Hier ist ein neuer Beitrag in unserer Serie der Tipps und Tricks des Datacolor-Experten Oliver Mews. Heute: Schärfe im Sucher ist nicht gleich Schärfe im Bild!
Scharf und scharf ist zweierlei. Ein prüfender Blick durch den Sucher, das aktive Autofokus-Messfeld genau auf das Sujet ausgerichtet und gefühlvoll den Auslöser angetippt – das kurze Surren verstummt und das Bild erscheint knackscharf im Sucher…. scheinbar.
Natürlich ist es nicht ohne weiteres erkennbar, ob das letzte Quäntchen Schärfe aus unseren heutigen Pixelmonstern herausgeholt wurde. Es fehlen dazu optische Hilfsmittel, wie z. B. das Schnittbild in früheren, analogen Spiegelreflexkameras. Auch die Darstellung auf dem Kameradisplay ist dazu nicht wirklich gut geeignet. Schaut man aber später die Bilder am Computer genauer und deutlich größer an, so wird oft klar, dass der Fokus noch Potenzial zur Optimierung bereithält.
Doch was ist passiert? Bei sehr offener Blende f1.4/f2.8 ist die Schärfentiefe dermaßen gering, dass sich die Position des Fotografen deutlich sichtbar auf den Schärfepunkt auswirkt. Ein kaum merkliches, aber natürliches Pendeln des Körpers kann dabei schon der entscheidende Faktor zwischen dem perfekten Bild und einem Häufchen unbrauchbaren Pixelmülls sein. Auch das Einschwenken der Kamera zum richtigen Bildausschnitt bei der Nutzung des mittleren AF-Messfeldes birgt ganz ähnliche Gefahren.
Wer es richtig machen möchte, der benutzt das AF-Messfeld im entsprechenden Bildteil und erspart sich damit das Einschwenken und damit verbundene Fehlerquellen. Zudem ist diese Arbeitsweise schneller, da bei mehrfacher Aufnahme eines Sujets der Bildausschnitt nicht immer wieder neu gewählt werden muss.
Aber auch bei fehlerfreier Ausführung der Autofokusmessung durch den Fotografen kommt es bei mehr als der Hälfte aller Kamera-Objektiv-Kombis zu leichten Abweichungen. Diese Schwächen der Schärfestellung sind auf minimalste Toleranzen im Fertigungsprozess, aber auch auf Abnutzung und Umwelteinflüsse, wie z. B. starke Temperaturschwankungen, zurückzuführen und können leicht vom Servicetechniker des Kameraherstellers nachkorrigiert werden. Als Alternative zum Service bieten die meisten der aktuellen DSLRs eine Korrekturfunktion: Die AF-Feinjustierung.
Liste von Kameras mit AF-Feinjustierung
Hersteller | Modell |
Canon | 50D, 70D, 6D, 7D, 5DS, 5DS R, 7DMkII, 5DMkII, 5DMkIII, 1DMkIII, 1DMkIV, 1DsMkIII, 1Dx, 1DxMkII, 1Dc |
Nikon | D7000, D7100, D7200, D300, D300s, D600, D610, D700, D750, D800, D800E, D810, D3, D3s, D3x, D4, D5 |
Pentax | K5-II, K5-IIs, K-20D, K-30, K-5, K-7D, K-2000/K-m, K200D, 645D, K-x, K-3 |
Sony | A850, A900, A77, a7R II, a7S II, a7 II, a7 R, a7 S, a7, a99, a68 |
Olympus | E-30, E-620, E-5 |
Sigma | Art Serie |
Tendenziell kann man sagen, dass DSLR-Kameras ab dem mittleren Preissegment aufwärts mit AF-Kalibrierung ausgestattet sind. Klarheit sollte man sich aber auf den Webseiten der Hersteller verschaffen.
Front- oder Back-Focus wird mit digitalem Schieberegler um den erforderlichen Wert justiert. Eine Testaufnahme zu Beurteilung ist dafür notwendig. Zum Beispiel kann eine Buchseite, welche auf dem Tisch liegt und von schräg oben fotografiert wird, als Indikator dienen. Hier sollte man allerdings beachten, dass der AF-Messpunkt dann auf einer schrägen Ebene misst, was zu einem nicht gut kalkulierbaren Messpunkt führt.
Als besseres Hilfsmittel dient ein kontrastreiches und aufrecht stehendes Objekt, wie es im SpyderLensCAL von Datacolor enthalten ist. Im 45°-Winkel ist ein Lineal mit Messskala angeordnet, so dass ein Ablesen des Schärfemittelpunktes sehr einfach ist. Wichtig: auf gleicher Höhe, frontal fokussiert und am Besten unter Nutzung eines Stativs fotografieren.
In diesem Falle macht es eine kleine Libelle sehr einfach, das Messgerät auszurichten. Mit dem ¼“-Gewinde ist es zwar schnell auf einem Stativ montiert, aber auch auf einem längeren Tisch oder dem Fußboden bekommt man Kamera und Messwerkzeug schnell zueinander ausgerichtet.
Der Kalibrier-Prozess ist denkbar einfach:
- Blende weit öffnen
- ISO-Einstellung auf möglichst kleinem Wert
- kurze Belichtungszeit und damit ausreichend Licht schaffen
- Testfoto machen – prüfen – korrigieren
- Testfoto machen – nachkorrigieren
- Testfoto machen – fertig.
Herstellerseitig sollte der Schärfebereich bzw. die Fokusbalance nicht mittig, sondern auf 2/3 Back- und 1/3 Frontfokus liegen.
People-Fotografen haben mit der AF-Korrektur die Möglichkeit, den Schärfebereich umzubalancieren. 1/3 im Back- und 2/3 im Frontfokus sorgen bei Offenblende für scharfe Nasenspitzen, aber unscharfe Ohren, wenn aufs Auge fokussiert wird. Das führt bei derart freigestellten Bildern zu deutlich weniger Ausschuss.
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