Geile Fotografie: 1/8 Sekunde - Familiar Strangers

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1/8 sec. / Vertraute Fremde: Familiar Strangers: 1/8 Sec
(Gebundene Ausgabe)


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Es sind große, manchmal sogar überlebensgroße Schwarz-Weiß-Fotos. Sie zeigen Schauspieler, Musiker, Regisseure. Interpreten und Macher. Das Personal der Berliner Republik. Die Schauspielerin und Sängerin Jana Pallaske schaut dem Betrachter mitten ins Gesicht. Auf ihrer Nase sind die Poren zu erkennen, winzige Sommersprossen und feine Härchen. Es braucht Mut, sich so fotografieren zu lassen. Mut und Vertrauen. Und vielleicht einen Fotografen wie Jim Rakete, der so unprätentiös auftritt, der seine Modelle nicht inszeniert, sondern ihnen Raum gibt, sich selbst darzustellen und dabei das Klischee womöglich noch zu toppen.

Walter Steinmeier, Henry Hübchen, Natalia Wörner, Jürgen Vogel, Volker Schlöndorff, Katharina Thalbach, Jens Bisky... Sie alle hat Rakete mit einer alten Linhof Plattenkamera fotografiert. Wichtigste Bedingung: Die Porträtierten mussten stillhalten, mindestens eine Achtelsekunde, manche - wie Mario Adorf - auch bis zu zwei Sekunden.

Eine Achtelsekunde, das ist nach den heutigen Maßstäben der Digital-Fotografie eine Ewigkeit. Doch Rakete ist es gelungen, auf seinen Fotos, die zurzeit im Filmmuseum in Frankfurt am Main zu sehen sind, die Zeit für einen Moment anzuhalten. Nicht alle haben sich dem Fotografen so ungeschminkt präsentiert wie Martina Gedeck, Jana Pallaske oder Johanna Wokalek. Alexandra Neldel scheint sich, des Fatsuits von Lisa Plenske entledigt, nicht mehr ohne Styling vor die Kamera zu wagen. Birgit Minichmayr hingegen kauert sich ganz ungraziös auf einen alten Holztisch, als wisse sie nicht wohin mit ihrer Energie. Christian Berkel und Dominique Horwitz posieren zu zweit und sehen aus wie zwei alte Kumpels, die sich schon in der zweiten Klasse zusammen vom Schulfotografen ablichten ließen und zwischendurch Faxen machten.

Das Buch "1/8 Sekunde ? Vertraute Fremde", für das Rakete im vergangenen Jahr das Personal der Berliner Republik fotografierte, ist auch eine Ode an die analoge Fotografie. Oder sollte man besser sagen ein Requiem? Er gehöre zu "den Letzten unter den Kollegen, die unter mitleidigem Staunen ihre Filme aus den Leicas herausdrehen", schreibt Rakete im Vorwort zu dem Buch, "während die anderen auf den kleinen Bildschirm ihrer Digicams die Beute sortieren". In ein paar Jahren, fürchtet der Fotograf, wird es keine Negative für die gute alte Linhof mehr geben. Und keine Möglichkeit mehr, die Zeit zum Stillstand zu bringen, den magischen Augenblick auf ein Negativ zu bannen.

Auf die Frage, was für ihn der entscheidende Unterschied zwischen analoger und digitaler Fotografie ist, sagt Rakete: "Es gibt kein Original mehr." Es gebe nur noch einen Haufen Pixel, die am Computer nach Belieben geordnet und verändert würden. "Digitale Fotografie ist Nachbearbeitung." Und damit stehen die Tore für Fälschungen weit offen.

Die Fotos von Jim Rakete, das seien die Konserven, die von ihr und den anderen übrig blieben, sagt Katharina Thalbach in dem Film, den Claudia Müller über Jim Rakete drehte. Der Fotograf weiß um seine Verantwortung für diese Konserven. Deswegen macht er auch keine Bilder, um Menschen zu entlarven. Er lauert nicht auf die Grimasse, die das Gesicht entstellt, er will den Fotografierten die Chance geben, sich so darzustellen, wie sie sich selbst gerne sehen möchten. Und fängt dabei immer noch ein bisschen mehr ein.

Die meisten Fotos entstanden vor einem schmucklosen grauen Hintergrund, unverputzten Wänden oder an Orten in Berlin, die besonders unwirtlich wirken. Egal, der Hintergrund verwischt eh bei dieser geringen Tiefenschärfe. Es geht um die paar Zentimeter, die auf dem Bild nachher scharf sein werden. Die Konzentration, die bei der Arbeit geherrscht haben muss, überträgt sich auf den Betrachter.

Er leide unter den Beschränkungen, die die Kamera ihm auferlegt, sagt Rakete. Dass er keinen Schwenk machen kann wie im Film und keinen Gegenschnitt. "Man hat nur die Oberfläche, will aber in die Tiefe." Umso besser gelingt es ihm, in der Achtelsekunde das auf Film zu bannen, was andere mit tausend Schwenks und Schnitten nicht zeigen können. Er sagt, dass er im Moment des Fotografierens nie weiß, ob es ihm wirklich gelungen ist, den entscheidenden Augenblick festzuhalten. Bis heute ist er aufgeregt, wenn er in die Dunkelkammer geht - und es ist Ehrensache, dass er seine Filme selbst entwickelt und vergrößert -, wo sich entscheidet, ob ein Bild etwas geworden ist oder nicht. Gelungen ist ihm ein beeindruckender Bilderbogen jener Persönlichkeiten, die die Berliner Republik geprägt haben.


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