Information Lehrreiche Brennweitendarstellung

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...andererseits lässt sich dann aber auch aus solchen Diskussionen nicht wirklich etwas für die Praxis mitnehmen ...

Nun, aus meinen Beiträgen zu dieser Diskussion könnte man "für die Praxis" des Handwerks Fotografie zum Beispiel bei Interesse Folgendes "mitnehmen":

1. Ist eine bestimmte perspektivische Wirkung beabsichtigt, so gilt es, den dafür notwendigen Standort einzunehmen.

2. Ist dieser eingenommen, so gilt es, in Abhängigkeit vom Sensorformat diejenige Brennweite zu wählen, die in Kombination mit dem Sensorformat den von diesem Standort aus gewünschten Bildwinkel ergibt.

3. Bei der Standortwahl gilt es zu beachten, dass der perspektivische Eindruck, welcher sich später beim Betrachten des von einem bestimmten Standort aus aufgenommenen Fotos ergibt, von den im nachstehenden Zitat erläuterten Bedingungen abhängt:

Beim Betrachten von perspektivischen Darstellungen räumlicher Objekte auf einer Auffangebene (z.B. Zeichnung oder Photographie) entsteht durch subjektive Rückprojektion des flächenhaften Bildes in den Raum ein perspektivischer Eindruck. Ein natürlicher perspektivischer Eindruck liegt vor, wenn der Sehwinkel σ', unter dem die perspektivische Darstellung betrachtet wird, dem Sehwinkel σ der direkten Objektbetrachtung entspricht (Abb. 4a).

Für σ'>σ bzw. für σ'<σ entstehen Tiefenverkürzungen (Abb. 4b) bzw. -verlängerungen (Abb. 4c). Ist das Perspektivitätszentrum bei Betrachtung der perspektivischen Darstellung gegenüber dem der direkten Objektbetrachtung höhen- oder seitenverschoben, entsteht durch Verzerrung der Größenverhältnisse der Sehwinkel ein verzerrter perspektivischer Eindruck. Der vom Betrachtungsabstand abhängige perspektivische Eindruck ist bei der Nachvergrößerung photographischer Aufnahmen zu beachten.

Quelle (dort findet man auch die Abbildungen 4a, 4b und 4c): http://www.spektrum.de/lexikon/optik/perspektive/2426

Der perspektivische Eindruck, welcher sich beim Betrachten des Motivs mit bloßem Auge vom Standort der Kamera aus ergibt (Perspektivitätszentrum = Eintrittspupille des Objektivs), stellt sich also beim späteren Betrachten des von diesem Standort aus aufgenommenen Fotos umso ähnlicher ein, je weniger der Sehwinkel σ' bei der späteren Betrachtung des Fotos in zum Beispiel einer Ausstellung vom Sehwinkel σ beim Betrachten des Motivs mit bloßem Auge vom Standort der Kamera aus abweicht (idealerweise σ'=σ).

Bei zum Beispiel der Betrachtung eines vollformatigen Ausdrucks einer Fotografie ist dies (σ'=σ) also umso mehr gegeben, umso mehr der Sehwinkel, unter welchem der Betrachter die Diagonale des vollformatigen Ausdrucks betrachtet, dem für die Aufnahme gewählten diagonalen Bildwinkel entspricht und umso weniger der Betrachter den vollformatigen Ausdruck aus einer seitlich oder nach oben und unten versetzten Position betrachtet.

Soweit, was man meines Erachtens in Bezug auf die handwerkliche Seite der fotografischen Praxis aus meinen bisherigen Beiträgen zu dieser Diskussion bei Interesse "mitnehmen" könnte.

In Bezug auf die gestalterische Seite der fotografischen Praxis hielte ich persönlich es für anmaßend, anderen Leuten meinerseits Ratschläge in Sachen "Ästhetik" und "guter Geschmack" etc. zu erteilen. Aber wenn schon eine die gestalterische Seite der fotografischen Praxis betreffende Empfehlung gewünscht sein sollte, dann wäre meine wohl noch am ehesten diese:

"Geh deinen Weg, und lass die Leute reden!" (Dante Alighieri) :)
 
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IMO zeigt gerade der schnelle Wechsel der Brennweite bei gleichem ABM des Hauptmotivs sehr drastisch, wie sich durch den Perspektivwechsel die Gesichtsproportionen verändern.

