foxmulder schrieb:
Das liest sich so als hätte Nikon mit dem F-Bajonett eine 'Kraut-und-Rüben-Politik' betrieben, mal dieses dazu, mal jenes, und als hätte jedes neue Feature wieder Kompatibilitätsprobleme aufgeworfen.
Ganz so war es nicht gemeint, aber es geht in diese Richtung. Da die ursprüngliche Frage wohl beantwortet ist, können wir uns ja wieder existentialphilosphischen Fragestellungen zu wenden.
Das Nikon F Bajonett mit der Mitnehmergabel geht offensichtlich davon aus, dass der Belichtungsmesser im Wechselsucher sitzt, deshalb die außenliegende Übertragung. Dass der Ritschratsch keine gute Idee war, musste Nikon bald erkennen und zur Regierungszeit der F2 Dynastie trat mit dem AI-Bajonett Plan B in Kraft. Wobei an der außenliegenden Blendenübertragung nicht mehr zu rütteln war. Die Kompatiblität wurde an 3 Fronten sichergestellt und sie war zu 100% gegeben:
Das aktuelle Profimodell F2 konnte mit neuen Photomic Suchern auf AI nachgerüstet werden. Vorhandene Objektive konnten auf AI umgebaut werden. Neue Objektive trugen noch bis zur AI-s Generation die Mitnehmergabel.
Bei der Hochrüstung von Nikon AI zu Nikon AI-s kamen neue Elemente hinzu, wie die Einfräsung an der Bajonettunterseite sowie die lineare Blendenmechanik, die eine Blendensteuerung von der Kamera aus ermöglichte. Die Rückwärtskompatiblität war insoferne gegeben, dass Nikon AI Objektive wie bisher mit Zeitautomatik oder manueller Bleichtungsmessung verwendet werden konnten. Es wurde also nichts weggenommen, es kam nur für die Kombination AI-s mit entsprechenden Kameras Blenden- und Programmautomatik hinzu. Einen Umbauservice von AI auf AI-s gab es nicht. Er wäre auch nicht sinnvoll gewesen, da die komplette Blendenmechanik hätte getauscht werden müssen.
Die Hochrüstung auf AF und die Zwischenstufe AI-P gehen von der Mechanik von AI-s aus, delegieren aber die Programmierung der Lichtstärke (sowie diverser neuer Daten) an einen Chip mit elektronischer Kopplung zur Kamera. Die mechanische Übertragung von Lichtstärke und eingestellter Blende werden damit obsolet, denn ersteres meldet die Objektiv-CPU und letzteres wird nur mehr von der Kamera gesteuert. Trotzdem wird AI-s noch einige Kameragenerationen unterstützt, parallel aber schon bei Billigmodellen zurück gefahren. Einen Umbauservice von AI-s auf AI-P, welcher einfach möglich gewesen wäre, um AI-s Objektive auf AF-Kameras und DSLRs zu verwenden, wird von Nikon nicht angeboten. Ab einer bestimmten Generation wird AI-s nicht mehr unterstützt, sondern - wenn überhaupt - nur AI ohne Blendensteuerung. Hier tritt also der erste deutliche Bruch der Philosophie "alles wird für immer unterstützt" ein. Der nächste sollte der Wegfall des Fokusmotors in der D40 sein.
Resumee?
Neue Features haben keineswegs Kompatibilitätsprobleme aufgeworfen, wohl aber das Problem, dass eine vollständige Unterstützung aller historischen Features eine Kamera benötigen würde, welche ein und die selbe Information über mehrere unabhängige Kopplungselemente übertragen müsste:
- Arbeitsblende über Suchereinspiegelung und Blendeneinstellung über AI-Blendenmitnehmer.
- Lichtstärke über Bajonett und Blendeneinstellung über AI-Blendenmitnehmer.
- Lichtstärke über Bajonett und Blendensteuerung über die Kamera.
- Lichtstärke über CPU und Blendensteuerung über die Kamera.
- Fokussierung über Zahnstangen AF
- Fokussierung über Fokusmotor im Objektiv.
Folgende Szenaria fordert Gott sei Dank keiner wirklich:
- Lichtstärke und Blendeneinstellung über Ritschratsch Gabel.
- Motorische Blendenverstellung über die Ritschratsch Gabel wie bei der F2 Photomic Blendensteuerung.
Somit sollte klar sein, wo Nikon hier tatsächlich ein massives Problem hat. Alle diese redundanten Mehrfachfunktionalitäten können in einem aggresiven Marktumfeld nicht - wie vielleicht versprochen oder zumindest so verstanden - ewig aufrecht erhalten werden.
Was hier gerne übersehen wird - und hier kommen wir wieder zusammen - ist, dass andere Hersteller alte Objektive als unnützen Ballast abgeworfen haben und heute leicht glänzen können mit "20 Jahre Super-Duper-Bajonett". Nikon hat länger als alle anderen der Kompatibilität die Treue gehalten, um sich jetzt - zu Recht oder nicht - Schelte zu holen, weil nicht mehr jede Billigkamera mit jedem Objektiv alles kann.