Welches Objektiv wofür - praktischer Leitfaden mit Bildern

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Lordfubbes

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Alohahe,

nachdem hier nicht bloß in letzter Zeit immer wieder Fragen aufkommen "Welches Objektiv für was?", bin ich mal so frei, diese Frage mit meiner eigenen, subjektiven Bildsicht zu beantworten.
In der Regel beziehe mich dabei auf Festbrennweiten, die folgenden Ausführungen gelten natürlich auch für Zoomobjektive, aber Festbrennweiten haben ihren Zoombrüdern in der Regel mindestens eines, wenn nicht gar alle drei dieser Attribute voraus:
-lichtstärker
-kompakter
-und ganz wichtig für meinereinen: kürzere Naheinstellgrenze.
Nota bene: Ich will hier explizit keine Objektivempfehlungen aussprechen und schon gar keine Zoom- vs. FB-Debatte anzetteln, sondern einfach zeigen, was mit welchem Brennweitenbereich anzustellen ist. Wenn sich für den Supertelebereich jemand findet, der ergänzt, ist das auch toll. :)

Übersicht
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1. Kapitel - Das Fischauge
2. Kapitel - Ultra- bis Superweitwinkel
3. Kapitel - Normalobjektive
4. Kapitel - Leichte Telelinsen
5. Kapitel - Lensbabies

Makrofotografie (von JoJoSchla)

Dann fangen wir im nächsten Beitrag mal ganz unten in der Brennweitenskala an, wo ich euch zeige, wie man ein Fischauge einsetzen kann und wie man's besser nicht tun sollte, wenn einem seine Freunde lieb sind.

Viel Spaß.

Gruß Erik

PS: Danke an phanni für's Erstellen des Inhaltsverzeichnisses. :)
 
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Kapitel I: Das Fischauge.

Nun, eins vorweg: Das Fischauge gibt es in zwei Versionen, einmal als circulares, das ein kreisrundes Bild auf den Film/Sensor (im folgenden Sensor genannt) wirft, zum andern als sogenanntes Vollformat- oder diagonales Fischauge, das das Sensorformat voll ausfüllt. Während das Circulare einen Bildwinkel von 180°[1] in alle Richtungen bietet, dafür aber halt nur einen Teil des Sensorformats ausfüllt, bringt das Diagonale die 180° eben nur in der, hossahe, Diagonalen.

Um die Verwirrung komplett zu machen, haben namhafte Kamerahersteller noch ein neues Format eingeführt, an das aber alte Kleinbildobjektive weiterhin passen. Nikon nennt dies DX. Vollformat im Zusammenhang mit Fischaugen hat nichts mit 35mm-Film zu tun, sondern schlicht mit der vollen Ausfüllung des Bildkreises. Für FX/Film ist dies ein 15/16mm-Fischauge, für DX/APS-C ein 10mm. Circulare Fischaugen für FX/Film haben üblicherweise eine Brennweite von 8mm, für DX gibt es eins von Sigma, das 4,5mm Brennweite hat.

Eine weitere Besonderheit der Fischis ist, daß Linien, die nicht durch die Bildmitte gehen, nach außen gekrümmt werden. Dies kann als Effekt eingesetzt werden, bei geschickter Positionierung von Kamera und Linse unauffällig oder aber bei ungeschickter Positionierung aber auch sehr störend werden.

So, genuch Technotalk, Bilder.

Zunächst der Klassiker: Alles drauf mit extra scharf.
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Circulares Fischauge, wie man sieht. Die krummen Linien fallen kaum auf, weil alles zur Bildmitte strebt.

Gehen wir ein wenig, nein, gehen wir viel, viel näher, näher ran, kann man Elemente im Vordergrund betonen:
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Auch hier fallen die krummen Linien kaum auf, wäre da nicht das kreisförmige Format. Machen wir einen Ausschnitt (aus einem anderen, aber ähnlichen Bild):
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Keine krummen Linien mehr zu erkennen. Der Bildausschnitt entsprich übrigens in etwa dem eines diagonalen Fischauges. Vor allem bei Landschaftsaufnahmen lassen sich durch Placierung des Horizonts in der Mitte und nachträglichen Beschnitt phänomenale Panoramaeffekte erzielen.


Fischaugen eignen sich auch gut (wenn man nahe genug rankommt), um Personen und die für sie typische Umgebung einzufangen:
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Das hier ist ein Mischmasch aus einem circularen und einem Vollformatfischauge. Um genau zu sein, ist das ein circulares Fischauge an einer Halbformatkamera, dem die schwarzen Ecken (der Rest vom Kreis wird ja abgeschnitten) via Photoshop ausgetrieben wurden.

Kreisrunde Motive eignen sich natürlich hervorragend für Fischis:
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Noch ein Beispiel, wie allein durch die Perspektivwahl krumme Linien vermieden werden:
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Das Holocaustmahnmal in Berlin wirkt hier eher wie eine postapokalyptische Hochhaussiedlung, aber der Punkt wird trotzdem klar, denke ich.

Freilich kann man die krummen Linien aber auch kreativ einsetzen:
picture.php


Wie man's nicht machen sollte:
picture.php

Tja, viel drauf und doch nix drauf, ne?