Wobei die bei Betrachtung dieser Animation wahrgenommene Veränderung der Gesichtsproportionen hier ja aus dem Zusammenspiel verschiedener Faktoren resultiert:

1. Unterschiedliche Standorte bei den Aufnahmen des Hauptmotivs führen zu Unterschieden zwischen den von diesen unterschiedlichen Standorten aus mit dem bloßen Auge wahrgenommenen (und von diesen Standorten aus auch von der Kamera aufgezeichneten) Proportionen. Die Unterschiedlichkeit der sich aus unterschiedlichen Entfernungen mit bloßem Auge ergebenden Proportionen des Gesichts einer Person ist uns aus der Alltagserfahrung vertraut und wird daher – unterstützt von der Größenkonstanz unserer visuellen Wahrnehmung - auch subjektiv in aller Regel nicht als sonderlich ungewöhnlich oder gar als grotesk wahrgenommen.

2. Ein stets identischer Sehwinkel bei der Betrachtung des mit stets unterschiedlichen Bildwinkeln aufgenommen Gesichts führt zu Unterschieden zwischen den sich bei dessen Betrachtung auf den Fotos ergebenden Proportionen und den sich bei dessen Betrachtung mit bloßem Auge aus den jeweiligen Aufnahmeentfernungen ergebenden Proportionen. Solche sich alleine aus der Ungleichkeit von Bildwinkel und Sehwinkel ergebenden Veränderungen der Poportionen des Gesichts einer Person, das auf den Fotos aufgrund dort stets gleichbleibender Größe als stets gleichbleibend entfernt wahrgenommen wird, ist uns aus der Alltagserfahrung jedoch nicht vertraut und wird daher eher als grotesk erlebt als sich alleine aufgrund einer Änderung der Distanz zu einer Person ergebenden Veränderungen der von uns wahrgenommenen Proportionen ihres Gesichts.

Die Animation demonstriert also, wie entscheidend es für die subjektive Wahrnehmung der auf einem Foto abgebildeten Proportionen als uns aus dem Alltag vertraute Proportionen ist, dass der Sehwinkel bei der Betrachtung eines Fotos möglichst weitgehend mit dem Bildwinkel bei der Aufnahme dieses Fotos übereinstimmt.

Denn umso kleiner der Sehwinkel bei der Betrachtung im Vergleich zum Bildwinkel bei der Aufnahme ist, umso mehr nehmen mir die auf dem Foto abgebildeten Proportionen als gegenüber den uns gewohnten Proportionen in ihrer räumlichen Tiefe verlängert wahr. Und umso größer der Sehwinkel bei der Betrachtung im Vergleich zum Bildwinkel bei der Aufnahme ist, umso mehr nehmen wir die auf dem Foto abgebildeten Proportionen als gegenüber den uns gewohnten Proportionen in ihrer räumlichen Tiefe verkürzt wahr.

Die in der Animation zu beobachtende visuelle Wirkung einer Kombination von stets gleichem Sehwinkel des Betrachters mit einer Änderung von Standort und Bildwinkel entspricht übrigens vom Grundsatz her der beim Film per Dolly-Zoom (Vertigo etc.) erzielten visuellen Wirkung auf den Kinobesucher, dessen Sehwinkel ja während einer Vorstellung ebenfalls stets gleich bleibt:

https://www.youtube.com/watch?v=Amj6RiGiTOE
 
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Hallo,

ich würde hier gerne einige Beispiele aus meinem Fundus einstellen, aber gerade bei den Bildern die den Effekt zeigen gehe ich mit relativ hoher Sicherheit davon aus, dass die abgebildeten Personen das nicht wollen.

