Mit der Nikkormat auf dem Mt. Everest

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Lydian

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Der Heidelberger Reinhard Karl hat durch seine Fotos und Bücher Generationen von Kletterern und Bergsteigern inspiriert und begeistert. Wie keiner zuvor beschrieb er das "Lebensgefühl Bergsteigen", die Sehnsucht nach Aufbruch und Freiheit und gleichzeitig die Unmöglichkeit, das eigentliche Ziel zu erreichen. "Das was ich suchte war so unantastbar wie ein Regenbogen." Er machte endgültig Schluss mit der heroischen Sprache in der Bergsteigerei. Grandios seine Schilderung der Durchsteigung der Route "Son of Heart" am El Capitan im Buch "Yosemite - Klettern im senkrechten Paradies" (das posthum mit einem Vorwort seiner Witwe Eva erschien). Niemals zuvor hat ein Bergsteiger sein Inneres, seine Ängste, ja, seine Feigheit, so schonungslos thematisiert.

1976 waren er und sein Kletterpartner Hermann Kühn die ersten Deutschen, die den El Capitan im Yosemite-Valley durchstiegen, 1978 war Reinhard der erste Deutsche auf dem Mt. Everest, drei Jahre später stand er auf dem Fitz Roy in Patagonien. Am 3. November wäre der "Kletterphilosph" 75 Jahre alt geworden. Über das Leben von Reinhard hat der Autor und Filmemacher Tom Dauer einen Film gedreht: "Die Kunst, einen Berg zu besteigen". Dieser Film ist derzeit in der BR-Mediathek abrufbar (ich weiß leider nicht, wie lange).


(Eine kleine Anmerkung: Persönlich finde ich die Szene im "Aktuellen Sportstudio" ab Minute 13:34 faszinierend, in der der recht schüchterne Reinhard von Harry Valérien - der übrigens einige Zeit später Schwiegervater des Spitzenkletterers Stefan Glowacz wurde - interviewt wird.)

Von Anfang an stieg Reinhard mit Nikon-Kameras durch die Wände. Ein bekanntes Foto zeigt ihn, "das keuchende Ungeheuer" (Eigenzitat) auf dem Gipfel des Mt. Everest mit einer Nikkormat um den Hals. Zum Everest war er im Auftrag des Magazins "Bunte" als Fotograf gelangt und sollte den Versuch von Reinhold Messner und Peter Habeler, den Berg erstmals ohne künstlichen Sauerstoff zu besteigen, dokumentieren. Dass er selbst auf dem Gipfel stehen sollte war nicht vorgesehen. In seinen Fotos, insbesondere die in SW, entwickelte Reinhard eine bildgewaltige Ästhetik, die noch heute fasziniert. Auch darum geht es in diesem Film von Tom Dauer. Nicht erwähnt wird, dass er, als er noch zuhause wohnte, die Mutter regelmäßig zur Verzweiflung trieb weil er das einzige Bad der Wohnung stundenlang als Dunkelkammer in Beschlag nahm.

Ich glaube, ich darf hier keines seiner Fotos verlinken. Als Ersatz muss ein eigenes dienen. Es zeigt die Kletterroute "Maitrauer" am Rötzensteinpfeiler in der Südpfalz. Das Buntsandsteingebiet war Reinhards Heimathafen, in den er von seinen Expeditionen immer gerne zurückkehrte. "Ich habe anderen immer erzählt, wie großartig es woanders ist. Und verschwiegen, dass es nirgendwo schöner ist als hier."

maitrauer_im_november.jpg

"Maitrauer" wurde am 05. Juni 1982 von Michael Schindler und Hans-Jürgen Cron erstbegangen. Drei Wochen zuvor, am 19. Mai, starb Reinhard in einer Eislawine am Cho Oyu, gerade mal 35 Jahre jung. "Maitrauer" gilt in diesem Grad (9-) als schönste und homogenste Route der Pfalz. Ein würdiges Denkmal.
 
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