Ist die Nomenklatur „Kompakt“, „kompakte Systemkamera“ oder „Spiegelreflex“ überholt?
Verbraucher nutzen häufig neben ihrem Smartphone nicht nur eine, sondern zwei und mehr Kameras für ihr Fotohobby. Der Grund: Die einzelnen Kameramodelle bieten immer speziellere Innovationen und fokussieren sich dadurch auf besondere fotografische Stärken. Der Vorteil für den Nutzer: Vordringen in neue Bildwelten und das Schaffen einzigartiger Bildergebnisse.
„Eine Kamera für alles? Das war einmal“, so Christian Müller-Rieker, Geschäftsführer Photoindustrie-Verband (PIV). „Die Hersteller diversifizieren ihr Sortiment an Premium-Produkten immer stärker in die Tiefe.“ So sind beispielsweise Videoaufzeichnungen in 4K bei vielen Kameras bereits Standard, die ersten 6K-Modelle werden gerade im Markt eingeführt.
Oder: Zeitraffer bei Video, Belichtungssequenzen von bis zu 18 Bildern pro Sekunde oder die extrem hohe Lichtempfindlichkeit von Sensoren eröffnen Bilderwelten, die dem bloßen menschlichen Auge ansonsten verborgen bleiben. Ein weiteres Beispiel sind neue, großformatige und dadurch extrem leistungsstarke Sensoren, die in Sachen Dynamikumfang und Detailschärfe neue Maßstäbe setzen.
Diese Innovationen ermöglichen neue Bilder, so PIV, die immer mehr Fotografen faszinieren, wodurch die Nachfrage nach modernen Hochleistungskameras mit diesen speziellen Features steigt. Denn vor allem mit spektakulären Aufnahmen, wie sie die neuesten Kameragenerationen ermöglichen, kann man in den sozialen Netzwerken und Communities, bei Bilderbanken oder Auftraggebern für die gewünschte Aufmerksamkeit sorgen.
Dies hat zur Folge, dass die klassische Nomenklatur der Kameragattungen wie „Kompakt“, „kompakte Systemkamera“ oder „Spiegelreflex“, die sich an äußeren Merkmalen orientiert, nicht mehr das Marktangebot und die Bedürfnisse der Verbraucher widerspiegelt. Die aktuellen modernen Kameragenerationen orientieren sich vielmehr an den fotografischen Möglichkeiten, die sie dem Nutzer eröffnen. Dementsprechend stellt sich dem Verbraucher nicht mehr die Frage „Was ist die beste Kamera?“, sondern: „Was möchte ich fotografieren? In welche fotografischen Grenzbereiche möchte ich vorstoßen? Und welche Kameras mit welchen Features brauche ich dafür?“
Beispiel Streetfotografie: Wer sich unter Menschen möglichst unbemerkt bewegen möchte, braucht ein möglichst kompaktes, leichtes Kameramodell, das sich auch mit einer Hand sicher und fehlerfrei bedienen lässt. Dazu sollte die Streetfoto-Kamera über einen möglichst hochempfindlichen Sensor und ein lichtstarkes Objektiv verfügen, um auch bei sehr geringem Licht noch gute Bildergebnisse zu erhalten. Schnelle Bildfolgen, ein Autofokus mit Gesichts-Nachverfolgung und automatische Belichtungskorrekturen sind weitere Anforderungen an eine „Streetfoto-Kamera“.
Ein weiteres Beispiel Actionfotografie: Für die Aufnahme von sehr schnellen Bewegungen bei unterschiedlichsten Witterungsbedingungen spielen Features wie extrem kurze Verschlusszeiten, eine ultraschnelle Bildfolge mit ebenso dynamischem Autofokus eine zentrale Rolle, dazu mindestens 4K-Videoaufnahmeleistung und geringes Gewicht, um Einsätze in Coptern problemlos zu ermöglichen.
Ganz anders dagegen die Anforderungen in die Werbe- oder auch Architekturfotografie: Schnelle Bildfolgen sind weniger gefragt, dafür nehmen die Größe und das Auflösungsvermögen des Sensors, sein Dynamikumfang sowie die Qualität der Bilddatenaufbereitung durch den Bildprozessor und die Abbildungsleistung des optischen Systems eine zentrale Rolle ein – jedes noch so kleine Detail soll im späteren Bildergebnis klar und differenziert wiedergegeben werden.
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In der Portrait- und Hochzeitsfotografie (kompakte Abmessungen, bestmögliche Videoleistung und perfekte Hauttonwiedergabe des Sensors), für die Aufnahme von Landschaften (sehr hohe Sensor- und Bildprozessorleistung, gute Transportierbarkeit, Wetterunempfindlichkeit, hohe Akkuleistung) oder für Reisereportagen (Robustheit, Kompaktheit, Videotauglichkeit, guter Kompromiss aus Sensorauflösung und schneller Bildfolge): Für jedes der vielen genannten und ungenannten fotografischen Einsatzgebiete gibt es heute Kameramodelle, die speziell und individuell für diesen Zweck besonders gut geeignet sind. Und da immer mehr Fotografen nicht nur in einem, sondern in diversen Fotosegmenten aktiv sind, kaufen und nutzen sie mehrere Kameras, um in dem jeweiligen Gebiet Spitzenbilder aufnehmen zu können. Je größer das fotografische Spektrum des Fotografen, desto zwangsläufiger empfiehlt sich der Kauf mehrerer Kameras.
Und wenn Video primär im Fokus steht? Da wünscht man sich und bekommt Features wie Cinema-4K mit 24 Bildern pro Sekunde bis hin zu Full-HD-Zeitlupen mit 180 Bildern pro Sekunde, Ultra-HD mit 60 Bildern pro Sekunde, 400 Mbit Datenrate sowie interne Aufzeichnung mit 4:2:2/10-Bit-Farbsignal, dazu zwei SD-Speicherkartenschächte, die den High-Speed-Standard UHS-II unterstützen. Und die ersten videobetonten Modelle haben bereits den 6K-Fotomodus, der Serienaufnahme von 30 Bildern pro Sekunde mit jeweils 18 Megapixel liefert – genug auch für große Prints in exzellenter Qualität. Hilfreich auch, wenn auf fünf Achsen das Bild stabilisiert wird sowie High-Res-Audio für störfreien Hörgenuss sorgt.
Die Spezialisierung je nach Einsatzgebiet findet dabei vor allem in den jeweiligen Kameragehäusen statt. Die Objektive – ob Original- oder Fremdanbieter – dagegen sind im Prinzip multifunktional und lassen sich für alle Fotomotive einsetzen – die Unterschiede liegen vor allem in der Brennweite, dem Zoombereich, dem Gewicht und der Lichtstärke. Da also die optimale Funktionalität für einzelne fotografische Einsatzgebiete primär von der Kamera abhängt und Objektive motiv-übergreifend einsetzbar sind, empfiehlt es sich, so PIV, innerhalb eines Systems mehrere Gehäuse je nach fotografischen Einsatzgebieten zu kaufen plus einem umfassenden Sortiment an Objektiven, die an alle Kameragehäuse passen und je nach fotografischer Aufgabenstellung zusammengestellt werden.
Quelle: Photoindustrie-Verband PIV