Nach meiner Einschätzung (und praktischer Erfahrung) ist das menschliche Auge (incl. der nachgeschalteten Bildverarbeitung) extrem sensibel, wenn es um Proportionen geht. Ich vermute, das dies ein wichtiger Baustein war und ist, den die Spezies Mensch überleben lies.

Ich denke, es ist primär relevant nicht die Kausalkette: "Sehwinkel => bekannte Proportion => subjektive Wahrnehmung", sondern "Proportion => Wahrnehmung => subjektive Interpretation". Deshalb empfindet man Disproportionen dann umso schneller bzw. dramatischer, je bekannter die abgebildete Person dem Betrachter ist bzw. je klarer er eine bestimmte Proportion erwartet. Ganz häufig ist die abgebildete Person mit sich selbst unzufrieden ... nicht nur weil sie grundsätzlich mit ihren Proportionen unzufrieden ist, sondern weil sie Disproportionen an sich selbst tatsächlich einfacher erkennt.

Es ist gut möglich, das Disproportionen tatsächlich bewusst erst spät (z. B. bei moderaten WW-Aufnahmen) erkannt werden, die unbewusste Erkennung setzt aber schon früher an und manchmal "stimmt mit dem Bild irgend was nicht", ohne dass man sagen könnte was es ist. Dabei handelt es sich nicht um eine Verlängerung von Körperteilen in den Raum Richtung Hintergrund, sondern (a) um eine Vergrößerung von Gesichtspartien, die nahe am Objektiv sind (z. B. Nase, Stirne, Kinn) bzw. (b) eine Verkleinerung von Körperteilen, die weiter vom Objektiv entfernt sind (z. B. Beine) bzw. in Kombination von Beiden die ungünstige Veränderung des Verhältnis von Rumpfhöhe zu seiner Breite. Leider werden alle diese Veränderungen bekannter Proportionen durch den großen Bildwinkel als negativ und nicht schmeichelnd empfunden

Alle diese Effekte werden (insbesondere von weiblichen Modellen ... wenn das Bild "schön" werden soll ... was immer das ist) sehr schnell und sehr differenziert erkannt. Die Berücksichtigung dieses Zusammenhangs (das ich bislang eigentlich als das kleine Einmaleins der Fotografie gesehen habe) ist ein wichtiger Baustein, mit dem man sich aus der Masse der schlechten Fotografen abheben kann. Wer beispielsweise hin und wieder mit dem 14-24er Objektiv Personen (oder noch schlimmer: Personengruppen) fotografiert, dem kann ich nur wärmstens ans Herz legen, sich mit der Thematik auseinander zu setzen.

Ciao
HaPe
 
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Ich finde es nett gemacht, das gif. Zeigt, was es
zeigen soll, wobei ich dem Bub noch die Kapuze
runter genommen hätte, damit man auch sieht,
wie mit kürzer werdender Brennweite wirklich
die Ohren hinter dem Kopf verschwinden.

Viel erstaunlicher als das gif (und was es zeigt)
finde ich aber, wie viel Text manch Einem hier
so ein vergleichsweise banales, aber nett gemachtes
Beispiel wert ist.
:fahne:




 
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... Veränderungen bekannter Proportionen durch den großen Bildwinkel ...

Veränderungen der auf einem Foto per Zentralprojektion abgebildeten Proportionen gegenüber dem vom Aufnahmestandort aus mit bloßem Auge gesehenen Poportionen des jeweiligen Motivs werden nur dann durch einen "großen Bildwinkel" verursacht, wenn der diagonale Sehwinkel bei der Betrachtung des Fotos ein anderer ist als der diagonale Bildwinkel bei der Aufnahme.

