechtlich die Tätigkeit von Fotografen ab und werden in Art. 6 DS-GVO fortgeführt. Die Annahme, dass die DS-GVO dem Anfertigen von Fotografien entgegenstehe, ist daher unzutreffend. (Hervorhebung durch den Verfasser)
Für die Veröffentlichung von Fotografien bleibt das Kunsturhebergesetz auch unter der ab dem 25. Mai 2018 anwendbaren Datenschutz-Grundverordnung erhalten. Es sind, wie ich bereits in meiner Antwort ausgeführt habe, keine Änderungen oder gar eine Aufhebung mit Blick auf die Datenschutz-Grundverordnung vorgesehen.
Die Ansicht, das Kunsturhebergesetz werde durch die DS-GVO ab dem 25. Mai 2018 verdrängt, ist falsch. (Hervorhebung durch den Verfasser) Das Kunsturhebergesetz stützt sich auf Artikel 85 Abs. 1 DS-GVO, der den Mitgliedstaaten nationale Gestaltungsspielräume bei dem Ausgleich zwischen Datenschutz und der Meinungs- und Informationsfreiheit eröffnet. Das Kunsturhebergesetz steht daher nicht im Widerspruch zur DS-GVO, sondern fügt sich als Teil der deutschen Anpassungsgesetzgebung in das System der DS-GVO ein. Eine gesetzliche Regelung zur Fortgeltung des Kunsturhebergesetzes ist nicht erforderlich. Ebenso führen die Ansätze anderer Mitgliedstaaten, die sich in allgemeiner Form zum Verhältnis von Datenschutz und Meinungs- und Informationsfreiheit verhalten, in der praktischen Umsetzung nicht weiter und führen nicht zu mehr Rechtssicherheit. Die grundrechtlich geschützte Meinungs- und Informationsfreiheit fließt zudem unmittelbar in die Auslegung und Anwendung der DS-GVO ein, insbesondere stellen sie berechtigte Interessen der verantwortlichen Stellen nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO dar. Die DS-GVO betont, dass der Schutz personenbezogener Daten kein uneingeschränktes Recht ist, sondern im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden (Erwägungsgrund 4). Zu den von der DS-GVO in diesem Zusammenhang genannten Grundrechten zählt ausdrücklich auch die Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit.«
Nur in einem Punkt muss ich allerdings der vorstehend zitierten Darlegung widersprechen: es war – schaut man sich die höchstrichterliche Rechtsprechung an – eben bislang nicht so, dass man eine erteilte Einwilligung jederzeit widerrufen kann. Diese Aussage ist falsch. Es gibt vielmehr eine ganze Reihe höchstrichterlicher Entscheidungen, in denen der Widerruf trotz teilweise nachvollziehbarer Gründe der betroffenen Personen im Sinne der Rechtssicherheit als unzulässig erklärt wurde.
In einer Antwort ebenfalls aus dem Bundesinnenministerium auf die Frage des Abgeordneten Sören Pellmann vom 24.04.2018 heißt es:
Frage: »Welche Auswirkungen für den privaten und betrieblichen Gebrauch in Form von Homepages und anderen Publikationen sind mit dem am 25.5.2018 in Kraft tretenden Art. 6 EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) für das Anfertigung und Veröffentlichen von Fotografien mit nicht Familienangehörigen, bei denen keine schriftliche Einverständniserklärung vorliegt, zu erwarten, und hat die Bundesregierung die Absicht bis zum Inkrafttreten der EU-DSGVO eine eigene Gesetzgebung entsprechend Art. 85 EU-DSGVO zu verabschieden (bitte begründen)?« (Fehler im Original, Anm. des Verfassers)
Antwort: »Die Bundesregierung erwartet durch die Anwendbarkeit der EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) am 25. Mai 2018 keine wesentlichen Veränderungen für das Anfertigen und die Veröffentlichung personenbezogener Fotografien für die der Fragestellung zugrunde liegenden Zwecke des privaten oder betrieblichen Gebrauchs. Die Anfertigung einer personenbezogenen Fotografie unterliegt den Regelungen des allgemeinen Datenschutzrechts. Erfolgt die Anfertigung nicht auf der Grundlage einer Einwilligung der betroffenen Person(en) nach Art. 6 Abs. 1 Buchstabe a) EU-DSGVO sind wie bisher die Voraussetzungen alternativer Befugnisnormen, insbesondere die Durchführung eines Vertrags (Art. 6 Abs. 1 Buchstabe b) die EU- DS – GVO) oder die Wahrnehmung berechtigter Interessen (Art. 6 Abs. 1 Buchstabe F) EU-DSGVO) zu prüfen. Für die Verbreitung und Veröffentlichung personenbezogener Fotografien verpflichtet Art. 85 Abs. 1 EU – DS – GVO die Mitgliedstaaten, das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit in Einklang zu bringen. Hierüber könnten die Regelungen des Kunsturhebergesetzes fortgelten, dessen § 23 einen solchen Ausgleich enthält, indem er praktisch relevante Ausnahmen von dem grundsätzlichen Einwilligungserfordernis der abgelichteten Personen normiert.« (Hervorhebung durch den Verfasser)
Natürlich wäre es wünschenswert gewesen, wenn es einen ausdrücklichen gesetzlichen Hinweis seitens der Bundesregierung gegeben hätte, dass die Regelungen des KUG den Regeln der DS-GVO vorgehen. Dann wäre vielen Falschinformationen im Internet von vornherein der Boden entzogen worden, und die Beunruhigung über schlimmste Konsequenzen der neuen datenschutzrechtlichen Bestimmungen für Fotografen hätte sich vermutlich in überschaubaren Grenzen gehalten. Dass die Regelungen des KUG denen der DS-GVO vorgehen, ergibt sich aber nunmehr aus beiden Stellungnahmen eindeutig.
