Auf der Achse des Bösen

Thread Status
Hello, There was no answer in this thread for more than 30 days.
It can take a long time to get an up-to-date response or contact with relevant users.
Archaisches Baumaterial ist doch überhaupt kein Problem.

Das war in keiner Weise negativ gemeint.

Es ist schade, daß der Verfall der alten Baukunst auch an sichtbaren, nicht behobenen Beschädigungen sichtbar wird.

Das ist ein weit verbreitetes Problem. Gebäude aus Lehm müssen regelmäßig gewartet und restauriert werden. Jeder heftige Regen im Frühjahr hinterlässt seine Spuren.

picture.php

Auch das ist im Basar von Kaschan.

Überall im Iran sieht man verlassene und verfallende Häuser oder auch ganze Dörfer. Um sie herum hat man oft modernere, dauerhaftere und vor allem relativ erdbebensichere Häuser aus Stahlträgern und Ziegeln gebaut. Weite Teile des Basars von Naein sind verfallen und auch in älteren Basargassen von Isfahan sieht es oft traurig aus.

picture.php

Naein


picture.php

Isfahan
 
Kommentar
Anzeigen
Bevor ich die letzten Bilder - Landschaftsbilder aus dem fahrenden Auto auf dem Weg an den Flughafen Ayatollah Khomeini bei Tehran - hochlade, noch ein paar

Kuriositäten

Darunter kann man vielleicht auch das Kapitel "Geld" fassen, auch wenn es wirklich nicht lustig ist, vor allem nicht für die Iraner. Die Inflation galoppiert: In unserem Reiseführer von 2007 steht, die Ausgabe von 50.000-Rial-Scheinen sei in Vorbereitung. Am Ende unserer Reise 2009 bekommen wir beim Umtausch die ersten 500.000-Rial-Scheine.
1978: 1000 Rial = 40 DM
2009: 1000 Rial = 0,07 €
In Deutschland bekommt mal selbstredend bei keiner Bank iranisches Geld und bargeldlos zahlen ist nur mit einheimischen Karten möglich. Aufgrund der Wirtschaftssanktionen ist der Iran völlig vom internationalen Zahlungsverkehr abgehängt.


Unsere erste Geldtauschaktion 2009


Wir betreten völlig naiv die erstbeste Bank und dann geht´s los:

1. Akt : Ausfüllen von Formularen; persönliche Daten, Adresse etc, alle Nummern der zu tauschenden Scheine (1.000 Euro in 50er und 20er-Scheinen)
2. Akt : Kontrolle des Bisherigen – etliche Personen sind beteiligt
3. Akt : Auszahlung in einer anderen Bank. Schon komisch: Das Geld ist man los, man hat nur einen krakeligen Zettel und die Hoffnung, in der 10 Minuten entfernten Filiale den Gegenwert zu bekommen.
4. Akt: in der Filiale diverse Unterschriften in diversen Zimmern auf diversen Stockwerken ergattern.

Aber es klappt – wir haben jetzt 13,5 Millionen Rial.

picture.php

Nächstes Problem: Geld nach Wert und Volumen (!) verteilen. Mein Vater verteilt hier 50.000-Rial-Scheine (1 Schein= ca. 4 €)

Wir lernen: Künftig werden wir in der staatlichen Melli-Bank tauschen, dort sind, wie man uns sagte, deutlich weniger Formalitäten zu erledigen.
Überhaupt: Die Vielzahl der Banken ist frappierend.

von den Zahlen überfordert

Im Hotel essen wir: 5 mal Forelle, 3 mal Kabab, 3 Suppen und trinken dazu Mineralwasser und alkoholfreies „Bier“ für zusammen 770 000 Rial, das sind rund 55 Euro. Aufgrund der irren Zahlen verlieren wir den Überblick. Statt 800 000 Rial geben wir dem Kellner nur 80 000! Peinlich – aber es ist schon komisch, ein Essen zu acht mit 40 Scheinen à 20 000 Rial zu bezahlen. Beim Weggehen fallen uns unbemerkt 2 Mio. Rial aus der Tasche. Der Kellner ruft uns zurück und zeigt auf den Boden.

2010

Unser erster Tag im Iran, es ist Freitag. In der Hoffnung auf eine offene Bank laufen wir die Geschäftsstraße Kh. Ferdowsi entlang. Alles geschlossen. Aber da sind ja noch die Geldwechsler auf der Straße mit ihren dicken Bündeln Scheinen. Da bleibt uns jetzt nichts anderes übrig. Es ist illegal. In jedem Reiseführer wird dringend davon abgeraten. Überall stehen Polizisten. Aber keinen kümmert's. 100 Dollar werden gewechselt und mir ist der Kurs, der vergleichbar mit dem letztjährigen ist, jetzt mal ziemlich egal, Hauptsache Rial! Hauptsache, wir können jetzt wenigstens etwas zu trinken kaufen. Denn klar ist, dass man hier schnell verdursten kann!