Denn die aus einer zentralperspektivischen Abbildung eines Motivs durch ein Objektiv resultierenden Proportionen resultieren ausnahmslos und ausschließlich aus dem jeweiligen Standort der Eintrittspupille des jeweiligen Objektivs und nicht aus dem jeweiligen Bildwinkel des Objektivs. Dies lässt sich vielleicht mittels des folgenden „Gedankenexperiments“ beispielhaft veranschaulichen:
  • Man stellt ein Ikonometer auf einen solchen großen Bildwinkel ein und wählt mittels dieses so eingestellten Ikonometers den Standort für die Aufnahme eines Fotos.
  • Dann positioniert man die Eintrittspupille eines Objektivs mit diesem großen Bildwinkel in etwa dort, wo bei der Standortwahl mit bloßem Auge der Diopter des Ikonometers positioniert war und fertigt eine Fotografie an.
  • Dann montiert man ein transparente Ausgabe dieser Fotografie, auf welcher trotz ihrer Transparenz zumindest die Proportionen der fotografischen Abbildung ausreichend deutlich erkennbar sind, im Rahmen des Ikonometers.
  • Dann blickt man durch den Diopter des Ikonometers und die in dessen Rahmen montierte transparente Ausgabe der Fotografie auf das Motiv.
  • Ergebnis: Die auf der im Rahmen des Ikonometers montierten transparenten Ausgabe der Fotografie bei Betrachtung durch den Diopter sichtbaren Proportionen stimmen mit den in diesem Rahmen mit bloßem Auge sichtbaren Proportionen des Motivs überein.
Wenn also die auf den mit formatbezogen sehr kurzen Brennweiten aufgenommenen Fotos wahrgenommenen Verzerrungen der Proportionen nicht alleine durch die kurze Brennweite = großen Bildwinkel verursacht sein können, dann müssen sie also eine andere Ursache haben. Und diese ist auch spätestens seit der Renaissance bekannt:

Es ist unwahrscheinlich, dass beim Betrachten eines Bildes das Auge genau im Augpunkt der Zentralprojektion positioniert wird. Das bedeutet, der Betrachter kann in der Regel Teile der Szene wahrnehmen, die außerhalb des Sehkreises liegen und deshalb verzerrt erscheinen (siehe Beispiel Häuserreihe). Um dies zu vermeiden, kann man entweder alle Objekte bzw. Objekteile, die außerhalb des Sehkreises liegen weglassen (ausblenden), oder man verändert den Augpunkt und den Hauptpunkt so, dass die ganze Szene innerhalb des Sehkegels und damit das Bild innerhalb des Sekreises liegen. Im Beispiel der Häuserreihe wurde bei fester Bildtafel und festem Hauptpunkt der Augpunkt durch Vergrößerung der Distanz verändert. (Zwei Bilder dazu: https://de.wikipedia.org/wiki/Sehkreis#/media/File:Dorf-sdk.svg)

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Sehkreis

Übertragen auf die Zentralprojektion per Betätigung des Auslösers in der Fotografie:

Wer – warum auch immer – auf als „natürlich“ (im Sinne von: wie mit dem bloßen Auge) wahrgenommene Proportionen wert legt, jedoch nicht völlig sicher weiß, dass seine Super-Weitwinkel-Aufnahmen später auch vom Augpunkt aus unter dem entsprechenden super-weiten Sehwinkel betrachtet werden, der beschränke sich möglichst auf diagonale Bildwinkel < 60°, in jedem Fall aber < 90° (Distanzkreis).

Man kann das Resultat einer Mißachtung dieses Rats zum Beispiel an dem nachstehend verlinkten Kupferstich von Dürer studieren, dessen Hauptpunkt auf dem mittig verlaufenden Horizont nahe am rechten Bildrand liegt und dessen gesamte linke Seite nahezu völlig außerhalb des Sehkreises liegt und dessen linker Rand sogar außerhalb des Distanzkreises liegt: https://de.wikipedia.org/wiki/Der_h...us#/media/File:Dürer-Hieronymus-im-Gehäus.jpg

Als Resultat ergeben sich daher bei Betrachtung aus einer im Vergleich zur Distanz der Projektion zu großen Distanz der Betrachtung und bei einem Augpunkt, der nicht lotrecht auf dem am rechten Bildrand befindlichen Hauptpunkt steht, am linken Rand perspektivische Verzerrungen.
 
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Hi Pesch,

mein zentrales Problem ist, dass ich nicht wirklich verstanden habe, welcher meiner Ausführungen genau Du nicht zustimmen kannst.

