... nachdem wir mal wieder erwartungsgemäß den maximalen Unfugslevel in Rekordzeit erreicht haben ...
Bitte entschuldige meine von Dir zitierte missverständliche Ausdrucksweise. Selbstvertsändlich meinte ich "darstellen" im Sinne von "optisch abbilden" - so wie inzwischen auch von mir korrigiert:
Korrekt hätte die von Dir zitierte Stelle also lauten müssen:
In der Fotografie werden Proportionen von zentralperspektivisch abbildenden Objektiven ganz grundsätzlich nicht verzerrt abgebildet, sondern - sofern die Konstrukteure des jeweiligen Objekivs bei der Korrektur der Verzeichnung bei Sinnen waren - stets korrekt, also so, wie es den bei einer zentralperspektivischen Projektion geltenen geometrischen Gesetzmäßigkeiten entspricht.
Dass manche Fotos über den Sehkreis hinausragen und daher gegebenfalls vom Betrachter als "verzerrt" wahrgenommen werden (im Unterschied zu: vom Objektiv verzerrt abgebildet werden), ist selbstverständlich unbestritten. Dies ist ja gerade der Grund für den Rat der Fachwelt in Sachen Perspektive, die Distanz zwischen
Augpunkt und Hauptpunkt (auch) einer Fotografie bei unbekannten Augpunkten und Sehwinkeln der späteren Betrachter so zu bemessen, dass die Fotografie möglichst in den
Sehkreis passt, was in der Fotografie bei diagonalen Bildwinkeln < ca. 60° der Fall ist.
Die Begriffe "korrekt" und "unverzerrt" etc. "abgebildet" gebrauche ich also nicht in einem ästhetischen oder wertenden Sinne, also im Sinne von zum Beispiel "schön", "schmeichelhaft", "angemessen" etc., sondern in dem rein sachlichen Sinne von "so abgebildet, wie es nun einmal den für eine Zentralprojektion geltenden Gesetzmäßigkeiten der Geometrie entspricht".
Und die Abbildung der Gegenstandsebene in die Bildebene entspricht nun einmal (mit Ausnahme der durch Fischaugen-Objektive) bei allen in der Fotografie üblicherweise verwendeten Objektiven den für eine Zentralprojektion geltenden Gesetzmäßigkeiten der Geometrie, also bei einer Brennweite von 14 mm ebenso wie bei einer Brennweite von 800 mm.
Wenn also einem Betrachter das Ergebnis einer zentralprojektiven fotografischen Abbildung eines dreidimensionalen Motivs durch eine formatbezogen kurze Brennweite - warum und in welchen Hinsichten auch immer - missfallen sollte, so liegt dies also nicht etwa daran, dass eine kurze Brennweite bei der Abbildung des Motivs irgendwie gegen die Gesätzmäßigkeiten der Zentralprojektion verstoßen würde, sondern daran, dass der Versuch, die räumliche Wahrnehmung des dreidimensionalen Gegenstandsraums durch unser visuelles System mit den Mitteln der Zentralprojektion "nachzubilden", offensichtlich nur näherungsweise und unter bestimmten Bedingungen gelingt.
Und zu diesen Bedingungen gehört es aufgrund der seit der Renaissance mit dieser "Nachbildung" der visuellen Wahrnehmung per Zentralprojektion gewonenen Erfahrungen zum Beispiel, dass man bei der Anfertigung von per Zentralprojektion erzeugten bildlichen Darstellungen die
Distanz nicht zu kurz wählt, weil die Darstellung dann bei ihrer Betrachtung gegebenenfalls nicht mehr in den
Sehkreis passt, und die Nachbildung unserer visuellen Wahrnehmung per Zentralprojektion dann gegebenenfalls in dem Sinne scheitert, dass der Betrachter die per Zentralprojektion erzielte zweidimensionale bildliche Darstellung als mehr oder weniger realitätsfern wahrnimmt.
In diesem Sinne demonstriert also die in Beitrag #01 verlinkte Animation, dass die "Nachbildung" der visuellen Wahrnehmung unserer dreidimensionalen Umwelt mit den Mitteln der Zentralprojektion ihre Grenzen hat - zum Beispiel die des Sehkreises - und es daher ratsam ist, dass man sich beim Einsatz dieses Mittels in der Malerei, der darstellenden Geometrie, der Computergrafik und der Fotografie etc. dieser Grenzen bewusst bleibt und sie nicht versehentlich überschreitet.
Diese Grenzen - zum Beispiel die des Sehkreises - jedoch absichtsvoll zu überschreiten, ist ein aus meiner Sicht überaus mächtiges gestalterisches Mittel, das daher bekanntlich auch in der Fotografie wirkungsvoll eingesetzt werden kann und wird.