Wie unscharf muss es wirklich sein (Menschenphotographie)

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shovelhead

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Moin, Peter Lindbergh hat mal gesagt, dass leicht unscharfe Aufnahmen sowieso besser aussehen. Ich lasse das mal so stehen, der Mann wurde für seine Photos besser bezahlt als ich (das trifft übrigens auf Jeden zu, der auch nur einen Euro für sein Bild bekommt).

Ganz katastrophal ist dieser "one inch off" Fehler, wenn beim Portrait die Augen etwas unscharf sind, die Haare aber oben am Scheitel oder über den Ohren perfekt und knackig scharf eingefangen wurden. An dieser Stelle müsste ich ein Beispielbild einstellen, aber ich habe selbstverständlich nie solche Fehler gemacht und kenne das Problem daher nur vom Hörensagen. Allerdings bin ich sicher, wir alle haben schon mal "bei einem Freund" so eine peinlich misslungene Aufnahme gesehen.

Die Unschärfe muss also einen weiteren Bereich betreffen und darf nicht einem simplen Bedienungsfehler entstammen. Ausserdem denke ich, dass die Unschärfe nur wirkt, wenn man zu kurz, zu nah dran fokussiert. Würde man den Fokus hinter das Model legen, so bekäme man eine unscharfe Person vor eine scharfen Hintergrund. Auch solche Bilder kann ich hier nicht zeigen, weil mir Sowas einfach nie passieren würde ;o)

Ich denke, irgendwie ist ein verwischter "Mitzieher" OK, ein verwackeltes Bild aber peinlich. Gibt es Sowas bei Schärfe? Ab wann ist Unschärfe künstlerisch? Bis wohin und ab welchem Punkt darüber hinaus ist sie nur peinlich?
 
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Moin, Peter Lindbergh hat mal gesagt, dass leicht unscharfe Aufnahmen sowieso besser aussehen.

Der konnte auch anders. Ich hab monatelang einen Stapel
seiner Bilder für eine Modefirma im Büro liegen gehabt.
Originalabzüge. Erstklassige Prints, knackend scharf. Es lag
weitgehend am Kunden.

Buchte man die "Peter Lindbergh Experience", bekam man
den großen Filmset, viel Show - und die Behauptung unscharf
wäre besser.

Man konnte aber auch "den Brodbeck" buchen, und bekam
astreine Arbeit von hoher ästhetischer und handwerklicher
Qualität.

Immer jedoch bekam man einen extrem netten Kerl.
 
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Ob Unschärfe in der Fotografie als künstlerisch anzusehen ist, entzieht sich nach meiner Auffassung der generellen Beurteilung im Sinne fotohandwerklicher Regeln.

Wenn der Bildautor (ich spreche hier bewusst nicht von einem Fotografen) einen bestimmten "künstlerisch" unscharfen Ausdruck seines Bildes erzielen möchte, kann man das an Hand der Übereinstimmung von Absicht und Ergebnis beurteilen. Hat man nur das Bild, ohne die beabsichtigte Bildwirkung zu kennen, bleibt einem letztlich nur die eigene und damit subjektive Wahrnehmung, wie künstlerisch das Bild erscheint.

Ein befreundeter Kölner Künstler malt Bilder, die manchmal wie unscharfe Fotos wirken: Er malt Lichtstimmungen, die Menschen empfinden, wenn das Auge einen Moment braucht, um sich vom Tageslicht an die relative Dunkelheit z.B. beim Betreten einer Kirche zu gewöhnen.

Die "Unschärfe" der Lichtstimmung ist hier, wie bei bestimmten Fotos eben auch, ein Stilmittel zur Darstellung der Lichtstimmung.

Vielleicht ist es so, dass Unschärfe bei dem "technischen" Medium der Fotografie weniger akzeptiert wird, als in der Malerei?

In der Fotografie von Menschen kann Unschärfe sicherlich gezielt eingesetzt werden, um Bewegung und Dynamik ins Bild zu bringen. Handwerklich gesprochen wäre das Bewegungsunschärfe und weniger eine von den Augen der abegbildeten Person abweichende Unscharffokussierung.

