Svalbard -Eine Irrfahrt auf der Suche nach Eisb. (Teil 4: Der Himmel dicht über uns)

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Stephan Fürnrohr

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Die Reise geht weiter....

Am nächsten Morgen war die Wolkendecke komplett, was uns zunächst einfach nur wieder ein anderes Licht auf der Eiskante bescherte.

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Der Kapitän hatte sich schon die nächste Aktion in den Kopf gesetzt: Trinkwasseraufnahme am Gletscher. Er wollte mittels eines Trichters die Bäche anzapfen, die die aus dem Gletscher wörtlich entsprangen.

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Die Aktion blieb mengenmäßig nur ein Teilerfolg - das Wasser reichte aber immerhin für einen eiskalten Umtrunk.

Bitter kalter Wind der Stärke 6 mit rapide verschlechterter Sicht verhinderte, dass wir unsere Fahrt direkt nach Nordosten fortsetzen konnten.
Danach lag ein Kurs an, der uns durch die ruhigere Hinlopenstraße an die Nordseite von Nordaustlandet führen sollte.

Unterwegs landeten wir mit den Zodiacs auf der Wahlbergøya an, um eine kleine Gruppe von Walrossen zu besuchen.

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Auf der einen Seite ein Haufen traurig blickender Walrosse...auf der anderen Seite ein Herde traurig blickender Fotografen:
Kalt wars, windig wars, Frontlinsen wurden durch waagrecht fliegenden Schneeregen verschmiert, das Licht wurde immer nur schlechter und wir durften nicht näher ran.


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Was hilft das schöne Burzinski-Schirmchen, wenn es waagrecht regnet?
Ein Bild von mir selbst, von Anne gemacht. Merci! :)

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Das sollen je Exemplar bis zu 1,5 Tonnen sein. Sie sind größer, als die Bilder es vermitteln.

Nachdem sie Anfangs nahezu völlig desinteressiert waren und allenfalls mal eines den Kopf hob um einen Blick auf diese spindeldürren Eindringlinge zu erhaschen, rollte (ja, rollte!) sich dann doch eines ohne jeden Zeitdruck ins Wasser (und liess davon bei jeder Drehung noch etwas davon).

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Dieses Bild zeigt außer dem Walross noch weitere 2 Spitzbergen-Klassiker: Treibholz aus Sibirien und angeschwemmten Müll aus allen Weltmeeren (Ich bezweifle, dass sich die Walrosse den gelben Ball selbst besorgt haben).

Im Wasser angekommen schwamm es mit einem Kumpan umher, beglotzte uns hin und wieder aus sicherer Entfernung, bis es wieder an Land hoppelte bzw. kroch und rollte. Eine beschwerliche Prozedur, bei der das Fett nur so schwappte - unterbrochen nur von einigen Pausen zum Durchschnaufen. Die Folgen starken Übergewichts....
Ich kam mir plötzlich vor wie Spargeltarzan höchstpersönlich. ;)

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In der Not macht man dann solche Bilder, namentlich starke Crops.

Der Walrossclub stank übrigens ganz hundserbärmlich - Annäherung mit dem Wind ist dringend angeraten. :)

Das feuchte Schneetreiben, die tiefhängenden Wolken, die sich im Nebel verlierende Küstenlinie der Insel - das alles ließ den Einruck perfekter Einsamkeit in mir entstehen. Wieder mal dachte ich: Wir sind am Ende der Welt oder schon wo ganz anderes. Nur die nach 2 Stunden Herumstapfen recht gut abgekühlten Zehen gaben einen deutlichen Impuls diesseitiger Körperlichkeit.


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Zurück an Bord ging es weiter nach Norden, die Nacht wurde durchgefahren - und ich hatte wieder etwas Zeit zum Experimentieren.

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Mitternachts-Eis. Nicht scharf, aber mir war danach.


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Das allnächtliche Mitternachts-Buffet (Knäckebrot, Butter und Käse)


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Am nächsten Tag immer noch das gleiche Bild: 0° C, dicht geschlossene Wolkendecke, Schneetreiben.


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Eigentlich kein Fotowetter, aber ich hatte mich wider mal an meinen geliebten Langzeit-Experimenten festgebissen. Dabei gelang eines meiner absoluten Lieblingsbilder von der Reise:

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Drift Ice


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Viele der der Mitreisenden (eigentlich alle ;-)) warteten nach wie vor sehr gespannt auf interessante Begegnungen mit Eisbären - und da sich bislang keine vor die Linsen gesetzt hatten wurden, war langsamm eine leichte Nevosität zu spüren.

