Fotografieren mit der Glaskugel
Mit einer intensiven Auseinandersetzung und einem hohen Maß an Interpretationsfreude greifen Fotobegeisterte leidenschaftlich gern das Fotothema Spiegelungen auf. Wer denkt, dass dieses Thema langweilig ist, der irrt gewaltig wie allein schon die Bildeinsendung unter dem Titel „Blick in die Kristallkugel“ von Anette Zander zum diesjährigen Fotowettbewerb Blende eindrucksvoll belegt.
Die Blende-Teilnehmerin führt zu ihrer Aufnahme aus: „Das Bild entstand in Köln an der Hohenzollernbrücke. Es zeigt ein junges Mädchen, das alleine auf den Stufen sitzt und einen Mann beobachtet, der vorbei geht. Die Szene ist durch eine Kristallkugel fotografiert. Im Hintergrund ist die reale Szene zu erkennen, in der das Mädchen auf der Stufe sitzt. Der Betrachter sieht im Hintergrund den Jungen nicht. Er weiß also nicht, was sich tatsächlich abspielt. Sitzt das Mädchen alleine da und träumt? Sieht es den Jungen und träumt von dem, was sein könnte? Ist der Junge gar nicht da und wird nur in der Kristallkugel beziehungsweise der Fantasie des Mädchens hergezaubert? Der Beziehung zwischen zwei Menschen wohnt eine alltägliche Magie inne. Das gleiche gilt für Träume. Beides soll das Bild in der Kristallkugel verdeutlichen.“
Fotografieren mit der Glaskugel setzt natürlich voraus, dass man über eine verfügt. Sie sollte nicht zu groß und auch nicht zu klein sein. In der Regel ist man mit einer Kristallkugel mit einem Durchmesser von 8 oder 10 cm gut beraten. Je größer die Kristallkugel ist, desto schwerer ist sie natürlich. Kommt eine große Kristallgugel zum Einsatz, so steht diese mit ihrer Abbildung mehr im Zentrum einer Fotografie als eine mit einem kleineren Durchmesser. Wer das fotografische Spiel mit der Kristallkugel intensiver eingeht, für den empfiehlt sich ein Sortiment an drei Kristallkugeln mit unterschiedlichem Durchmesser. Wichtig ist, dass die Kristallkugel frei von Schmutz und Fingerabdrücken sind. Aus diesem Grund sollte man immer ein Mikrofasertuch mit sich führen.
Die Platzierung der Kristallkugel entscheidet über die Bildwirkung. Je nach Intention kann man die Kugel auf einen Sockel stellen oder beispielsweise in der Hand halten. Bei letztgenanntem empfiehlt sich eine zweite Person als Kugelhalter, denn sonst wird es schon herausfordernd, zu wirkungsvollen Aufnahmen zu gelangen. Sehr beliebt ist auch der Einsatz eines Glasringes beziehungsweise eines Rings aus durchsichtigem Plastik, wie er bei der Aufnahme der Blende-Teilnehmerin Anette Zander zum Einsatz gekommen ist. Damit erhält man den Effekt, als wenn die Glaskugel frei liegt. Wichtig ist eine gerade Auflage, denn bei einer schiefen ist es schnell passiert, dass die Kristallkugel wegrollt. Für die Positionierung der Glaskugel sollte man genug Zeit einplanen – wenige Zentimeter weiter nach vorne oder nach rechts beziehungsweise links haben einen entscheidenden Einfluss auf die Bildwirkung.
Die Schärfe liegt, so wie bei der „Blende“-Aufnahme „Blick in die Kristallkugel“, in der Regel auf der Glaskugel, um das gespiegelte Motiv scharf abzulichten. Sofern die Kamera darüber verfügt, gelangt man mit dem Makro-Modus oder beispielsweise AV-Modus zu überzeugenden Bildergebnissen. Natürlich kann man sich ebenso auch für den manuellen Fokus entscheiden oder mit den Fokuspunkten arbeiten.
Ob der Hintergrund scharf oder unscharf abgebildet wird, hängt von der Intention und dementsprechend der gewünschten Bildaussage ab. Ist ein scharfer Hintergrund gewünscht, dann sind zwei Aufnahmen notwendig, die anschließend mittels Bildbearbeitung zu einer Aufnahme zusammengefügt werden.
Bei dem fotografischen Experiment mit der Glaskugel bei Sonnenschein sollte man verinnerlichen, dass diese wie eine Superlupe ist und man sich die Finger verbrennen und brennbare Gegenstände entzünden kann.
Bilder und Texte mit freundlicher Genehmigung von Prophoto.