Der zweite Tag. Nach dem Frühstück geht es wieder auf die Kh. Ferdowsi. Wir brauchen schon wieder Rial. Aber auch heute hat keine Bank offen. Dass der Iran das Land mit den meisten Feiertagen weltweit ist, wusste ich. Aber so viele? Was wird denn heute gefeiert? Was soll’s, dann eben nochmal auf der Straße tauschen. Diesmal 200 Dollar. Dummerweise hat mein Gegenüber nur kleine Scheine und so muss ich jetzt ein dickes Bündel 20.000-Rial-Scheine verstauen. (1 Schein = ca. 1,60 €).

in Shiraz

Mit unserem Guide, den wir seit Shiraz glücklicherweise haben, gehen wir in eine Wechselstube. 3 Minuten später gehe ich mit ein paar Millionen Rial raus.
 
Kommentar
Fastfood

Überall kann man sich von Pizza und Hamburgern ernähren.

picture.php

Unschwer zu erkennen: Das war mal eine Filiale von "Kentucky Fried Chicken". Musste 1979 halt umbenannt werden und statt Chicken gibt es jetzt Pizza.



picture.php

Nicht genug, dass Coca Cola neben Tee das Nationalgetränk ist.............
Lizenzgebühren zahlt man aber nicht, war zu vernehmen.



picture.php




picture.php



picture.php

Alkoholfreies "Bier" (es sieht nur so aus, schmeckt eher wie Almdudler) gibt es in vielen Sorten - hier mit Birne (naja) und Limone (ganz ok). Die Namen sind oft sehr fantasievoll: Bavaria, Hoffenberg, einmal fanden wir ein "Bier" mit Namen "Nullkommajoseph" - leider habe ich das nicht fotografiert.

picture.php

Man kann natürlich auch sehr gediegen und preiswert essen gehen.
 
Kommentar
Verkehr


picture.php

Relikte aus Zeiten, als der Iran technisch von den USA ausgerüstet wurde: Tausende LKW von Mack sind noch auf den Straßen unterwegs.


Nirgends kommen mehr Menschen auf Straßen ums Leben als im Iran, die Verkehrsdisziplin ist verheerend. Der Verkehr in Tehran ist im negativen Sinne legendär - siehe auch das in #16 geschilderte Erlebnis. Ampelanlagen und Zebrastreifen scheinen mehr der Dekoration zu dienen, die Luftverschmutzung ist brutal.

picture.php

Seit einiger Zeit versucht man den vielen Verkehrsunfällen mit riesigen Plakaten am Straßenrand entgegen zu wirken. Das Mädchen sagt: "Zu Hause wartet jemand auf dich."
Das Foto entstand übrigens nach Sonnenuntergang aus dem fahrenden Auto auf der Autobahn Ghom-Tehran.
 
Kommentar
Danke, Sven. Als Pfälzer halte ich es mehr mit dem Wein.....

Das mit Coca-Cola ist übrigens ein Mysterium. Offiziell ist das Gesöff des "großen Satan" im Iran verboten - aber überall kann man es kaufen. Es sieht aus wie gewohnt, auch der Schriftzug stimmt. Simon meinte, es gäbe geschmacklich keinen Unterschied. Schaut man auf die Herstellerangaben, so fällt auf, dass der Produzent eine halbstaatliche Stiftung in Maschad (der heiligsten Stadt des Iran!) ist. Es gibt Gerüchte, dass große Mengen von Konzentrat via Irland in den Iran geliefert werden. Ich halte eher für wahrscheinlich, dass die Fabrik, die Coca-Cola vor 1979 im Iran produzierte, auch nach dem Abzug der Amis einfach weiter macht. In den 70er waren Coca-Cola und 7up die Standardgetränke - neben Tuborg und Skol, das es auch überall gab.

Auch wenn es nur im Titel mit Coca-Cola zu tun hat, hier ein interessantes Interview mit dem Regisseur Mohammad Farokhmanesh:
Ayatollah trifft Coca-Cola
Sein Film heißt "Im Reich des Bösen" .......ich kannte ihn aber noch nicht, als ich meinen Bericht startete......
 
Kommentar
Abflug

Die Zeit ging viel zu schnell vorüber. Gerne wären wir noch lange geblieben. Wochen, Monate. Chris und ich haben den festen Entschluss gefasst, irgendwann, vielleicht erst nach unserer Berentung, mit einem geländegängigen Wohnmobil eine lange Zeit durch dieses Land zu reisen, auch weitere Orte anfahren, an die Touristen in der Regel nicht kommen. Landschaften fotografieren - etwas, was leider viel zu kurz gekommen ist. Vielleicht kann man dann auch wieder einigermaßen gefahrlos das Nachbarland besuchen - Afghanistan, das Land, das auf meiner Wunschliste ganz oben steht. So tief haben sich die Erinnerungen aus dem zweimaligen Besuch in den 70ern eingeprägt.

Unser Flug mit Emirates über Dubai nach Frankfurt geht um 10 Uhr am Tehraner Flughafen ab. Da heißt es, ganz früh in Kaschan aufstehen und ohne Frühstück losfahren. Unterwegs halten wir an einer hochmodernen Autobahnraststätte und bedienen uns am üppigen Büffet. So eine Auswahl gibt es an deutschen Autobahnen nicht.

