Mystisch, märchenhaft oder gruselig? Alles geht!
Während ich diese Zeilen schreibe, wabern draußen vor dem Fenster dicke Nebelschwaden. Das sieht fantastisch aus und gehört eigentlich dringend fotografiert. Nur wie, damit ein stimmungsvolles Bild mit Atmosphäre daraus wird, am besten auch noch ein gut gestaltetes?
Dabei hilft uns der heutige Gastbeitrag unseres Partners Rheinwerk Verlag, ein Auszug aus dem fantastischen Buch Fotografieren mit Wind und Wetter von Bastian Werner. Viel Spaß beim Lesen und Ausprobieren! Über Bilder deiner Ergebnisse freut sich die Netzwerk Fotografie Community in ihren Bilderforen, z.B. in diesem Mitmachthread: Zeigt her eure Nebelaufnahmen.
Als Landschaftsfotograf weiß man: »Nebel macht alles besser.« Wenn man sich einmal in den großen Fotoportalen umsieht, haben die meisten Landschaftsfotografien irgendwo das Element Nebel integriert.
Nebel ist für den Menschen immer mit etwas Mystischem und Unheimlichem verbunden. Er weckt alte, tief in uns verankerte Fantasien, sich auszumalen, welche Gefahren und Kreaturen wohl hinter den Schleiern warten mögen. Diese (unbewussten) Fantasien sind es, die den Betrachter solcher Fotografien aus seinem Alltag herausholen und ihn mitten in das Bild hineinziehen. Für einen Landschaftsfotografen ist es ganz besonders wichtig, genau diese tiefen, uns mit der Natur verbindenden Gefühle beim Betrachter hervorzurufen. Ich behaupte sogar, dass die gesamte Landschaftsfotografie auf dieser inneren, tief verankerten Sehnsucht des Menschen nach der Natur aufbaut. Und der Nebel bietet für diesen Zweck in der Landschaftsfotografie als Wetterphänomen die weiteste Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten.
Eine sehr beliebte Variation ist das Nebelmeer, wenn eine dichte Nebelschicht die gesamte Landschaft verhüllt und man nur auf den höchsten Gipfeln dem wabernden Dunst der Täler zu entkommen vermag. Der Einsatz des Nebelmeeres liegt vor allem im Kaschieren der meist verbauten Täler zwischen ansonsten schönen Hügeln und Bergen – ein Aspekt, um den jeder Landschaftsfotograf froh ist. Was nützt einem das schönste Tal, wenn Lagerhallen und Schornsteine das Motiv ruinieren?
Im Falle des Nebelmeeres ist das Wetter sogar Hauptakteur zwischen den Anhöhen einer Landschaft. Durch die dominante weiße Farbe zieht der Nebel sofort den Blick des Betrachters auf sich, wenn dessen Augen nicht einen anderen markanten Punkt finden. Dies gilt es unbedingt im Bildaufbau zu berücksichtigen! So außergewöhnlich das Nebelmeer auch sein mag, es ist eine recht eintönige Fläche, die für sich allein keinen abschließenden Bildaufbau ermöglicht. In der Fotografie der Wegelnburg in Abbildung 2.6 habe ich deshalb gezielt das Nebelmeer im Mittelgrund nicht mein Hauptmotiv werden lassen. Gut zu erkennen ist auch, wie der Nebel sämtliche Bebauung in den Tälern einhüllt.
Das Nebelmeer dient natürlich nicht nur dem bloßen Gestalten des Fotos im Mittelgrund. Es ist verbindendes Element zwischen Himmel und Erde und trägt zu einer abgeschlossenen Gesamtkomposition bei. Ohne den Nebel würden sich die sehr dunklen Hügel gegen den Himmel stemmen, dem Bild würde das Gleichgewicht zwischen Vorder- und Hintergrund fehlen.
Das Nebelmeer darf auf keinen Fall mit einzelnen feinen Nebelschleiern in den Tälern verwechselt werden! Nicht nur, dass man hier ganz andere Motive findet als bei einem Nebelmeer, die Entstehungsbedingung solcher Schleier ist eine andere. Nebelschleier sollten eingesetzt werden, wenn der Vordergrund der Fotografie erhalten bleiben soll, man jedoch den Nebel als weiteres Gestaltungsmittel verwenden möchte, um ein spannenderes Motiv zu bewirken. Nebelschleier lassen sich auf diesem Wege in alle erdenklichen Landschaften integrieren, sogar in Städten kann man sie einsetzen. Natürlich entstehen sie dort naturgemäß seltener.