Für mich gilt Beides: "Kunst kommt von Können" und "Was Kunst ist, liegt im Auge des Betrachters".
 
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Vermutlich ist Unschärfe künstlerisch, wenn sie in einem perfekt inszenierten Foto sozusagen
auf den Punkt genau eingesetzt wurde und das Bild den Betrachter gerade deswegen berührt,
fesselt oder sonst wie bewegt.

Der normale Betrachter würde in einem solchen Foto die Unschärfe als solche gar nicht wahrnehmen,
während der kritische oder fotografisch interessierte Betrachter dagegen die bewusst gesetzte Unschärfe
als Stilmittel erkennen dürfte.

Manchmal sind es doch die kleinen Unzulänglichkeiten, die uns etwas als echt erscheinen lassen.

Grüße aus HB
Heiner
 
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Moin!

Ich für meinen Teil würde Peter Lindbergh insofern Recht geben, als dass ich ein zuviel an Schärfe bei Portraits - fast möchte ich sagen generell bei Aufnahmen von Menschen - als störend empfinde, weil man Dinge zu sehen bekommt die man eigentlich garnicht sehen möchte. (Ein aus meiner Sicht unerfreuliches Beispiel sind die abendlichen Nachrichtensprecherinnen im 4k Modus eines modernen Großbildschirms, allerdings sind das nun gerade keine Portraitbilder) Ansonsten habe ich ein von Herrn Lindbergh photographiertes Mädchenportrait im Format 60x80qcm im Büro hängen, welches knackig scharf ist, aber durchaus meiner oben beschriebenen Ansicht genügt.

Allerdings meine ich nicht, dass deswegen ein falsch liegender Fokuspunkt entschuldbar ist - zumindest nicht bei mehr oder weniger ausgefeilten Portraitaufnahmen. Vielmehr denke ich, dass ein entsprechend gewähltes Objektiv das Wesentliche dazu beitragen sollte, oder vielleicht ein geeigneter Vorsatz vor der Linse. Also vielleicht mal weg von dem modernen Hochkontrastsuperscharffastohneaberrationenlinsen zu einem älteren Objektiv mit nicht ganz so ausgefeilter Abbildungsleistung. Mir gefällt da beispielsweise das alte Leitz Summicron 2/90mm oder auch das AIS 1,4/85mm, jeweils bei voller Öffnung, ganz gut oder allerhöchstens ein ZEISS Softar der kleinsten Stufe. Die Beispiele zeigen vielleicht auch, dass ich nicht an einen Tiefenbildner wie das Kühn´sche Imagon denke oder gar an Vaseline auf der Frontlinse, sondern sehr viel weniger - aber doch vorhanden und bei genauem Hinsehen bemerkbar. Wobei auch Bilder mit dem Imagon ihren Reiz haben können, aber der Umgang damit will wirklich gekonnt sein, sonst wirkt es eher wie ... naja, nee, lass es besser.

Was die Verwackelung durch Mitzieher anbetrifft: ja, kann ich akzeptieren, unbedingt - wenn der Bildinhalt das hergibt. Wenn das Bild beispielsweise richtig Tempo zeigt, ist die letzte Schärfe zweitrangig. Der Bildinhalt bringt´s, nicht die Technik - aber dass das eine Binsenweisheit ist brauche ich Dir sicher nicht zu erzählen.

Freundliche Grüße vom

Wolfgang
 
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Natürlich muss man "sich das leisten können". Wenn ich jetzt 20 unscharfe Aufnahmen veröffentliche, wird man mir um die Ohren hauen, auf welcher Seite der BDA die AF-Einstellungen stehen, und dass ich erstmal lernen sollte meine Kamera zu bedienen. Wenn Starphotograph XY solche Bilder veröffentlicht, fallen die Fanboys reihenweise auf die Knie.

Ich hatte aber schon immer ein ... hmmmm ... ambivalentes Verhältnis zur Schärfe. Mir hat mal ein Model gesagt: "wenn das Bild gut ist, ist es mir egal ob ich darin hässlich bin" (ziemlich geile Antwort von einer damals 26-Jährigen, oder) und so ähnlich gehe ich das auch an: Wenn das Bild gut ist, wenn der Moment rüber kommt, muss man nicht die Wimpern zählen können.

