Moin,
ich war zwei Tage ziemlich eingespannt, daher meine Antwort erst jetzt. Ich bitte um Nachsicht.
Wie kann ich bei dieser Retroadaption den Objektabstand vor der Frontlinse berechnen?
Denn ich habe da relativ kurze Abstände in Erinnerung (ist aber wie gesagt ein paar Jahrzehnte her...)
Es sollen letztendlich bei 2:1 noch ca. 20 cm oder mehr bleiben
Die Berechnung ist recht einfach. Man kann davon ausgehen dass ein für unendlich gerechnetes Objektiv die beste Leistung bietet wenn es ein Bild aufnimmt, welches aus unendlicher Entfernung kommt. Folglich stelle ich die Schnecke zunächst einmal auf unendlich. Wenn ich nun ein ebenfalls für unendliche Entfernung (oder wenigstens sehr große Entfernung, als Beispiel nannte ich ein Diaprojektionsobjektiv) gerechnetes Objektiv in Retrostellung davor anbringe, so treten aus der Frontlinse dieses Objektivs dann parallele d.h. aus dem Unendlichen kommende Strahlen aus wenn sich das abzubildende Objekt exakt im seinem Brennpunkt befindet. Die Entfernung Hauptebene des Vorsatzobjektivs bis Brennpunkt ist der erreichbare Arbeitsabstand. Ein Objektiv mit beispielsweise 200mm Brennweite sollte dann auch einen Arbeitsabstand von ca. 170 - 190mm erreichen .... Halt, sooo einfach ist das aber nicht immer. Das Problem, dem Du höchstwahrscheinlich begegnet bist, ist die auf Deine SLR abgestimmte Fassung. Benutzt Du eine kurze Brennweite, so bedingen die wegen des Spiegelhauses nötigen Retrofokuskonstruktionen Hinterlinsen die z.T. bis in die Bajonettfassung hineinreichen. Bei langen Objektiven sind echte Telekonstruktion aus dem gleichen Grund wenig geeignet und selbst Fernbildlinsen mit ihrem langen aber leeren Tubus begrenzen den freien Arbeitsabstand auf das im System übliche Auflagemaß für Objektive. Also irgendwas um die 42-48mm.
Darum hatte ich von einer Diaprojektionsoptik geschrieben. Hier sind die Brennweiten von den oben aufgeführten Überlegungen unbeeinflusst, noch dazu ist eine solche Optik mit 200 oder 250mm Brennweite günstig zu bekommen. Der Linsensatz ist vorn im Objektiv angeordnet, hinten ist lediglich ein ansonsten leerer Tubus zum Einstecken und Einstellen im Projektor angebracht. Diesen Tubus kann man manchmal sogar abschrauben weil beispielsweise ISCO oder Docter ihre Optiken für unterschiedliche Marken mit unterschiedlichen Tuben und Etiketten vertreiben oder aber man kann ihn ohne Schaden anzurichten abschneiden (lassen) und hat dann die volle Brennweitenlänge ab Objektivhinterlinse als Arbeitsabstand zur Verfügung.
Man könnte auch gut eine hochwertige Großformatoptik nehmen. Ein Apo-Symmar beispielsweise ist von Haus aus kurz gebaut, verfügt über eine eingebaute Irisblende und ein Filtergewinde. Aber auch beispielsweise ein Apo-Gerogon 210mm oder 240mm ist als Vorsatzlinse eine gute Sache. Allerdings sind die letztere eher nicht für unendlich gedacht, sondern für Abständen von 1:10 - 1:3 was man aber bei der Einstellung des Grundobjektivs berücksichtigen und eventuell sogar gewinnbringend nutzen kann weil der Arbeitsabstand bei 1:5 beispielsweise natürlich größer ist als bei 1:unendlich. Da muss man dann mal etwas experimentieren und die Ergebnisse unterschiedlicher Einstellungen miteinander vergleichen.
Solltest Du aber ein 200mm-Objektiv direkt am Balgen oder mit Zwischenringen verwenden wollen, dann eigenen sich Vergrößerungsobjektive recht gut, aber auch die sollten unbedingt bei diesem Maßstab in Retrostellung montiert werden. Denke daran, dass Du bei 200mm Objektivbrennweite und einem gewünschten Abbildungsmaßstab von 2:1 bereits eine Kameralänge von 600mm benötigst. Wird zumindest draußen leicht etwas unhandlich, von der Windempfindlichkeit einer solchen Montage mal abgesehen. Auch deshalb und wegen der Eigenschaft dass Dir am Hauptobjektiv im Grunde alle Möglichkeiten moderner Kameratechnik erhalten bleiben (Blendensteuerung, u.U. AF, u.U. Antiwackel, Blitzsteuerung) würde ich meiner Methode den Vorzug geben.
Spannend und interessant, wo könnte ich darüber mehr erfahren?
Sieh Dir gerne einmal die Kataloge bzw. Internetseiten der Firmen ZEISS, NIKON, LEICA (Microsystems, nicht Camera) und Olympus an. Alle 4 Firmen und noch ein paar mehr auf dem Markt bieten Hochleistungs-Stereomikroskope, Epitechnoskope und Operationsmikroskope an. Alle modernen Konstruktionen basieren hier auf dem Gallilei-Prinzip mit Zoom oder Schaltwalze und dies bedingt ein gemeinsames Hauptobjektiv aus dem zwei getrennte Strahlengänge herausgeführt werden um die gewünschte Raumsicht zu erreichen. Da diese beiden Strahlengänge konstruktionsbedingt aus den Randbereichen der Frontoptik entnommen werden müssen, ist eine sehr gute Korrektion der gesamten Optik zwingend nötig. Neben achromatischer Korrektion gibt es auch apochromatisch korrigierte Konstruktionen und diese Hauptobjektive eignen sich - da ohnehin genau für diesen Zweck gemacht, sie sind Frontglied eines nachfolgenden unendlichen Strahlenganges - ideal als Vorsatzlinse für beispielsweise ein von Dir ausgewähltes Teleobjektiv, zumal diese Objektive normalerweise auf maximalen Arbeitsabstand hin konstruiert wurden. Schließlich möchte man darunter arbeiten, beispielsweise eine Augen-OP durchführen. Der Vergrößerungsfaktor berechnet sich bei Deiner Verwendung dann wieder genauso wie oben erklärt: Beispielsweise Nikkor 1:4/200mm mit Vorsatzobjektiv 200mm ergibt Maßstab 1:1 und fast 200mm Arbeitsabstand, ein 1:5,6/400mm AiS ED mit dem selben Vorsatz ergibt Maßstab 2:1 und auch hier fast 200mm Arbeitsabstand usw.
Diese Lösung ist der RollsRoyce, nach meiner Erfahrung ist auch am technisch Resultat überhaupt nicht zu meckern, aber - und das ist wichtig - tue Geld in Deinen Beutel. Bei diesen Firmen gibt es außer Prospektblättchen zum Herunterladen und einem netten Telephongespräch wenig für umsonst.
Ich hoffe, Dir ein wenig weiter geholfen zu haben. Wenn noch Fragen sein sollten .... immer fragen. Gegebenenfalls per PN. Ansonsten wünsche ich Dir Erfolg und ein schönes Wochenende
Wolfgang