Es ändert sich nicht viel
Man darf den Schluss ziehen, dass sich für Fotografen mit der Einführung der neuen datenschutzrechtlichen Bestimmungen am 25.05.2018 nicht viel geändert hat. Die Bundesregierung steht weiterhin zu dem bewährten KUG, das in ausgewogener Weise die Interessen von Fotograf und fotografierter Person angemessen berücksichtigt, und vertraut auf die bislang sehr ausgewogene Rechtsprechung zu dieser Thematik.
Was meiner Meinung nach allerdings passieren könnte, wäre eine endgültige Festlegung der ohnehin schon bestehenden Tendenz der Rechtsprechung, dass schon vor der Herstellung eines Bildnisses, und nicht erst vor dessen Veröffentlichung eine Einwilligung eingeholt werden muss. Denn insoweit, dies sei wiederholt, bezieht sich das KUG nur auf eine Einwilligung zur Veröffentlichung, wenn also die Datenerhebung bereits erfolgt ist. Insoweit kann das KUG der DS-GVO logischerweise nicht vorgehen. Man muss also möglicherweise davon ausgehen, dass man Personen nicht mehr ohne deren Einwilligung fotografieren darf. Dies wiederum gilt nicht für die Personen vor dem Kölner Dom (siehe Beispielsfall) oder Personen bei Veranstaltungen, denn hier greifen die Ausnahmetatbestände des § 23 KUG, wonach eine Einwilligung nicht erforderlich ist.
Denn wenn solche Fotos veröffentlicht werden dürfen, dürfen sie auch hergestellt werden, sonst würde die Vorschrift des § 23 überhaupt keinen Sinn ergeben. Ich meine aber, dass diese mögliche Verschärfung durchaus hinnehmbar und auch sinnvoll ist, berücksichtigt man, dass fotografierte Personen keinerlei Kontrolle mehr darüber haben, was später mit den Fotos, auf denen sie abgebildet sind, passiert. Dies ist auch der Grund, weshalb die Rechtsprechung in Deutschland und Österreich festgelegt hat, dass schon die Herstellung von Personenfotos ohne Einwilligung der fotografierten Person rechtswidrig sein kann. In Deutschland wurde dies beispielsweise für Akt- oder Nacktfotos so entschieden.
Dies gilt im Übrigen sowohl für die Amateurfotografie als auch für die gewerbliche Fotografie, hier ist keine Differenzierung geboten. Gewerbliche Fotografen sollten sich in vielen Fällen im Zweifel ohnehin unmittelbar auf die Rechtfertigungsgründe in Art. 6 der DS-GVO berufen können, denn sinnvollerweise sollten sie stets einen schriftlichen Vertrag mit ihrem jeweiligen Auftraggeber vorweisen können, in welchem die datenschutzrechtlich gebotenen Einwilligungserklärungen mit den erforderlichen Belehrungen enthalten sind.
Was allerdings Berufsfotografen ggf. zu beachten haben, sind die formellen Voraussetzungen, die in der DS-GVO hinsichtlich der Datenerhebung und Datenspeicherung enthalten sind, beispielsweise die Sicherheit der Verarbeitung, die Erstellung eines Verzeichnisses über die genauen Verarbeitungstätigkeiten, eine Datenschutz-Folgenabschätzung (Risikobewertung), die Bestellung eines Datenschutzbeauftragten (je nach Größe des Unternehmens) etc. Auf diese Aspekte kann an dieser Stelle allerdings nicht näher eingegangen werden.
Abschließend möchte ich anmerken, dass meine vorstehenden Ausführungen nur für die Rechtssituation in Deutschland gelten und den derzeit aktuellen Stand wiedergeben. Es kann durchaus sein, dass in anderen Ländern, ich denke beispielsweise an das wenig fotografenfreundliche Frankreich (zumindest in Paris), die DS-GVO strikt umgesetzt wird und deshalb bei der Personenfotografie, auch wenn die Personen nur Beiwerk sind, erhöhte Vorsicht geboten ist. Schließlich war es auch Frankreich, das sich vor zwei Jahren im EU-Parlament für die Abschaffung der Panoramafreiheit stark gemacht und einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht hat. Glücklicherweise hat dieser keine Mehrheit gefunden.
Letztlich ist hier – wie auch in Deutschland – jedoch die weitere Entwicklung noch abzuwarten, alles andere wäre reine Spekulation.
Mein zusammenfassendes Statement
Liebe Fotografinnen und Fotografen, es gibt keinen Anlass zur Panik! Macht so weiter wie bisher. Lediglich sollte spätestens ab dem 25.05.2018 bereits bei der Herstellung eines Personenfotos eine Einwilligung der fotografierten Person vorliegen. Ich bin persönlich aber auch der Meinung, dass es schon der Respekt gebietet, andere Menschen nicht ohne deren Einverständnis zu fotografieren.
RA Wolfgang Rau
Siegburg, Ende Mai 2018
Den Artikel von Wolfgang Rau können Sie hier beim Rheinwerk Verlag auch als PDF herunterladen.
Bilder und Texte mit freundlicher Genehmigung des Rheinwerk Verlags. Dafür ganz herzlichen Dank!
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