Denn die aus einer zentralperspektivischen Abbildung eines Motivs durch ein Objektiv resultierenden Proportionen resultieren ausnahmslos und ausschließlich aus dem jeweiligen Standort der Eintrittspupille des jeweiligen Objektivs und nicht aus dem jeweiligen Bildwinkel des Objektivs. Dies lässt sich vielleicht mittels des folgenden „Gedankenexperiments“ beispielhaft veranschaulichen:

Das Experiment versuche ich zu verstehen, wenn ich mal Zeit dazu habe. Die Diskrepanz fängt aber schon mit der Einleitung an. Abbildung (-smaßstab), Motivabstand (=> Standort) und Bildwinkel (=> Brennweite) gehören eng zusammen. Man kann nicht eines dieser drei Elemente ändern ohne ein anderes zu beeinflussen. Das ist so ähnlich wie Bildbreite in mm, Bildbreite in Pixel und DPI. Wenn Du den Standort der Eintrittspupille veränderst, dann muss sich bei gleichem ABM automatisch auch der Bildwinkel verändern. Insofern ist es egal ob man das eine oder das andere benennt um den gleichen Vorgang zu beschreiben.

Viel wichtiger scheint mir aber folgendes zu sein. Bei gegebenem Wunsch-ABM und großem Motivabstand (= kleiner Bildwinkel) haben kleine Variationen des Motivabstands (z. B. von Nasenspitze zum Ohrläppchen) eine geringere Auswirkung als bei kleinem Motivabstand (= großem Bildwinkel), Dies ist so, weil sich (bei großen Brennweiten) der ABM näherungsweise linear mit dem Bildwinkel verändert, bei kürzeren Brennweiten aber nicht mehr, sondern näherungsweise mit dessen Kehrwert. Kleine absolute Änderungen bewirken dann eine große relative Änderungen. Und nur diese sind bei der Zentralperspektive für verzerrt dargestellte Proportionen interessant.

Die Gemeinschaft der Fotografen hat sich irgend wann mal dazu entschieden, dass man bei Portraits mit 85 mm auf der sicheren Seite ist und man bei 24 mm Gefahr läuft, Kunden zu verlieren. Implizit wissen die meisten Fotografen aufgrund ihrer Erfahrung, dass sie bei 85 mm einen Schritt weiter zurück gehen müssen als bei 24 mm um das Motiv formatfüllend abzubilden. Mir geht es um nichts anderes. Ich habe immer noch nicht wirklich verstanden, ob Du tatsächlich den Sinn der Portrait-Brennweite infrage stellst oder nicht. Ein kurzes Statement (z. B. "ja" oder "nein") ohne Gedankenexperimente und Verlinkung der Encyclopædia Britannica würde die Diskussion deutlich abkürzen.

Ciao
HaPe
 
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Und nur diese sind bei der Zentralperspektive für verzerrt dargestellte Proportionen interessant.

In der Fotografie werden Proportionen von zentralperspektivisch abbildenden Objektiven ganz grudsätzlich nicht verzerrt abgebildet, sondern - sofern die Konstrukteure des jeweiligen Objekivs bei der Korrektur der Verzeichnung bei Sinnen waren - stets korrekt, also so, wie es den bei einer zentralperspektivischen Projektion geltenen geometrischen Gesetzmäßigkeiten entspricht.

Von dieser insofern bei jedem beliebigen Bildwinkel und aus jeder beliebigen Entfernung stets verzerrungsfreien Projektion der Poportionen des Motivs auf die Bildebene ist zu unterscheiden die Wahrnehmung des Ergebnisses dieser Projektion durch den Betrachter.

