Hallo,
sobald ein neues Objektiv von Nikon oder einem der alternativen Hersteller angekündigt ist, fragt sich die Community, was man wohl von der neuen Optik erwarten darf, wie sie sich verhält verglichen mit ihrem Vorgänger, mit den Alternativen anderer Anbieter oder sogar mit nicht-kompatiblen Anbietern wie etwa Objektiven aus dem Canon-Programm. Man wird Mutmaßungen anstellen, Hoffnungen und Befürchtungen äußern - letztendlich sich aber gedulden müssen, bis die ersten realen Bilder im Web von dem neuen Objektiv erscheinen und dann - mehr oder weniger subjektiv - entscheiden müssen, was nun davon zu halten ist. Eine praktikable, manchmal aber auch etwas unbefriedigende Methode.
Alternativ kann versucht werden, auf eher theoretische Informationen zurück zu greifen, die die Hersteller teilweise bereits bei der Ankündigung mit veröffentlichen. Eine dieser Informationen ist die sog. MTF-Kurve, eine Grafik, die dem mathematisch interessierten Fotografen viel sagen kann, dem Laien wird sie - auch wegen der vielen darin enthaltenen Abkürzungen - gerne mal ein ewig Rätsel bleiben wird.
Ich möchte mit diesem Mitmach-Thread versuchen, etwas Licht in die MTF-Mystik zu bringen. Ziel ist es nicht, dem Physiker noch detailliertere und theoretischere Informationen zu geben (dafür gibt es andere und bessere Quellen), sondern dem Normalo-Fotografen zu einer groben Peilung zu verhelfen, so dass er selbst entscheiden kann, ob er sich für die MTF-Kurven interessiert oder nicht.
Hierzu will ich in diesem Beitrag einen Einstieg bringen mit der Bitte an Euch, Ergänzungen, Korrekturen oder was auch immer zu posten, die dann hier einfließen sollen, so dass wir einen kompakten und verständlichen und weitestgehend mathematikfreien Überblick für den Einstieg haben.
Siehe dazu auch Wikipedia
Was bedeutet der Name MTF?
Die Abkürzung MTF steht für den englischen Begriff "Modulation Transfer Function", der gerne in das nicht minder sperrige deutsche Wort Modulationsübertragungsfunktion (MÜF) übersetzt wird. Die grafische Darstellung dieser Funktion ist die MTF-Kurve.
Was sagt die MTF aus?
Wenn das Licht von einem Motiv kommend an die Frontlinse eines Objektivs trifft, wandert es nicht ideal und völlig unverändert durch das Objektiv hindurch und wird auf den Sensor geworfen, sondern es wird (je nach Güte der verwendeten Optik) im Objektiv mehr oder weniger stark verändert. Diese Veränderung bedeuten leider immer eine Verschlechterung, nie eine Verbesserung nach unseren Vorstellungen. Unter anderem tritt auch immer eine Verschlechterung des Kontrastes an Helligkeitssprüngen dergestalt auf, das ein zunächst scharfkantiger Helligkeitssprung am Objektiv-Ausgang mehr oder weniger stark "verschliffen" bzw. "verwaschen" wird, so dass zwischen dem hellen und dem dunklen Bereich ein Grauzone (im wörtlichen Sinne) entsteht, die wir subjektiv als Unschärfe empfinden. Der Grad dieser Veränderung lässt uns darüber entscheiden, ob das Objektiv mehr oder weniger scharf abbildet bzw. ob es in der Lage ist, auch kleine Details deutlich und kontrastreich abzubilden.
Warum reicht nicht ein einzelner MTF-Wert?
Es hat sich gezeigt, dass zur Beurteilung eines Objektivs unterschiedliche große Hell-Dunkel Flächen betrachtet werden müssen - einfach deshalb weil das Maß der unscharfen Abbildung subjektiv sehr unterschiedlich empfunden wird, je nachdem ob die vollständige Helligkeit des Originals erreicht wird und diese den grauen Übergang dominieren, oder ob der graue Übergang verhindert, dass überhaupt noch die maximale bzw. minimale Helligkeit erreicht wird.
Was zeigt eine MTF-Kurve "normalerweise"?
Um obigem Sachverhalt für eine Rechnung oder eine Messung zu standardisieren, wurde ein synthetisches Motiv für den Eingang erfunden, bestehend aus abwechselnd schwarzen und weißen Streifen, die zunehmend schmaler werden. Je ein schwarzer und ein weißer Streifen zusammen ergeben ein sog. "Linienpaar". Wenn ein Physiker sagen will, dass die Linienpaare immer schmaler werden, dann sagt er, dass die "Ortsfrequenz des Kontrastes steigt". Nur falls das mal irgendwo gelesen wird.