Wer es gern richtig scharf haben will, sollte sich sowieso beim Inder "Vindaloo" bestellen .... ich verspreche 24 unvergessliche Stunden trotz erstaunlich kurzer "Passagezeit" ;o)
 
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Auf den "freien Bildermarkt" bezogen, also die Auftragsarbeiten für Kunden nicht berücksichtigt, ist Schärfe wie bei allen Motiven ein Gestaltungskriterium wie jede andere auch. Ein Bild lebt von seiner Wirkung, in der Hauptsache von seiner Gestaltung und nicht von einem einzigen Element.

Dass ein Foto für einen Ausweis anderen Gesetzmässigkeiten folgen muss, versteht sich von selbst. Leider ist es so, dass Schärfe komplett überbewertet wird und einen ungebrochenen Hype darstellt. Auf der Strecke bleibt die Bildgestaltung.

Ich war vorher in einer Buchhandlung und da entdeckte ich Lagerfelds Bildband von Katzen: die meisten nicht scharf, körnig aber die meisten ebenso innig und äusserst wirksam ....
 
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Schärfe ist eines von vielen Faktoren die zu einen guten Bild beitragen. Es ist aber nicht das Hauptkriterium und kann auch nebensächlich sein.

In der gesamten Social-Media-Welt ist es aber nun mal so, das die User sich sauteure Objektive gekauft haben. Diese wurden von der Marketingabteilung des Herstellers als das schärfste und beste überhaupt angepriesen. Somit wird bei den Bildkommentaren meist nur auf die technischen Auffälligkeiten eingegangen. Wenn ein Bild gut ist, dann ist es scheiß egal ob es scharf ist.
 
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@shovelhead

"Scharf" oder "nicht scharf" ist m. E. doch kein Pauschalkriterium.

Das ist doch stets motiv- und bildabhängig.

Hier ein paar tolle Beispiele von Ernst Haas:




Der Mann hat mitgezogen, absichtlich und unabsichtlich verwackelt (unabsichtlich infolge langer Belichtungszeit bei Kodachrome I + II, die hatten nur 12 bzw. 15 DIN) und vieles mehr.

Bei dem Bild mit dem Rennwagen scheint er mitgezogen & leicht gekippt zu haben. In dem Foto ist überhaupt keine Schärfe zu entdecken, und es sieht trotzdem absolut klasse aus.

Er hat diese Methode irgendwann mal "verwischte Farbe" genannt.

Dennoch hat er auch viele berühmte Fotos mit perfekter Schärfe abgeliefert. Ich vermute mal, wenn der engagiert worden wäre, und der Auftraggeber hätte dazu angemerkt, daß bei seinen Fotos ja sowieso Unschärfe vorherrsche, hätte Haas den Auftraggeber klar eines besseren belehrt.

Also: Kein Pauschalkriterium, auch nicht bei Super-Duper-Profifotografen.

Viele Grüße

von

Christoph
 
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Nur mal ein " Blickpunkt " am Rande :
Bei Menschenportraits sollten, wenn, dann die Augen scharf sein. Das ist eine alte Erkenntnis. Wenn aber die abgebildete Person ein geschminktes Gesicht hat, sollte man nicht die überschminkten Unreinheiten noch deutlich erkennen können.
 
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Hugo :D meint : Auch wenn manche Besitzer ihr Auto lieben ...

geht es hier um Menschenphotographie ... sorry ...

'Tschuldigung, hatte zwar den Eingangspost gelesen, wußte aber nicht, wer Peter Lindbergh ist (kannte nur Charles Lindbergh ;-)), und auch nicht, daß es dabei ausschließlich um Menschenfotografie geht.

Ziehe meine Beitrag hiermit zurück.

Viele Grüße

von

Christoph
 
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Schaut man sich heutzutage die vielen "gängigen" En-Face-Portraits an, so ist fast alles scharf von der Nasenspitze bis hin zu den Ohren. Für mich ähneln diese Aufnahmen eher Passfotos als irgendetwas Fotografischem. Bei Profilbildern sieht es ähnlich aus. Zudem kommt meistens ein langweiliger, einfarbiger, eintöniger Hintergrund vor. Okay, unscharf, aber dennoch irgendwie öde.