Denn wenn der Betrachter das Ergebnis der vom Objektiv bewirkten zentralperspektivischen Projektion der Proportionen des Motivs auf die Bildebene

a) nicht aus dem Augpunkt dieser zentralperspektivischen Projektion (Fotografie: Eintrittspupille des Objektivs) betrachtet

und zudem

b) die Diagonale des betrachteten Bildes nicht innerhalb des Sehkreises liegt,

dann werden die von jedwedem zentralprojektiv abbildenden Objektiv völlig korrekt und unverzerrt in die Bildebene projizierten Proportionen vom Betrachter als "verzerrt" gesehen (im Unterschied zu: vom Objektiv verzerrt abgebildet). Und dies umso mehr, je mehr sein Augpunkt bei der Betrachtung vom Augpunkt der Projektion (Eintrittspupille) abweicht und je mehr die betrachtete Abbildung über den Rand des Sehkreises hinausragt.

Diese Unterscheidung zwischen einer völlig unverzerrten zentalperspektivischen Projektion bei der Abbildung des Motivs in der Bildebene und den sich unter den vorstehend unter a) und b) erläuterten Bedingungen einstellenden Verzerrungen der Proportionen bei der Betrachtung des Projektionsergebnisses lässt Deine aus meiner Sicht irrige Auffasung außer Acht:

Die auf Fotos gegebenenfalls wahrgenommenen Verzerrungen der mit dem bloßen Auge wahrgenommenen Proportionen entstehen also nie und unter keinen Umständen (Bildwinkel, ABM, Brennweite, Entfernung etc.) bereits bei der Abbildung des Motivs, sondern stets erst bei der Betrachtung der Abbildung von einem Augpunkt aus, welcher vom Augpunkt der das Motiv abbildenden zentralperspektivischen Projektion abweicht.

Das muss man mir selbstverständlich auch gar nicht glauben, da man dies auch in jedem seit etwa Mitte des 15. Jahrhunderts veröffentlichten Standardwerk zum Thema "Perspektivische Darstellungen und ihre Betrachtung" ausführlicher erläutert finden wird als hier aus meiner Sicht angemessen wäre. Bei Interesse verlinke ich hier auch gerne entsprechende Literatur.

Man kann aber bei Interesse natürlich auch selbst eine Suchmaschine mit Stichworten wie "Sehkreis, Distanzkreis, perspektivische Verzerrungen" etc. füttern und dann zur Kenntnis nehmen, was die Fachwelt in Sachen Perspektive zu diesem Thema so schreibt.

... dass man bei Portraits mit 85 mm auf der sicheren Seite ist und man bei 24 mm Gefahr läuft, Kunden zu verlieren ...

... wussten bereits Leonardo und Dürer etc., da sie verstanden hatten, dass es bei unbekanntem späteren Betrachtungswinkel ratsam ist, die Distanz zwischen Augpunkt und Hauptpunkt der zentralperspektivischen Projektion (und zwar nicht nur der von Mona Lisa) so zu bemessen, dass das Projektionsergebnis - also in der Fotografie das jeweilige Foto - möglichst in den Sehkreis passt: https://de.wikipedia.org/wiki/Zentralprojektion#/media/File:Zentralp-def.svg

Ausnahmen bestätigen - wie immer - die Regel :) : http://platonphoto.com/gallery/portraits/music/adele/
 
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Hi,

nachdem wir mal wieder erwartungsgemäß den maximalen Unfugslevel in Rekordzeit erreicht haben, greift nun wieder meine andere Überlegung, womit ich mit meiner wertvollen Rest-Lebenszeit umgehen will.

In der Fotografie werden Proportionen [...] nie verzerrt dargestellt, [...]
Damit zumindest nicht.

Ciao
HaPe
 
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... nachdem wir mal wieder erwartungsgemäß den maximalen Unfugslevel in Rekordzeit erreicht haben ...

Bitte entschuldige meine von Dir zitierte missverständliche Ausdrucksweise. Selbstvertsändlich meinte ich "darstellen" im Sinne von "optisch abbilden" - so wie inzwischen auch von mir korrigiert:

Korrekt hätte die von Dir zitierte Stelle also lauten müssen:

In der Fotografie werden Proportionen von zentralperspektivisch abbildenden Objektiven ganz grundsätzlich nicht verzerrt abgebildet, sondern - sofern die Konstrukteure des jeweiligen Objekivs bei der Korrektur der Verzeichnung bei Sinnen waren - stets korrekt, also so, wie es den bei einer zentralperspektivischen Projektion geltenen geometrischen Gesetzmäßigkeiten entspricht.