Die MTF-Kurve zeigt nun ein Koordinatensystem, bei dem der normierte Ausgangskontrast (= bezogen auf den Eingangskontrast ... oder anders formuliert: Bildkontrast geteilt durch Objektkontrast) dargestellt wird als Funktion der Ortsfrequenz, also der Breite der Linienpaare. 100% (Kurve ganz oben) bedeutet, dass keinerlei Verluste auftreten, was eigentlich nur bei sehr, sehr breiten Linienpaare möglich ist. 0% (Kurve ganz unten) bedeutet, dass ein maximaler Verlust eingetreten ist. Konkret sind die Linienpaare am Objektiveingang (= Frontlinse) so schmal, dass am Objektivausgang (= Hinterlinse) nur ein homogener grauer Einheitsbrei heraus kommt. Die reale Welt befindet sich zwischen 0% und 100%, wobei sich jeder Fotograf natürlich freut, wenn die MTF-Kurve seines Objektivs über möglichst weite Strecken möglichst weit oben ist.
Gibt es eine Richtungsabhängigkeit?
Das Bildfeld und die Linsensysteme unserer Objektive sind rund und tatsächlich verändern sich ihre optischen Eigenschaften bzw. die Kontrastübertragung auch leicht, je nachdem, ob die Linienpaare von der Bildmitte nach außen gerichtet sind (ähnlich Siemens-Stern) oder ob die Streifen senkrecht dazu stehen (konzentrische Kreise um die Bildmitte herum). Erst wenn man beide Kontrast-Richtungen vermessen hat, kann man eine halbwegs plausible Aussage über das Objektiv und alle Kontrastrichtungen treffen.
Kontrast-Streifen (also Linienpaare), die von der Mitte nach außen verlaufen, nennt man "radiale" oder "sagittale" Kontraste. Kontrast-Streifen, die senkrecht dazu verlaufen, nennt man "tangentiale" oder "meridionale" Kontraste. Oft werden sowohl radiale und tangentiale (aka sagittale und meridionale) Kontraste gleichzeitig in einem MTF-Diagramm dargestellt.
Was zeigen MTF-Kurven in Datenblätter?
So ein Objektiv ist ein komplexes Gebilde und eigentlich hat es an jeder Stelle (Mitte, Rand, Ecke des Bildfelds) eine unterschiedliche Übertragungs-Charakteristik. Tatsächlich interessiert es uns im realen Leben normalerweise sehr viel mehr, wie ein Objektiv "am Rand und in den Ecken zeichnet" und sehr viel weniger, wie sich die Kontrastübertragung bei 24 und 26 Linienpaare pro Millimeter unterscheiden. Deshalb wird in den Datenblättern (wie sie beispielsweise bei Nikon gezeigt werden) eine andere Darstellung gewählt. Es werden zwei repräsentative Linienpaar-Breiten (aka Ortsfrequenzen) ausgewählt ... üblicherweise sind das 10 LP/mm für normale Details und und 30 LP/mm für sehr feine Details und es wird aufgezeigt, wie sich die Kontrastübertragung (relativ zum Maximalkontrast, gemessen in Prozent) über den Bildfeldradius von innen nach außen darstellt. Links an der Stelle 0 mm befinden wir uns in der Objektivmitte, rechts an der Stelle jenseit der 20 mm am Außenbereich des Bildfelds, das beispielsweise gerade noch für die Ecken unseres Sensors zuständig ist. Dies ist möglich, da die Objektiv-Linsen rund sind und sich die Übertragungscharakteristik lediglich dadurch unterscheidet, wie weit entfernt wir vom Mittelpunkt sind.
In den verlinkten, original Nikon MTF-Kurven sehen wir beispielsweise die Kontrastübertragung des neuen AF-S 80-400/4,5-5,6 bei 80 mm und Blende 4,5 bei
1) 10 Linienpaare/mm bei Kontrasten in Sagittalrichtung (S10, rot, durchgezogen)
2) 10 Linienpaare/mm bei Kontrasten in Meridionalrichtung (M10, rot, gepunktet)
3) 30 Linienpaare/mm bei Kontrasten in Sagittalrichtung (S30, blau, durchgezogen)
4) 30 Linienpaare/mm bei Kontrasten in Meridionalrichtung (M30, blau, gepunktet)
Logischerweise müssen die 30er Kurven immer schlechter sein als die 10er Kurven, weil sie kleinere Details abbilden und es müssen die Kurven nach rechts immer fallen, weil die Optiken an den Rändern normalerweise schlechter sind als als in der Mitte.
