Miroslav Tichý im Frankfurter Museum für Moderne Kunst

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Klaus Harms

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Das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt (MMK) präsentiert derzeit eine umfassende Einzelausstellung des tschechischen Fotografen Miroslav Tichý. Bereits vergangenes Jahr konnte das MMK achtzig Arbeiten Tichýs erwerben, womit sich die größte Werkgruppe des Künstlers in einer öffentlichen Sammlung befindet. Der 1926 in einem kleinen Dorf bei Mähren geborene Tichý begann Ende der 1940er Jahre eine Ausbildung an der Prager Kunstakademie, wo er als talentierter Maler und Zeichner hervorstach. Doch als Aktivist gegen das vorherrschende kommunistische Regime wurde seine Karriere abrupt durch eine achtjährige Inhaftierung beendet. Die totalitären Verhältnisse und die damit verbundenen Erlebnisse entfremdeten ihn zunehmend von der offiziellen Kunst- und Kulturszene, so dass er sich immer mehr in einen eigenen Kosmos zurückzog, der nicht mehr von gesellschaftlichen Konventionen bestimmt wurde. Er vernachlässigte sein Äußeres und verwandelte seine Wohnung in eine wild zusammengewürfelte, chaotische Werkstatt, um seiner neuen Beschäftigung, der Fotografie, mehr Raum schenken zu können.

Aus Brillengläsern, Konservendosen, Gehäusen aus Holz oder Pappe, die mit Kaugummi als auch Teer zusammengehalten wurden, sowie einem Auslöser aus Gummiband, baute Miroslav Tichý sich funktionstüchtige Fotoapparate. Mit Hilfe dieser Apparate konnte er sein Hauptmotiv „Frauen“ unentdeckt begleiten. Drei Jahrzehnte schoss er jeden Tag wie in Trance bis zu 100 Fotografien von der weiblichen Bevölkerung seines tschechischen Heimatdorfes. Die Frauen schenkten dem ungepflegten Sonderling kaum Beachtung und hielten seine Apparate, mit denen er hinter Schwimmbadzäunen, Mauern und Litfasssäulen auf das nächste Motiv lauerte, für harmlose Attrappen. Im Laufe der Jahre kamen so mehrere Zehntausende ungestellte Motive zustande, die Frauen in alltäglichen Situationen zeigen. Als nächsten Schritt wählte Tichý mit Hilfe eines ebenfalls selbst gebauten Vergrößerungsapparats Ausschnitte aus seinen Motiven aus, die er auf Abzügen teilweise zeichnerisch kolorierte oder retuschierte. Ende der 1990er Jahre gab er das Fotografieren vollständig auf.

Die Ausstellung im MMK zeugt von unscharfen, zerknitterten, unter- oder überbelichteten, mit Schlieren von Entwickler- und Fixierflüssigkeit und Fingerabdrücken übersäten Fotografien. Tichýs Werk lässt sich nicht kategorisieren, denn es ist konzeptionell, formal und inhaltlich sowie atmosphärisch vollkommen einzigartig. Die Geschichte der Fotografie kennt nichts Vergleichbares. Und so folgt die Präsentation den Ansichten Tichýs: „Die Welt sei sowieso nur Schein, eine Illusion. Und jeder erkennt nur das, was er erkennen will.“

Die Ausstellung „Miroslav Tichý. Fotograf“ ist noch bis zum 3. August zu sehen. Das Museum für Moderne Kunst ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr, mittwochs zusätzlich bis 20 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 7 Euro, ermäßigt 3,50 Euro. Freier Eintritt am jeweils letzten Samstag des Monats.

Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main
Domstraße 10
D-60311 Frankfurt am Main

Telefon: +49 (0)69 – 212 30 447
Telefax: +49 (0)69 – 212 37 882
 
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