So, im nächsten Beitrag widmen wir uns dann Superweitwinkeln, die aber auskorrigiert sind.

Gruß Erik


_____________
[1] Exoten wie das 6/2,8 lassen wir mal außen vor.
 
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Kapitel II: Ultra- bis Superweitwinkel

Ab hier werd ich einfach nur noch in auf 35mm-Format umgerechneten Brennweiten sprechen. Sprich, um den Bildwinkel von ca. 20mm auf Film bei einer APS-C-Kamera abzubilden, braucht man ein 14mm-Objektiv, umgekehrt entsprechen 18mm an einer DX-Kamera dem Bildwinkel eines 28mm-Objektivs auf einem 35mm-Sensor.


Als Superweitwinkel würd ich persönlich jedes Objektiv bezeichnen, das mehr als 90° in der Diagonalen aufs Bild bringt, bei 35mm ist dies alles unterhalb von etwa 20mm Brennweite.

Was für die Fischaugen gesagt wurde, gilt für die Superweitwinkel eingeschränkt auch: Nahe ran und Vordergrund macht Bild gesund. Was anders ist: Gerade Linien bleiben grade – die Perspektive allerdings lässt sich nicht austricksen. Insbesondere sollte man wissen, was „stürzende Linien“ sind, wenn man mit einem SWW kinpsen geht. Knapp gesagt: In der Realität parallele Linien, die nicht planparallel zur Bildebene verlaufen, verjüngen sich in die Neigungsrichtung. Man kann dies als kreativen Effekt nutzen oder muß – gerade bei SWW – peinlich genau darauf achten, dies zu vermeiden.

Fangen wir an mit Standardknipserei wie immer:
picture.php

Viel drauf mit nothing special. Quasi die Pizza Pepe unter den Bildern. Lecker, aber auch nix dolles. Aber auch nur, weil die hier wichtigen vertikalen Linien gerade ausgerichtet sind. Und die Farbkomposition das Bild irgendwie interessant macht. Richtig doll ist des deswegen noch lange nicht.

Also: Setzen wir stürzende Linien doch mal kreativ ein:
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Wie bereits erwähnt, Vordergrund macht's Bild gesund. Und nichts eignet sich dafür besser als ein SWW, zumindest eins mit ausreichend kurzer Naheinstellgrenze. Man kann damit keine Makros machen, aber dafür relativ kleine Dinge verdammt groß im Vergleich zum Hintergrund wirken lassen:
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Noch extremer?
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Sogar Menschen kann man damit photographieren. Immer nur bedenken: Nie näher als einen halben Meter ans Gesicht, eigentlich besser noch einen Meter!

Dafür kann man dann andere Details betonen.
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Oder die ganze Person in den Vordergrund rücken.
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Oder halt...:
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Das passiert, wenn man mit Fischaugen und SWW zu nahe ans Gesicht geht;
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Sollte man nur bei Leuten machen, die nicht zu eitel sind.

Und wie soll man's nicht machen? Ganz einfach: Wenn man's falsch machen will, muß man einfach nur viel zu viel draufbringen und dabei kein klares Hauptmotiv haben – was mit einem SWW ziemlich einfach zu bewerkstelligen ist.

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Was wollte ich hier zeigen? Die Leute? Die Laterne? Das Gebäude im Hintergrund? Das reichlich vorhandere Pflaster?

Also, merken wir uns: Superweitwinkel sind meist nicht dafür da, alles draufzukriegen. Sondern man kann damit die Perspektive exaggerieren, den Vordergrund betonen und bei Actionphotos ein "Mittendrin statt nur dabei"-Gefühl erzeugen. Das gleiche gilt im übrigen auch für Fischaugenbilder, wobei deren Reiz grade manchmal ist, eben doch alles draufzukriegen.

So, im nächsten Beitrag gucken wir uns mal an, was man mit gemäßigten Weitwinkeln bis zu Normalobjektiven machen kann, sprich sowas von 28mm bis 50mm.

Gruß Erik
 
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Kapitel III – Normalobjektive

Die gemäßigten Weitwinkel zähl ich mal einfach mit hier rein, weil die Sehgewohnheiten durch Kompaktkamerabildchen doch ziemlich auf Bildwinkel von 35mm- und neuerdings auch 28mm-Objektiven geeicht sind.

Normalobjektive wie das 35/2 oder das 50/1,4 haben neben ihrer schon bei Offenblende überzeugenden Bildqualität drei weitere Vorteile: Sie sind klein, leicht und trotzdem extrem lichtstark. Das zum einen prädestiniert sie schonmal als „Muß man immer dabei haben“-Linsen, aber da ist noch was anderes, was vor allem für das 50er zutrifft: Es gibt keine universalere Linse. Geschickt eingesetzt, kann sie wie ein leichtes Tele wirken oder aber auch wie ein mäßiges Weitwinkel, meist aber sieht man gar keinen besonderen „Effekt“ - genau deswegen nennt man sowas ja auch „Normalobjektiv“.