Ciao
HaPe
sobald ein neues Objektiv von Nikon oder einem der alternativen Hersteller angekündigt ist, fragt sich die Community, was man wohl von der neuen Optik erwarten darf, wie sie sich verhält verglichen mit ihrem Vorgänger, mit den Alternativen anderer Anbieter oder sogar mit nicht-kompatiblen Anbietern wie etwa Objektiven aus dem Canon-Programm. Man wird Mutmaßungen anstellen, Hoffnungen und Befürchtungen äußern - letztendlich sich aber gedulden müssen, bis die ersten realen Bilder im Web von dem neuen Objektiv erscheinen und dann - mehr oder weniger subjektiv - entscheiden müssen, was nun davon zu halten ist. Eine praktikable, manchmal aber auch etwas unbefriedigende Methode.
Alternativ kann versucht werden, auf eher theoretische Informationen zurück zu greifen, die die Hersteller teilweise bereits bei der Ankündigung mit veröffentlichen. Eine dieser Informationen ist die sog. MTF-Kurve, eine Grafik, die dem mathematisch interessierten Fotografen viel sagen kann, dem Laien wird sie - auch wegen der vielen darin enthaltenen Abkürzungen - gerne mal ein ewig Rätsel bleiben wird.
Ich möchte mit diesem Mitmach-Thread versuchen, etwas Licht in die MTF-Mystik zu bringen. Ziel ist es nicht, dem Physiker noch detailliertere und theoretischere Informationen zu geben (dafür gibt es andere und bessere Quellen), sondern dem Normalo-Fotografen zu einer groben Peilung zu verhelfen, so dass er selbst entscheiden kann, ob er sich für die MTF-Kurven interessiert oder nicht.
Hierzu will ich in diesem Beitrag einen Einstieg bringen mit der Bitte an Euch, Ergänzungen, Korrekturen oder was auch immer zu posten, die dann hier einfließen sollen, so dass wir einen kompakten und verständlichen und weitestgehend mathematikfreien Überblick für den Einstieg haben.
Siehe dazu auch Wikipedia
Was bedeutet der Name MTF?
Die Abkürzung MTF steht für den englischen Begriff "Modulation Transfer Function", der gerne in das nicht minder sperrige deutsche Wort Modulationsübertragungsfunktion (MÜF) übersetzt wird. Die grafische Darstellung dieser Funktion ist die MTF-Kurve.
Was sagt die MTF aus?
Wenn das Licht von einem Motiv kommend an die Frontlinse eines Objektivs trifft, wandert es nicht ideal und völlig unverändert durch das Objektiv hindurch und wird auf den Sensor geworfen, sondern es wird (je nach Güte der verwendeten Optik) im Objektiv mehr oder weniger stark verändert. Diese Veränderung bedeuten leider immer eine Verschlechterung, nie eine Verbesserung nach unseren Vorstellungen. Unter anderem tritt auch immer eine Verschlechterung des Kontrastes an Helligkeitssprüngen dergestalt auf, das ein zunächst scharfkantiger Helligkeitssprung am Objektiv-Ausgang mehr oder weniger stark "verschliffen" bzw. "verwaschen" wird, so dass zwischen dem hellen und dem dunklen Bereich ein Grauzone (im wörtlichen Sinne) entsteht, die wir subjektiv als Unschärfe empfinden. Der Grad dieser Veränderung lässt uns darüber entscheiden, ob das Objektiv mehr oder weniger scharf abbildet bzw. ob es in der Lage ist, auch kleine Details deutlich und kontrastreich abzubilden.
Warum reicht nicht ein einzelner MTF-Wert?
Es hat sich gezeigt, dass zur Beurteilung eines Objektivs unterschiedliche große Hell-Dunkel Flächen betrachtet werden müssen - einfach deshalb weil das Maß der unscharfen Abbildung subjektiv sehr unterschiedlich empfunden wird, je nachdem ob die vollständige Helligkeit des Originals erreicht wird und diese den grauen Übergang dominieren, oder ob der graue Übergang verhindert, dass überhaupt noch die maximale bzw. minimale Helligkeit erreicht wird.
Was zeigt eine MTF-Kurve "normalerweise"?
Um obigem Sachverhalt für eine Rechnung oder eine Messung zu standardisieren, wurde ein synthetisches Motiv für den Eingang erfunden, bestehend aus abwechselnd schwarzen und weißen Streifen, die zunehmend schmaler werden. Je ein schwarzer und ein weißer Streifen zusammen ergeben ein sog. "Linienpaar". Wenn ein Physiker sagen will, dass die Linienpaare immer schmaler werden, dann sagt er, dass die "Ortsfrequenz des Kontrastes steigt". Nur falls das mal irgendwo gelesen wird.