Ich vermisse Portraits in welchen der Kopf nicht die beiden oben genannten Positionen zur Kamera hat und bei denen man mit einer knappen Schärfentiefe Akzente setzt. Und das müssen nicht immer Augen sein, auf die man den Blick des Rezipienten lenken muss. Ungewöhnliche Lichtführung ist sowieso das Salz in der Portrait-Suppe. Genauso wie nicht alltägliche Ausdrücke der fotografierten Person.

Grüße - Bernhard
 
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... geht es hier um Menschenphotographie ... sorry ...
Mit dem ausdrücklichen Zusatz der künstlerischen Fotografie von Menschen. Das müssen nicht ja unbedingt Portraits sein. Eher etwas Szenisches, bei dem auch schon mal Bewegungsunschärfe ins Spiel kommen darf?
 
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Peter Lindbergh war/ist großes Kino. Ich liebe seine Bilder weil sie trotz der glamourösen Models meist noch ein Gefühl der Vertrautheit zwischen Model und Fotograf vermitteln. Dafür war er schließlich bei Models und Auftraggebern bekannt - unaufgeregt, vertrauenserweckend und professionell. Die leichte Unschärfe kommt den Bildern dabei nicht in die Quere, weil sie nicht auf Schärfe angewiesen sind. Portraits, bei denen über Schärfe diskutiert wird, haben meist nichts anderes an sich, über das es sich zu reden lohnt...
 
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Mhhm - jetzt habe ich nach ihm im Web gesucht und dazu fällt mir ein:
Ich denke hier muss man zwischen falsch gesetztem Schärfepunkt und "Unschärfe" unterscheiden. In den 60er/70ern gab es ja den Softone hype bzw "Gelfilter" im Film. Abgesehn von Hamiltons "Cousinen", fällt mir aus Aktualität grad die Serie StarTrek ein: Nahaufnahmen von Frauen werden immer Soft, unscharf dargestellt, das war damls der Trend (ist irgendwie lustig wenn man darauf mal genau achtet).
Im Socialmedia, sind imo viel mehr "Beautymodelle" unterwegs, welche die Ergebnisse Ihrer gerade sauteuer erworbenenn Eyeliner und Wimpernkamm(ka. wie man die Dinger jetzt nennt) oder die grad aktueleln Tatoos(persönlich bin cih kein Fan davon) auch in pixelschärfe sehen wollen.
Genauso wie plötzlich die extremen Bokehs (105mm / 0.95 Linsen sind ein muss ... ;-) ) aufkamen ist alles irgendwie eine Modeerscheinung.
zwischendurch kommt dann auf einmal der Retrolook ... Lomographie .. manche Sachen verschwinden wieder ...

Portraits, bei denen über Schärfe diskutiert wird, haben meist nichts anderes an sich, über das es sich zu reden lohnt...
Perfekt gesagt! Ich denke das gilt nicht nur für Schärfe ... sondern zB auch für andere Gestaltungsmittel wie Licht , Schnitt
 
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Ich denke das gilt nicht nur für Schärfe ... sondern zB auch für andere Gestaltungsmittel wie Licht , Schnitt

Altes Filmersprichwort: "Wenn sich der Zuschauer über mangelhafte Technik beschwert hat am Drehbuch was nicht gestimmt."

Grundsätzlich ist das sicher richtig, trotzdem darf das meiner Meinung nicht dazu verleiten, dass dem Photographen/Bildautor die Technik wurscht ist und alles was daneben geht als "Kunst" verkauft wird und man schnell noch etwas in den Murks hinein interpretiert, was nie darin enthalten war. Auch wenn so etwas gerne mal Mode macht und womöglich auch noch kopiert wird. Ganz nach dem Motto: "Der "XY" macht und sagt doch auch ...". Bloß weil "DER" das macht, ist das deshalb noch lange kein Grund den gleichen Quatsch nachzumachen.
 
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