Zweifellos sein Geld wert
Unser Community-Mitglied Michael Quack ist Fotoprofi, erfahren in der Studiofotografie und demnach natürlich auch mit allen möglichen Sorten von Stativen vertraut.
Wer hätte also das Stativ aus der 3T-Serie (Table Top Tripod) von SIRUI besser für uns testen können als er?
Für den Produkttest reiste das Stativ bis nach Valencia, wo es sich in den verschiedensten Situationen bewähren musste.
Hier ist sein Bericht:
Sirui und Tabletop? Fand ich ganz witzig, also habe ich den Finger gehoben als Reviewer gesucht wurden.
Der Zahn mit „Tabletop“ wurde mir aber schon vorab gezogen.
Man stellt das Stativchen auf den Tisch, das ist nicht das was unsereins sich üblicherweise unter einem Tabletopstativ vorstellt.
Egal, jetzt gucken wir uns das Ding an, und tatsächlich, wenige Tage später liess der DHL-Mann es bei mir fallen.
In Rot. Äh… ja. Ich hatte um Schwarz gebeten wenn möglich – man will ja nicht auffallen. Meine Kameras werden aus gutem Grund alle mit Edding behandelt. Schwarz wäre nicht mehr rechtzeitig verfügbar gewesen, also eben Rot. Ich nehme das Ding für ein paar Tage mit nach Valencia.
Im Karton ist ein Haufen Zeugs. Das Stativ selbst, eine kürzere Mittelsäule zum Tauschen in einem separaten Beutel aus Chintz, ein gummierter Karabinerhaken, zwei Sechskantschlüssel, Bedienungsanleitung in Deutsch und Englisch, Garantiekarte, Prüfkärtchen. Alles zusammen in einem Reißverschlußtäschchen… das erfreut die Damen stilistisch sicher mehr als die Herren.
Das Rot ist eloxiert, sieht wie das komplette Stativ exzellent verarbeitet aus. Das Stativ selbst besteht aus drei ausklappbaren Füßen, die eingeklappt als Handgriff dienen, und einer Mittelsäule mit einem Auszug, der per Würgeklemme fixiert wird. Obenauf sitzt ein Kugelkopf mit Arca-kompatibler Klemme und Miniplatte TY-C10. Der Kugelkopf besitzt eine Panorama-Gradeinteilung. Die ausziehbare Mittelsäule kann man gegen eine einteilige, kürzere Mittelsäule tauschen. Das Stativ ist dann drei Zentimeter niedriger, und 26 Gramm leichter. Man kann den Kugelkopf auch ganz ohne Mittelsäule auf den Fuß montieren. Die letzte Option ist die Füße quasi lang zu machen und das Stativ als Selfie-Stick zu verwenden.
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Klappt man das Ding zusammen, ist es recht kompakt und wiegt gerade mal 408 Gramm. Interessantes Detail: Die Enden der Füße sind magnetisch und haften zusammengelegt an einem Ring der Mittelsäule. Ganz unten am Stativ ist ein drehbar gelagerter Schlüsselring, daran kann man das Stativ mit dem mitgelieferten Karabinerhaken an einem D-Ring der Fototasche befestigen. Der Karabiner ist gummiert, klappert also nicht so wie einer aus blankem Metall es tun würde. Daumen hoch!
Zum Einsatz klappt man die Füße runter, entweder ganz nach unten oder leicht schräg. Die Fußenden sind gummiert, man macht nichts kaputt wo man sie draufsetzt. Leichte Drehung am Sockelring, und das Ding bleibt stehen.
Alternativen
Soweit die technischen Daten und die Beschreibung der Teile. Wie schlägt sich das Ding aber nun in der Praxis? Und was sind die Alternativen? Welche Einsatzbereiche gibt es? Fragen über Fragen.
Fangen wir damit an was es alles nicht kann.
Links: Super Clamp. Mitte und rechts: Gorillapod
Es kann nicht felsenfest an einem Geländer montiert werden, wie ich das mit Superclamps, Hex-Adapter und Kugelkopf oder sogar Getriebeneiger tun kann.
Es kann auch nicht wie die Gorillapods um Laternenmasten gewickelt werden, aus Autofenstern hängen oder in Bäume gehängt werden.
Und natürlich ist die Maximalhöhe begrenzt ( im Bild rechts: Manfrotto MA 0190 und MA 161 MkII B Super Pro)
Im Einsatz
So klein es ist, wirkt es an der Fototasche hängend für den freundlichen Fummler von der TSA garantiert bedrohlich, man kann also davon ausgehen, es nicht als carry-on in den Flieger zu kriegen. Ich hab folgerichtig nicht einmal den Versuch gemacht – es wanderte in den aufgegebenen Koffer. In Valencia angekommen kam es dann mit dem Karabinerhaken an die Tasche und machte da eine gute Figur.