Die MTF-Kurve zeigt nun ein Koordinatensystem, bei dem der normierte Ausgangskontrast (= bezogen auf den Eingangskontrast ... oder anders formuliert: Bildkontrast geteilt durch Objektkontrast) dargestellt wird als Funktion der Ortsfrequenz, also der Breite der Linienpaare. 100% (Kurve ganz oben) bedeutet, dass keinerlei Verluste auftreten, was eigentlich nur bei sehr, sehr breiten Linienpaare möglich ist. 0% (Kurve ganz unten) bedeutet, dass ein maximaler Verlust eingetreten ist. Konkret sind die Linienpaare am Objektiveingang (= Frontlinse) so schmal, dass am Objektivausgang (= Hinterlinse) nur ein homogener grauer Einheitsbrei heraus kommt. Die reale Welt befindet sich zwischen 0% und 100%, wobei sich jeder Fotograf natürlich freut, wenn die MTF-Kurve seines Objektivs über möglichst weite Strecken möglichst weit oben ist.
Gibt es eine Richtungsabhängigkeit?
Das Bildfeld und die Linsensysteme unserer Objektive sind rund und tatsächlich verändern sich ihre optischen Eigenschaften bzw. die Kontrastübertragung auch leicht, je nachdem, ob die Linienpaare von der Bildmitte nach außen gerichtet sind (ähnlich Siemens-Stern) oder ob die Streifen senkrecht dazu stehen (konzentrische Kreise um die Bildmitte herum). Erst wenn man beide Kontrast-Richtungen vermessen hat, kann man eine halbwegs plausible Aussage über das Objektiv und alle Kontrastrichtungen treffen.
Kontrast-Streifen (also Linienpaare), die von der Mitte nach außen verlaufen, nennt man "radiale" oder "sagittale" Kontraste. Kontrast-Streifen, die senkrecht dazu verlaufen, nennt man "tangentiale" oder "meridionale" Kontraste. Oft werden sowohl radiale und tangentiale (aka sagittale und meridionale) Kontraste gleichzeitig in einem MTF-Diagramm dargestellt.
(Bild folgt noch)
Was zeigen MTF-Kurven in Datenblätter?
So ein Objektiv ist ein komplexes Gebilde und eigentlich hat es an jeder Stelle (Mitte, Rand, Ecke des Bildfelds) eine unterschiedliche Übertragungs-Charakteristik. Tatsächlich interessiert es uns im realen Leben normalerweise sehr viel mehr, wie ein Objektiv "am Rand und in den Ecken zeichnet" und sehr viel weniger, wie sich die Kontrastübertragung bei 24 und 26 Linienpaare pro Millimeter unterscheiden. Deshalb wird in den Datenblättern (wie sie beispielsweise bei Nikon gezeigt werden) eine andere Darstellung gewählt. Es werden zwei repräsentative Linienpaar-Breiten (aka Ortsfrequenzen) ausgewählt ... üblicherweise sind das 10 LP/mm für normale Details und und 30 LP/mm für sehr feine Details und es wird aufgezeigt, wie sich die Kontrastübertragung (relativ zum Maximalkontrast, gemessen in Prozent) über den Bildfeldradius von innen nach außen darstellt. Links an der Stelle 0 mm befinden wir uns in der Objektivmitte, rechts an der Stelle jenseit der 20 mm am Außenbereich des Bildfelds, das beispielsweise gerade noch für die Ecken unseres Sensors zuständig ist. Dies ist möglich, da die Objektiv-Linsen rund sind und sich die Übertragungscharakteristik lediglich dadurch unterscheidet, wie weit entfernt wir vom Mittelpunkt sind.
siehe MTF-Kurve von Nikon => Bilder => dann eines der MTF-Diagramme wählen.
In den verlinkten, original Nikon MTF-Kurven sehen wir beispielsweise die Kontrastübertragung des neuen AF-S 80-400/4,5-5,6 bei 80 mm und Blende 4,5 bei
(Bild folgt noch)
1) 10 Linienpaare/mm bei Kontrasten in Sagittalrichtung (S10, rot, durchgezogen)
2) 10 Linienpaare/mm bei Kontrasten in Meridionalrichtung (M10, rot, gepunktet)
3) 30 Linienpaare/mm bei Kontrasten in Sagittalrichtung (S30, blau, durchgezogen)
4) 30 Linienpaare/mm bei Kontrasten in Meridionalrichtung (M30, blau, gepunktet)
Logischerweise müssen die 30er Kurven immer schlechter sein als die 10er Kurven, weil sie kleinere Details abbilden und es müssen die Kurven nach rechts immer fallen, weil die Optiken an den Rändern normalerweise schlechter sind als als in der Mitte.
Ciao
HaPe