Nachdem wir nun ausgehend von einer geschlossenen Nebeldecke den feinen Nebelschleiern gefolgt sind, sind wir jetzt bei dem lokalsten Phänomen des Nebels angelangt: den dampfenden Gewässern. Hier kann der Nebel nur durch die Versorgung der Luft mit ausreichend Feuchtigkeit aus dem Wasser heraus entstehen. Die Nebelschwaden legen sich über das komplette Motiv, zeichnen das Bild weich und schlucken sämtliche Details. Wenn das gesamte Motiv von Nebel durchzogen wird, treten durch die große Helligkeit des Nebels starke Kontraste auf, da sich ein gleißender Schleier über das Motiv legt. Wenn dann noch das Sonnenlicht dazukommt, wie Sie in den Abbildungen 2.7 bis 2.9 sehen, werden die Schatten im Bild dunkel und verlieren an Farbe. Die Landschaft reduziert sich bei Aufnahmen, die durch Nebelschleier hindurch zur Sonne gerichtet sind, auf ihre Konturen. Blickt man in der gleichen Situation jedoch im rechten Winkel zum einfallenden Licht, wirken die feinen Nebelschleier auf der Wasseroberfläche unscheinbar, haben kaum Präsenz im Foto. Sie müssen dem Nebel nicht immer nach oben entfliehen, auch direkt im Nebel lassen sich faszinierende Aufnahmen erzielen.
Der beste Einsatz von Nebel inmitten eines Motivs gilt dem Erzeugen einer märchenhaften bis gruseligen Stimmung. Feine Details in der Fotografie, wie in Abbildung 2.10 das Blattwerk des Waldes, verschwinden im Schleier des Nebels und verschwimmen zu feinen Pastellfarben. Alles, was nicht mehr in der durch den Nebel zugelassenen Sichtweite liegt, verschwindet im Nichts. So lassen sich auch gezielt Objekte aus dem Bild entfernen.
Doch Vorsicht! Es gibt aus genau diesem Grund auch keinerlei Konturen am Himmel, alle Motive sollten deshalb den größten Teil des Bildes ausfüllen, um nicht zu viel ungenutzte Fläche im Foto zu bewirken. In Abbildung 2.8 wurde mit Gegenlicht gearbeitet. Fällt Licht in den Nebel hinein, so reduziert dieses Licht eine Landschaft auf ihre Konturen, und es entstehen rund um die »Lichtquellen« interessante Leuchteffekte.
Ein Phänomen, das ich persönlich von allen Möglichkeiten, Nebel einzusetzen, am liebsten mag, sind die sogenannten Nebelstrahlen. Diese entstehen, wenn Sonnenlicht den Nebel durchdringt. Entweder liegt der Nebel als sehr feine Schicht direkt über dem Boden, oder man begibt sich auf einen Berg, um die obere Grenze des Nebels zu erreichen, durch die das Sonnenlicht hindurchdringt.
Diese Strahlen entstehen durch den Schattenwurf von Ästen und Baumstämmen, auf die das Sonnenlicht fällt. Natürlich tritt dieser Effekt nicht nur durch Sonnenlicht auf, sämtliche starken Lichtquellen in Kombination mit Nebel können dazu genutzt werden. Besonders in verschiedenen Waldlandschaften lässt sich dieser Effekt als gestalterisches Mittel perfekt einsetzen. Natürlich gepaart mit genügend Geduld und dem nötigen Wissen, um die ideale Location für diesen Effekt aufzusuchen.
Mehr Wetterfotografie
Dies ist ein Auszug aus „Fotografieren mit Wind und Wetter. Wetter verstehen und spektakulär fotografieren!“ von Bastian Werner aus dem Kapitel 2.2 (ISBN: 978-3-8362-4222-6, Rheinwerk Verlag). In unseren drei Rezensionen, die du hier, da und dort findest, hat das Buch jedes mal alle 5 von 5 möglichen Sternen erreicht. Wenn du nun auf den Geschmack gekommen bist, lohnt sich die Anschaffung des Buchs also unbedingt.
Bilder und Texte mit freundlicher Genehmigung des Rheinwerk Verlags. Dafür ganz herzlichen Dank!