Die hohe Lichtstärke erlaubt einem nicht bloß das Knipsen bei schlechtem Licht, sondern erlaubt auch Freistellungseffekte, wie sie sonst nur hochgeöffneten und entsprechend schweren Tele-Glasklumpen vorbehalten sind.

Wie sieht das praktisch aus?

Portraiteffekt:
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Weitwinkeleffekt durch Betonung der Perspektive:
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Bei beiden sieht man aber auch schön die Freistellung durch die hohe Blendenöffnung. Beides mit dem 50er, ein 35er wirkt freilich bei entsprechendem Einsatz etwas weitwinkliger, da ist der Portraiteffekt schon etwas eingeschränkter, aber das geht auch ohne Weitwinkeleffekt:
picture.php


Oder mal als Vergleich:
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Beides mit dem 35er! Man beachte trotzdem die drastisch unterschiedliche perspektivische Wirkung.

Wie man ein Normalobjektiv falsch einsetzt?

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So wie hier: Indem man einfach dabbisch drauf losknipst. Auf KB umgerechnet sind das 30mm, aber was will ich hier zeigen? Der Sonnenuntergangshimmel an sich ist zwar nett, aber rechtfertigt noch kein Bild. Die Skyline von Mainz verkommt zu einem Pixelband in der Bildmitte und auch das Schiffchebootche im Rhein reißt's nimmer raus.
Denn auch wenn bei Normalobjektiven die Perspektive nicht so eine Rolle spielt wie bei Super- und Weitwinkelobjektiven: Nahe rangehen muß man trotzdem, um das Bildformat zu füllen. Kann man nicht nahe rangehen oder will man die Perspektive verdichten, muß man Telelinsen einsetzen. Diesen widmet sich mein letzter Beitrag. Der kommt aber dann erst Aschermittwoch.

Gruß Erik
 
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Hallo Erik,
Sehr gute Idee und super dargestellt.:up:
Die Auszeichnungen sollen dich überhäufen.:up::up::up:
Gruss Ekke
 
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Oh my Lord........... :pray::pray: :winkgrin:

Da weiß man endlich was man falsch gemacht hat:D

Ne, ehrlich. Klasse arbeit und plausibel. Besonders das mit dem Fishey finde ich faszinierend.
Ach so. in Deiner Planung solltest Du den Makrobereich ( Makroobjektive / Balgen etc. ) nicht auslassen. Es ist nicht jedem so ganz klar was der bedeutet und beinhaltet. Ich selber habe leider noch kein Makro...............:heul::mad:
 
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Erstmal danke für die Blümchen.

Ach so. in Deiner Planung solltest Du den Makrobereich ( Makroobjektive / Balgen etc. ) nicht auslassen. Es ist nicht jedem so ganz klar was der bedeutet und beinhaltet. Ich selber habe leider noch kein Makro...............:heul::mad:

Und wo wir grad bei Plümchen sind: Makro ist nun nicht grade mein Spezialgebiet, da kann aber gerne jemand anders, der sich berufen fühlt (Rico? Marc? :)), etwas zu beitragen.

Klasse gemacht, hast Du auch längere Brennweiten im Angebot?

Kommt noch, aber wird paar Tage dauern, weil ich jetzt erstmal im Fastnachtsstreß bin. Allerdings kann ich nichts zu Superteles schreiben. :)

Was auch noch kommt: Spezialeffekte wie Lensbaby, Umkehrringe, Zwischenringe. Vielleicht kann noch jemand was zu Tilt-Shift-Linsen schreiben?

Gruß Erik
 
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Moin,

super Thread, tolle Idee, klasse und professionell umgesetzt. Danke an den Lord!

Und die Mods bitte ich, diesen Thread doch bitte Sticky zu markieren - das Ganze hat FAQ-Charakter. Danke!

:winner:
 
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Das wird (ist eigentlich schon jetzt) mit Sicherheit ein spannender und auskunftsreicher Thread für zukünftige Objektiventscheidungen unter Berücksichtigung der Anwendungsgebiete. Hab Dank dafür.
 
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Super Beitrag... klasse Idee und gute Umsetzung.

und by the way...
Super Aufnahmen... Vorallem die Bandfotos... Spitze... genau mein Ding!

Grüße aus Mittelfranken
 
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Vielen, vielen Dank. Ein super gemachter informativer und auch noch unterhaltsamer Fred.

Danke.
 
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Bin noch nicht lange dabei, aber Deine Beiträge konnte ich noch nie ungesehen/ungelesen links liegen lassen. - Und das ist gut so! Dieser hier ist mal wieder ein Highlight, welches dem Forum zur Zeit gut tut. Lehrreich und unterhaltsam.
Danke und Gruss
Heike
 
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:up: Erik, das hast Du aber mal RICHTIG schön angegangen! :up:

Und, nebenbei gesagt, auch mit prima zu lesenden Texten unterlegt.
Respektabel.

LG, STEPHAN!
 
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Verehrte Lordschaft,

auch von mir tausend Dank für Eure Inspirationen. Edle Texte werden durch anschauliche Beispiele ergänzt, was zu einem großen Genuss führt.


:dizzy::winkgrin::p:D

Frank
 
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