Tauscht man die ausziehbare Mittelsäule gegen die kurze aus, ist das Stativ gerade mal drei Zentimeter niedriger, und 26 Gramm leichter. Man verliert aber gleichzeitig 11,5cm Maximalhöhe. Ein Pyrrhussieg. Die kurze Stativsäule ist nicht einmal modular „stapelbar“, man kann sie nur im Tausch verwenden. Blöderweise kann man sie nur wechseln indem man die Fixier-Madenschrauben mit dem Sechskantschlüssel löst. Den verliert man garantiert als erstes, und ehrlich – für 26 Gramm und drei Zentimeter? Kurze Mittelsäule, glänzendes Beutelchen und Sechskantschlüssel blieben also gleich zu Hause. Hätte ich das Ding gekauft, wären die Schlüssel in meine umfangreiche Sammlung zeitgenössischer Sechskantschlüssel gewandert, den Beutel mit der kurzen Mittelsäule hätte ich elegant entsorgt.
Sirui: Das könnt ihr euch sparen, treibt nur den Preis.
Man kann den Kugelkopf auch gleich ohne Mittelsäule auf den Fuß montieren. Das gleiche Leid – Lösen nur mit Sechskantschlüssel. Da lege ich das Stativ lieber um und halte es mit der Hand nieder.
Die Gradeinteilung des Kugelkopfes ist witzlos, denn man kann den Kugelkopf nur global lösen, die Drehung kann nicht separat von der Kameraplatte gelöst werden. Die Kamera kippt unweigerlich ein Stück ab, wenn man den Kugelkopf löst um ihn zu drehen. Panoramen ohne Schwankungen im Horizont gehen damit nicht.
Also: Was kann es dann?
Packmaß
Zuerst mal hat es ein wirklich angenehmes Packmaß und kann daher (bis auf den Flieger) praktisch überall hin mitgehen. Durch den gummierten Karabiner klappert es dabei nicht.
Griff/Stick
Moderne Spiegellose haben leider oft sehr kleine Gehäuse, die neben den Bedienelementen kaum Platz für die Finger bieten. Das 3T-35R dient hier als Handgriff um die Kamera sicher zu halten. Die Selfiestick-Funktion ist für die duckfacigen Mitbürger sinnvoll, aber man kann sie auch nutzen um die Kamera einfach mal über einen Zaun weg hoch zu halten oder über Kopf in Bodennähe zu bringen ohne sich bücken zu müssen. Das Stativ ist dabei sehr leicht, quasi kinderleicht.
Tabletop
Tabletop heißt „oben auf dem Tisch“. Man versteht darunter gewöhnlich, dass das Motiv auf dem Tisch steht oder liegt, „Food“ findet on top of the table sein natürliches Habitat. In diesem Falle ist aber tatsächlich gemeint das Stativ selbst auf den Tisch zu stellen. Oder auf eine Mauer, ein Autodach, einen Briefkasten……
Das geht recht gut, aber der Untergrund auf den man es stellt, sollte einigermaßen eben sein, und ich würde es voll ausgezogen vermutlich nie stehen lassen ohne mindestens eine Hand dran. Es gibt nach allen Seiten elastisch etwas nach, weil die Füße nicht hart verriegelt werden. Es stabilisiert dabei aber dennoch deutlich spürbar besser als wenn man die Knipse in der Hand halten würde.
Für mehrere Sekunden lange Belichtungen würde ich es vermutlich eher eingefahren verwenden – oder was Schwereres verwenden. Man kann es jedoch auch schräg irgendwo abstützen. Alles besser als Wackeln.
Wände
Wände findet man überall. Seitlich gegen eine Wand gedrückt mit hoch geschwenktem Kugelkopf kann man einiges reißen mit dem Dingelchen.
Natürlich ist die Positionswahl gegenüber einem normalen Stativ anders, aber die Ergebnisse können sich sehen lassen.
Aufgesetzt auf die Terrassenmauer gelingen auch Nahaufnahmen eines Bananenblattes, bei denen man genauer fokussieren will.
Gegen die Beckenumrandung um das Hemisfèric gedrückt sind Aufnahmen nah am Wasserspiegel drin gewesen.
Und ganz zum Schluss kommen wir noch am Strand an einer kleinen Ansammlung Einheimischer vorbei, die nach Mitternacht mit Campingtischen und Stühlen, einem großen Ghettoblaster und einer gewaltigen Ansagerin zu Latin Sounds Salsa tanzen. Einige Touristen gesellen sich dazu, und ich mache auf der Ufermauer sitzend ein paar Videoclips von meiner Frau und meiner 9-jährigen Tochter, die alle mit ihrem tänzerischen Können verzaubert.