Diese Nervosität entlud sich direkt nach dem Mittagessen, als der Kapitän eine Elfenbeinmöwe entdeckt haben wollte, die sich draußen dann als mächtiger, gut genährter Bär herausstellte. Wahrscheinlich wollte der Kapitän uns nur rauslocken ohne eine Stampede zu provozieren.
Und wieder - klar Schiff zum Gefecht...Kameras durchgeladen, Teleobjektive ausgerannt, keiner feuert vor dem Kommando......und....
Breitseite über Breitseite rauschte im hohen C über die Reling, aber der Bär bequemte sich nicht in unsere Richtung. Ein Blick durch den Feldstecher brachte mich dazu, das Tele in der Kajüte zu belassen. Heute keine Suchbilder, lieber den Anblick des sich in unglaublicher Gelassenheit über die dicht gepackten Schollen trollenden Bären genießen. Wir interessierten ihn einfach nicht. Schön, dass es Tiere gibt, die nicht schwanzwedelnd jedem doof grinsenden Wurstbringer entgegenhecheln.

Da es sinnlos (und verboten) ist, Eisbären zu hetzen, blieb uns nur, unsere Suche fortzusetzen. An diesem Tag fanden wir nichts mehr, außer einem nebeligen Parkplatz im Treibeis.

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Am folgenden Tag hatte sich am Wetter nichts geändert.

Wir lagen südwestlich der Karl XII Øya und starteten in Richtung Duvefjord.
Das Eis war offen, aber der Himmel zu. Langsam waren die vorhandenen Motive etwas ausgeschöpft.


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Ein Problem auf Schiffsreisen ist bisweilen einfach die Tiefe in den Bildern - bzw. das nicht-vorhandensein derselben. Die See im Vordergrund gibt diesbezüglich meist nicht viel her. Nimmt man zu viel davon in der Nähe mit drauf hat man leicht einen zu unruhigen Vordergrund, irgendwann kommt dann mal, gerade abgeschnitten, etwas Landschaft. Da die Reise von nun an einzig im Zeichen der Suche nach Eisbären stand war an Landgänge erstmal nicht zu denken. Später machte Norbert Rosing dann auch eine Einzelbefragung (Bärensuche im Packeis oder eher in ein paar Fjorde rein?), die aber auch zu einer Fortsetzung der Bärensuche führte. Was will man schon bei schlechtem Wetter Landschaft fotografieren. ;)

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Landgänge standen aber heute sowieso nicht zur Debatte - und ich fand zumindest im Krähennest etwas Erbauung und Abwechslung.

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Mit uns war ein Filmteam des Bayerischen Rundfunks unterwegs. Ein Regisseur, ein Kamerassistent und der Chefkameraman des BR höchstpersönlich. Ich habe nicht mitbekommen, dass die drei auf der Tour jemals geschlafen hätten. Man sah sie entweder an den Kameras oder in Besprechungen vertieft am Heck beim Zigarettenkübel ;-) (Kippen über Bord zu werfen ist natürlich verboten).

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Gefilmt wurde mit 2 Maschinen - meistens mit einer großen Sony HD Maschine. Wenn das Licht gut war oder sie Szene es verlangte wurde aber das ARRI-Monster rausgeholt. Mit der Zeiss MASTER ZOOM Tonne vorne dran standen da eine feiste Summe auf dem Stativ.

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Es wurde für 2 Produktionen gefilmt: Ein Film lief am 03.01.2010 im Bayerischen Fernsehen - ein Fim über die Suche nach den Bären auf dieser Reise. Die zweite Produktion soll ein größeres Werk über Eisbären werden - da werden Sie mit Pausen wohl noch 2 oder 3 Jahre hinarbeiten, das soll wohl nebenbei zu anderen Projekten laufen. Ich bin gespannt....


Das Wetter neckte uns von Zeit zu Zeit mit der vagen Andeutung, dass es hinter den Wolken einen Sonne geben sollte.

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Dabei blieb es dann aber meistens auch. Und so fotografierte ich weiterhin vor die trostlose Einsamkeit.
Mit Sicherheit deutlich weniger plakative Motive als im vorherigen Teil, aber in meinen Augen dennoch reizvoll. Ich spiele sehr gerne mit völlig reduzierten Motiven. Wobei ich bewusst sage: „spiele“, denn an die Genialität eines Michael Kenna (für mich der große Meister der gestalten Leere) komme ich nicht annähernd heran. So müsst Ihr Euch mit meinen Versuchen begnügen.

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Die Nebelwand am Horizont war zeitweise sehr sonderbar geformt.

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ISO 100 war jetzt endgültig gegessen - auf dem Schiff konnte man bei dieser Wetterlage gleich die ISO 200 eingestellt lassen. Bei Tele und am Abend waren dann auch teilweise deutlich höhere ISO-Zahlen angeraten.


Um halb neun am Abend war es dann wieder soweit: Eisbär voraus! Ein großes Tier, am Riss!
Angekündigt hatte sich die Begegnung durch Elfenbeinmöwen - sie umlagern sehr gerne die Beute des Eisbären um sich auch daran voll zu fressen.

