In welchen Fällen die Sensorgröße eine Rolle spielt – und in welchen nicht
Die Debatten um die optimale Sensorgröße scheinen kein Ende zu finden – ist es vielleicht egal, wie groß der Sensor ist? Ist das Vollformat (also Kleinbild) allein selig machend, oder kann man sich im Interesse kleinerer und leichterer Kameras auch für APS-C oder Micro FourThirds entscheiden? Ist vielleicht nicht doch das Mittelformat der heilige Gral der Fotografie? Oder kommt es gar nicht auf die Sensorgröße an, weil man ja nur ein Objektiv mit äquivalenter Brennweite und Lichtstärke braucht, um bei allen Sensorgrößen dieselben Bedingungen herzustellen?
Michael J. Hußmann von DOCMA geht der Frage in unserem heutigen Gastbeitrag auf den Grund.
Landläufig geht man davon aus, dass große Sensoren zwar größere, schwerere und oft auch teurere Kameras und Objektive erfordern, dafür aber rauschärmere Bilder mit höherem Dynamikumfang liefern. Doch stimmt das überhaupt so generell? Sind äquivalente Objektive nicht geeignet, die Qualitätsunterschiede aufzuheben?
Bei „Äquivalenz“ denkt man meist an die Brennweite. Wenn man mit einer APS-C-Kamera denselben Bildwinkel wie mit einer Kleinbildkamera erfassen will, muss man die Brennweite durch 1,5 (bei Canon 1,6) teilen. Bei Micro FourThirds liegt der Umrechnungsfaktor bei 2,0 und beim kleineren Mittelformat bei 0,8. Mit der Umrechnung der Brennweite ist es aber nicht getan. Für die vollständige Äquivalenz muss man auch die Lichtstärke durch den Umrechnungsfaktor teilen: Wenn wir mit einer Kleinbildkamera ein 50-mm-Objektiv mit Lichtstärke 2,0 verwenden, brauchen wir an einer APS-C-Kamera ein 1,3/33 mm, für MFT ein 1,0/25 mm und für Mittelformat ein 2,5/63 mm. Alle diese Objektive haben die gleiche Eintrittspupille; es gelangt also gleich viel Licht in das Objektiv und aufgrund der umgerechneten und daher äquivalenten Brennweite gleich viel Licht auf den Sensor. Wenn die Sensorauflösung gleich ist, bekommt auch jedes Sensorpixel gleich viel Licht.
Die Belichtung hängt allerdings nicht von der Eintrittspupille ab, sondern von der Blendenzahl, also der Brennweite, geteilt durch die Eintrittspupille. Da die äquivalenten Objektive für die kleineren Sensorformate eine höhere Lichtstärke haben, muss man zum Ausgleich einen niedrigeren ISO-Wert wählen – es gibt nicht nur äquivalente Brennweiten und Lichtstärken, sondern auch einen äquivalenten ISO-Wert. Gehen wir beim Kleinbild von ISO 200 aus, dann sind die äquivalenten Werte ISO 89 bei APS-C, ISO 50 bei MFT und ISO 313 beim (kleinen) Mittelformat. Bei einer äquivalenten ISO-Einstellung können die Pixel unterschiedlich großer Sensoren annähernd dieselbe Zahl von Photonen sammeln, bevor ihr Ladungsspeicher überläuft. Damit ist die Äquivalenz komplett und die Bildergebnisse sollten weitgehend dieselben sein – es spielt dann keine Rolle, wie groß der Sensor ist.
Das gilt allerdings nicht ganz uneingeschränkt, denn es gibt Fälle, in denen wir keine Äquivalenz herstellen können. Das gilt einmal für extreme Lichtstärken. Bei 1,0 wird die Objektivkonstruktion bereits aufwendig und teuer und bei 0,5 ist (für Linsenobjektive) eine physikalische Grenze erreicht. Das Äquivalent eines Leica Noctilux-M 0,95/50 mm für APS-C wäre ein recht unwahrscheinliches 0,63/33 mm und ein entsprechendes MFT-Objektiv gar physikalisch unmöglich. Bei gängigeren Lichtstärken ist die Äquivalenz dagegen herstellbar.
Eine weitere Beschränkung geht auf den Sensor zurück. Die kleineren Pixel kleinerer Sensoren können nicht so viele Elektronen speichern und daher auch nicht so viel Licht verkraften, bevor ihr Ladungsspeicher überläuft. Wenn wir bei einer Kleinbildkamera die Grundempfindlichkeit von beispielsweise ISO 200 einstellen, müssten wir bei einer MFT-Kamera ISO 50 wählen, um die Äquivalenz herzustellen, aber da deren Grundempfindlichkeit ebenfalls bei ISO 200 liegt, ist das nicht möglich. Bei höheren ISO-Werten bieten die Kameras mit kleineren Sensoren dagegen genug Spielraum für einen äquivalenten ISO-Wert. Tatsächlich sind diese Kameras dann sogar im Vorteil, weil ihr Ausleserauschen geringer ist. Größere Sensoren brauchen einen „Dual Conversion Gain“, um hier gleichzuziehen.
Die Sensorgröße spielt also nur dann eine Rolle, wenn man entweder eine sehr große Eintrittspupille braucht oder mit der Grundempfindlichkeit des Sensors fotografiert. Seit Mittelformatkameras mit modernen CMOS-Sensoren ausgestattet sind, liefern sie zwar auch im hohen ISO-Bereich rauscharme Bilder, aber die Stärken ihres großen Sensors können sie nur bei der Grundempfindlichkeit ausspielen. Wer ohnehin hohe ISO-Werte braucht, kann auch zu einer bequemer zu handelnden Kamera mit kleinerem Sensor greifen.
Bild und Text mit freundlicher Genehmigung von DOCMA – Magazin für Bildbearbeitung.