Dass manche Fotos über den Sehkreis hinausragen und daher gegebenfalls vom Betrachter als "verzerrt" wahrgenommen werden (im Unterschied zu: vom Objektiv verzerrt abgebildet werden), ist selbstverständlich unbestritten. Dies ist ja gerade der Grund für den Rat der Fachwelt in Sachen Perspektive, die Distanz zwischen Augpunkt und Hauptpunkt (auch) einer Fotografie bei unbekannten Augpunkten und Sehwinkeln der späteren Betrachter so zu bemessen, dass die Fotografie möglichst in den Sehkreis passt, was in der Fotografie bei diagonalen Bildwinkeln < ca. 60° der Fall ist.

Die Begriffe "korrekt" und "unverzerrt" etc. "abgebildet" gebrauche ich also nicht in einem ästhetischen oder wertenden Sinne, also im Sinne von zum Beispiel "schön", "schmeichelhaft", "angemessen" etc., sondern in dem rein sachlichen Sinne von "so abgebildet, wie es nun einmal den für eine Zentralprojektion geltenden Gesetzmäßigkeiten der Geometrie entspricht".

Und die Abbildung der Gegenstandsebene in die Bildebene entspricht nun einmal (mit Ausnahme der durch Fischaugen-Objektive) bei allen in der Fotografie üblicherweise verwendeten Objektiven den für eine Zentralprojektion geltenden Gesetzmäßigkeiten der Geometrie, also bei einer Brennweite von 14 mm ebenso wie bei einer Brennweite von 800 mm.

Wenn also einem Betrachter das Ergebnis einer zentralprojektiven fotografischen Abbildung eines dreidimensionalen Motivs durch eine formatbezogen kurze Brennweite - warum und in welchen Hinsichten auch immer - missfallen sollte, so liegt dies also nicht etwa daran, dass eine kurze Brennweite bei der Abbildung des Motivs irgendwie gegen die Gesätzmäßigkeiten der Zentralprojektion verstoßen würde, sondern daran, dass der Versuch, die räumliche Wahrnehmung des dreidimensionalen Gegenstandsraums durch unser visuelles System mit den Mitteln der Zentralprojektion "nachzubilden", offensichtlich nur näherungsweise und unter bestimmten Bedingungen gelingt.

Und zu diesen Bedingungen gehört es aufgrund der seit der Renaissance mit dieser "Nachbildung" der visuellen Wahrnehmung per Zentralprojektion gewonenen Erfahrungen zum Beispiel, dass man bei der Anfertigung von per Zentralprojektion erzeugten bildlichen Darstellungen die Distanz nicht zu kurz wählt, weil die Darstellung dann bei ihrer Betrachtung gegebenenfalls nicht mehr in den Sehkreis passt, und die Nachbildung unserer visuellen Wahrnehmung per Zentralprojektion dann gegebenenfalls in dem Sinne scheitert, dass der Betrachter die per Zentralprojektion erzielte zweidimensionale bildliche Darstellung als mehr oder weniger realitätsfern wahrnimmt.

In diesem Sinne demonstriert also die in Beitrag #01 verlinkte Animation, dass die "Nachbildung" der visuellen Wahrnehmung unserer dreidimensionalen Umwelt mit den Mitteln der Zentralprojektion ihre Grenzen hat - zum Beispiel die des Sehkreises - und es daher ratsam ist, dass man sich beim Einsatz dieses Mittels in der Malerei, der darstellenden Geometrie, der Computergrafik und der Fotografie etc. dieser Grenzen bewusst bleibt und sie nicht versehentlich überschreitet.

Diese Grenzen - zum Beispiel die des Sehkreises - jedoch absichtsvoll zu überschreiten, ist ein aus meiner Sicht überaus mächtiges gestalterisches Mittel, das daher bekanntlich auch in der Fotografie wirkungsvoll eingesetzt werden kann und wird.
 
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