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Der Kapitän stoppte den Motor und wir drifteten langsam an die Scholle heran. Als wir bemerkten, dass die vermeintliche Beute ein anderer, kleinerer Eisbär war machte sich eine gewisse Beklemmung breit. Kannibalismus ist bei Eisbären bekannt, aber davon hören oder es in einer so düsteren Szene mit eigenen Augen sehen sind zwei paar Stiefel.

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Die abendliche Szene in dem kalten, düsteren Licht hatte schon etwas apokalyptisches.
Leider kamen wir durchs Eis nicht viel näher ran. Deshalb: Tele, DX, Konverter, und Crop.

Man ist ja immer versucht, alles mit menschlichen Maßstäben zu messen, allem unsere Wertmaßstäbe aufzudrücken. Wie töricht! Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich diese Szene erleben durfte - denn sie machte mir unmissverständlich klar, dass man als Mensch hier mit seinem Latein am Ende ist und bestenfalls einfach nur als stummer Beobachter staunen darf.
Wie wurde Bild von der Natur verdreht? Der Eisbär als Sympathieträger, Knut allerorten. Knuts erste Liebe exklusiv bei BILD, und BILD schimpft mit Knut weil er sich schmutzig macht und, und, und. Wie erbärmlich.
Oder der Eisbär als bedrohte Art, Projektionsfläche für Gutmenschentum und Mitleid. Wir Menschen nehmen ihm seinen Lebensraum weg, müssen helfen. Aber was nun? Ist er jetzt selber schuld am aussterben, wenn er sich selbst auffrisst?

Die Natur berühren unsere Interpretationen nicht. Eisbären fressen Artgenossen - wenn es sich eben so ergibt.

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Eine sonderbare Begegnung am Rande: offensichtlich hatte sich unser Fund per Funk herumgesprochen. Plötzlich erschien (gegen 21:45 Uhr) wie aus dem Nichts die Stockholm und bolzte mit Karacho und Gepolter neben uns in das Eis hinein. Die Empörung auf unserem Schiff über den Lärm und das unsensible Vordringen wich bald einer allgemeinen Verwunderung. Nach 10 Minuten drehte die Stockholm bei und verschwand wieder. Die Leute dort hatten wohl besseres zu tun als eine einzigartige Gelegnheit zur Beobachtung des Spiels der Natur zu nutzen. Auch bizarr.


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Dieser Anblick begleitete uns für heute in die Kajüten.

...to be continued....


Ciao,
Stephan


http://www.time-for-inspiration.de
http://www.twitter.com/stephansd
 
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......
.....Ich spiele sehr gerne mit völlig reduzierten Motiven. Wobei ich bewusst sage: „spiele“, denn an die Genialität eines Michael Kenna (für mich der große Meister der gestalten Leere) komme ich nicht annähernd heran. So müsst Ihr Euch mit meinen Versuchen begnügen....

Stephan, ich würde das als falsche Bescheidenheit bezeichnen. Mich begeistern Deine Bilder!
 
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Absolut großes Kino! Ganz tolle Bilder hast du da gemacht! Die Fotos mit dem Eisbären, der seinen Artgenossen frisst, sind tatsächlich beklemmend, aber sie zeigen ungefiltert die Realität.

Grüße
Sascha
 
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Auch dieser Teil deiner Reportage ist wieder ganz besonders - und wieder besonders anders. :up:

Danke auch für deine nachdenklichen Worte zu dem Eisbären und unseren schrägen Blick auf die Natur.
 
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Und so fotografierte ich weiterhin vor die trostlose Einsamkeit.
Mit Sicherheit deutlich weniger plakative Motive als im vorherigen Teil, aber in meinen Augen dennoch reizvoll.

Stephan, ich war echt gespannt auf deine Bilder von diesem Teil der Reise, wo es keine spektakulären Lichtstimmungen gab, sondern nur Nebel, Packeis, Schneeregen und Kälte.
Ich kann mich den Vorrednern nur anschließen, deine Fotos sind ganz toll :up::up::up:
Besonders gut gefallen mir deine völlig reduzierten Motive! Sie stellen die Einsamkeit und Unwirtlichkeit in diesem Teil der Welt besonders gut dar!

Von Michael Kenna gibt's z.Z. eine Ausstellung in München, doch das weißt du wahrscheinlich:
http://www.bernheimer.com/DesktopDefault.aspx?tabid=46

LG, Anne
 
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Ganz grosses Kino die Bilder! Technisch einwandfrei, die Kompositionen, gerade von den Eisbergen, hauen mich um. Wirklich toll. :up:
 
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...macht mich nachdenklich....wunderbar in Bild und Text.....:up:
 
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