Das EF-S 55-250mm entspricht dabei effektiv 400mm äquivalent an Kleinbild, und ich kriege beide auch auf 25 bis 30m noch gut ins Bild. Das Stativchen ruht dabei auf meinen Beinen, das Display ist hochgeklappt, es lässt sich angenehm und unauffällig vor der Brust im Sitzen bedienen. Den Stativkopf habe ich dabei nur sachte angezogen, so dass er zwar Friktion liefert, aber nicht klemmt. Das ist nicht gerade ein Fluid-Videoneiger, aber in Anbetracht der Umstände der Unterschied zwischen Video drehen oder einpacken. Leider möchten meine Hühnchen das Video nicht zeigen, also gibt es nur eine Übersicht der Situation.
Fazit
Das Sirui 3T-35R ist sehr gut verarbeitet, und es kommt in einem sehr umfangreichen Paket. Der Straßenpreis von 89 Euro ist eine Menge Geld, aber in Relation zu den Alternativen ist das nicht so dramatisch. Das kleine Kaiserstativ aus Bild 6 kostet mit dem Manfrotto Micro Kugelkopf MA 482 und einer Arca-Klemme oben drauf auch schon über 60 Euro und liefert dabei sehr viel weniger. Das Gorillapod liegt bei rund 40 Euro und kommt mit einem deutlich flimsigeren Kugelkopf und proprietärer Wechselplatte, und die Super Clamp mit MA 208HEX-Adapterplatte, Kugelkopf MA 484 und Arca-Klemme kostet auch schon über 100 Euro für eine einzelne Anwendung an Geländern.
Ein „richtiges“ Stativ kann das Sirui nicht ersetzen, es ist begrenzt in Maximalhöhe, Festigkeit und Tragkraft. Allen Unkenrufen zum Trotz kann es jedoch in einigen Situationen den Unterschied zwischen einem gemachten Bild und einer Menge Ausschuss ausmachen.
Echte Kritikpunkte sind unter Berücksichtigung des angedachten Einsatzgebietes kaum zu finden. Das was mir nicht gefällt, ist eher das, was zu viel ist. Das Stativ ist zu klein, um damit ernsthaft Panoramen zu schießen, und der Kugelkopf lässt sich eh nicht nur zur Drehung lösen. Ich sehe auch nicht, dass man für 26 Gramm Einsparung die kurze Mittelsäule tauschen wird, zumal man dann immer das Werkzeug mitnehmen muss. Die Panoramagravur, die tauschbare Mittelsäule und die sehr aufwendige Kopfbefestigung wären meiner Ansicht nach verzichtbar, ohne dabei das Produkt irgendwie einzuschränken. Man könnte allenfalls die kurze Säule „stapelbar“ machen, so dass man auf eine größere Maximalhöhe käme. Aber dann bitte werkzeuglos zu montieren.
Das Sirui 3T-35R zeigt, dass an sehr vielen Stellen nachgedacht wurde (z.B. Magnetfüße mit Gummierung, gummierter Karabiner), und die Verarbeitung ist absolut makellos. Es ist zweifellos sein Geld wert. Ob ich es unter Normalbedingungen kaufen würde, kann ich nicht pauschal beantworten. Zum einen habe ich bereits Tonnen von Gripzubehör in allen Gewichtsklassen, zum anderen bin ich gewohnt, fast alles in meiner Umgebung zum Stativ umzufunktionieren. Bislang bin ich also immer entweder deutlich dicker unterwegs gewesen oder ich hatte oft gar nichts mit.
Das beste Stativ ist aber das, was man gerade dabei hat. Ob es dann rot sein muss/darf, habe ich noch nicht mit mir ausgefochten.
Disclosure: Das Stativ wurde mir von Sirui für die Dauer des Tests zur Verfügung gestellt.
Bilder und Text: Michael Quack, www.visualpursuit.de
Technische Daten
Technische Daten Stativ
- Höhe: 5,1 – 27,2cm
- Packmaß: 17,3cm
- Gewicht: 0,25kg
- Max. Belastbarkeit: 4kg
- Farbe: rot oder schwarz
Technische Daten Kugelkopf
- Höhe: 69mm
- Kugeldurchmesser: 25mm
- Basisdurchmesser: 37mm
- Gewicht: 0,18kg
- Max. Belastbarkeit: 4kg
- Farbe: rot oder schwarz
Unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers: 89,90 € inkl. MwSt.
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