Die frühe Stunde hat natürlich ihre Vorteile. Die Landschaft zwischen Ghom und Tehran liegt in wundervollem Licht. Zum Anhalten fehlt die Zeit und so knipse ich aus dem fahrenden Auto.

picture.php




picture.php




picture.php




picture.php




Ungefähr so lange wie unsere beiden Reisen 2009 und 2010 dauerten, habe ich nun gebraucht, um hier darüber zu berichten. Aufgrund der großen Resonanz, die meine Reportage gefunden hat, ist sie wesentlich umfangreicher geworden als zu Beginn angedacht. Für diese Aufmerksamkeit möchte ich allen sagen:

Daste shoma dard nakonad! Mögen eure Hände niemals schmerzen!
 
Kommentar
Ich hatte auch schon geschrieben, dass dieser Thread die höchsten Auszeichnungen wert ist und schließe mich daher dem Antrag zur Nominierung uneingeschränkt an! :up:
 
Kommentar
Schade, dass die Reise nun vorbei ist - aber nach der Reise ist ja bekanntlich vor der Reise... :)

Stephan, ich möchte mich gerne an dieser Stelle nochmals ausdrücklich bei dir für diesen wunderbaren und so lebendig erzählten Thread, der uns nun über 5 Wochen hier im NF-F begleitet hat, bedanken! Das war große Klasse.

Viele Grüße,
Jochen
 
Kommentar
Durch Zufall stieß ich heute auf diesen Beitrag, wollte eigentlich nur kurz querschmökern, und habe jetzt am Feiertag den ganzen Nachmittag damit verbracht.

Vielen Dank für diese empathische Reisereportage. Auch mein nur spärlicher Kontakt mit Iranis, nicht nur mit Emigranten, hat den Eindruck vermittelt, dass die Darstellung in vielen unserer Medien manipulativ einseitig ist.

Hoffen wir für uns und für die Menschen im Iran auf eine gedeihliche Zukunft!
 
Kommentar
Auch von mir ein herzliches Dankeschön für Deinen Reisebericht und die Impressionen aus einem Land, von dem man viel zu selten etwas zu sehen bekommt (außerhalb der Nachrichten).

Vor allem haben mich die Basare beeindruckt: Ein völliges Kontrastprogramm zu unseren Supermärkten auf der grünen Wiese.
Wie lange es sie wohl noch geben wird?
Ich stelle mir nur mal vor, dass ich meinen Wocheneinkauf bei 20 verschiedenen Händlern vornehmen soll, die mir alle erst auf dreimalige Nachfrage sagen, was die Ware denn wirklich kosten soll.
Das verträgt sich nur schwer mit unserer schnelllebigen Welt und deshalb fürchte ich, dass die Zeiten der Basare auch bald gezählt sind.
Aber vielleicht gelingt es ja den Iranern auch, sich dieses Stück Kultur zu erhalten!?

Gruß Ingo
 
Kommentar
Aber vielleicht gelingt es ja den Iranern auch, sich dieses Stück Kultur zu erhalten!?

Ich kann keine Anzeichen erkennen, die auf eine Abkehr vom Einzelhandel deuten. Läden mit Selbstbedienung sind völlig unüblich und einen "Supermarkt" habe ich auch nicht ansatzweise gesehen. Andererseits kann man einen Basar natürlich auch als "Supermarkt" sehen. Es gibt auf recht engem Raum alles, nur eben bei vielen Einzelhändlern. Und der Iraner macht auch keinen Wocheneinkauf, sondern besorgt täglich das, was er gerade benötigt. Eine Bäckerei beispielsweise hat an jedem Tag geöffnet und backt zweimal täglich, am Morgen und am späten Nachmittag. Und viele holen sich auch zweimal am Tag frisches Brot.

Man sollte auch nicht dem Irrtum unterliegen, dass bei Gebrauchsgütern gefeilscht würde. Gehandelt wird nur bei Luxusgütern und generell wesentlich weniger als in arabischen Ländern. Und den "Taroof" pflegen die Iraner auch nicht bei alltäglichen Dingen.
 
Kommentar
Nachtrag:

Wer sich für den Iran und seine Kultur interessiert, findet in einem recht neu erschienenen Buch eine gut verständliche Zusammenfassung von 3000 Jahren Kultur auf 350 Seiten:

9783803136367.jpg

http://www.wagenbach.de/buecher/soeben-erschienen/titel/817--iran.html

Der Autor Michael Axworthy war von 1998 bis 2000 in der iranischen Abteilung des British Foreign Office tätig.
 
Kommentar
[MENTION=60818]Lydian[/MENTION]

habe diesen großartigen Thread erst jetzt entdeckt. Besten Dank für die tollen Einblicke in ein IMHO sehr interessantes Land, über das wir nur sehr wenig wissen. :up:
 
Kommentar
@Lydian


Auch ich möchte mich für diese hervorragende Reportage über den Iran, mein Heimatland bedanken.
Die Bilder sind wunderbar. Sie haben Atmosphäre und das gewisse Etwas. Mich haben sie sehr gerührt.



Der fast Nachbar aus HD
 
Kommentar
-Anzeige-
Zurück
Oben Unten