Freistellungspotential nur abhängig von der absoluten Blendenöffnung?

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Burkard

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Liebe Leute,

nach vielen Kopfportraits mit 50/1,4 und 70-200/2,8 beschleicht mich der Verdacht, dass beim selben Bildausschnitt (z.B. Kopfportrait) die Freistellung vom Hintergrund nicht von der Blende, sondern von der absoluten Blendenöffnung abhängt. Das 50/1,4 hat bei Offenblende 36mm und das 70-200/2,8 hat bei 200mm und Offenblende 71mm effektive Blendenöffnung. Und so in etwa verhält sich die gefühlte Freistellung. So gesehen wäre also mit dem Ziel maximaler Freistellung die längere Brennweite die bessere.

Kann das sein? Kann mir mal bitte jemand den korrekten Zusammenhang erläutern?

Danke im voraus
Burkard
 
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Anyway: Laß mich raten, Du machst diese Feststellung nicht bei Portraits im Studio vor neutralem Hintergrund, sondern 'draußen', wo es tatsächlich irgendetwas im Hintergrund gibt?

Ja, so ist es. Bei monochromem Studiohintergrund ist's wohl eher egal, solange die Schärfentiefe grob von der Pupille bis zur Wimpernspitze reicht.

Burkard
 
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Hallo Burkhard,

wir sind uns einig, dass man unter "Freistellung" das Maß der Unschärfe im Defokussierten Bereich versteht? Das wäre mal die Grundvoraussetzung.

Aber was ist das Maß der Unschärfe? Wenn man die übliche Betrachtung mal umdreht, dann wird ein punktförmiges Motiv auf dem vorderen bzw. hinteren Ende des Schärfentiefe auf dem Sensor als Scheibchen abgebildet, das gerade den Durchmesser unser gewählter Zerstreungskreises hat. Soweit noch okay? Ein gängiges Maß für die Unschärfe ist damit der Faktor, mit dem man den erlaubten Zerstreuungskreis multiplizieren muss, um das vorgefundene Unschärfescheibchen zu erhalten. Wenn also (nur als Zahlenwert) der erlaubte Zerstreuungskreis 1 mm ist, ein vorgefundenes Unschärfescheibchen 5 mm hat, dann hat die Unschärfe in diesem Punkt den dimensionslosen Wert 5. Okay?

Das 50/1,4 hat bei Offenblende 36mm und das 70-200/2,8 hat bei 200mm und Offenblende 71mm effektive Blendenöffnung. Und so in etwa verhält sich die gefühlte Freistellung.
Um komplette Übereinstimmung der Unschärfen in allen Abständen zu erhalten, müssen also alle Unschärfefaktoren in allen Entfernungen übereinstimmen.

Bei Deinem Beispiel mit dem 50/1,4@1,4 und dem 70-200/2,8@2,8 ist das aber lt. cBlur aber bei 70 mm und nicht bei 200 mm :eek:

Was aber dabei noch nicht berücksichtigt ist: Mit der größeren Brennweite muss sich Dein komplettes Setup ändern. Der Abstand zwischen Kamera und Motiv muss größer werden, damit das Motiv gleich groß abgebildet wird. Entweder gehst Du mit der Kamera zurück, oder das Model geht in Richtung Hintergrund. In beiden Fällen wird das Ergebnis nicht das Gleiche sein, weil mit gleichen Motivabständen (=> Fokussierung), aber unterschiedlichen Hintergrundabständen (=> Unschärfescheibe) gearbeitet wird.

In Summe würde ich also sagen: Die Freistellung auf die effektive Blende zu reduzieren, wird es alleine wohl nicht sein. Sorry.
 
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Guten Morgen Hans-Peter,

danke erstmal für Deine ausführliche Erläuterung!

wir sind uns einig, dass man unter "Freistellung" das Maß der Unschärfe im Defokussierten Bereich versteht? Das wäre mal die Grundvoraussetzung.

d' accord

Aber was ist das Maß der Unschärfe? Wenn man die übliche Betrachtung mal umdreht, dann wird ein punktförmiges Motiv auf dem vorderen bzw. hinteren Ende des Schärfentiefe auf dem Sensor als Scheibchen abgebildet, das gerade den Durchmesser unser gewählter Zerstreungskreises hat. Soweit noch okay? Ein gängiges Maß für die Unschärfe ist damit der Faktor, mit dem man den erlaubten Zerstreuungskreis multiplizieren muss, um das vorgefundene Unschärfescheibchen zu erhalten. Wenn also (nur als Zahlenwert) der erlaubte Zerstreuungskreis 1 mm ist, ein vorgefundenes Unschärfescheibchen 5 mm hat, dann hat die Unschärfe in diesem Punkt den dimensionslosen Wert 5. Okay?

Soweit bin ich bei Dir.

Um komplette Übereinstimmung der Unschärfen in allen Abständen zu erhalten, müssen also alle Unschärfefaktoren in allen Entfernungen übereinstimmen.

Welche Faktoren kommen denn zur Größe des Zerstreuungskreises noch dazu? Beugung kann man bei Offenblende doch sicher vernachlässigen.

Bei Deinem Beispiel mit dem 50/1,4@1,4 und dem 70-200/2,8@2,8 ist das aber lt. cBlur aber bei 70 mm und nicht bei 200 mm :eek:

:nixweiss:

Was aber dabei noch nicht berücksichtigt ist: Mit der größeren Brennweite muss sich Dein komplettes Setup ändern. Der Abstand zwischen Kamera und Motiv muss größer werden, damit das Motiv gleich groß abgebildet wird. Entweder gehst Du mit der Kamera zurück, oder das Model geht in Richtung Hintergrund. In beiden Fällen wird das Ergebnis nicht das Gleiche sein, weil mit gleichen Motivabständen (=> Fokussierung), aber unterschiedlichen Hintergrundabständen (=> Unschärfescheibe) gearbeitet wird.

Ja, das ist mir klar: Es wird bedingt durch den Perspektivwechsel ein anderes Bild, wenn ich die Brennweite bei gleichem Motivausschnitt ändere. Mir kommt's darauf an, dem subjektiven Unschärfeeindruck eine brauchbare objektive Maßzahl zur Seite zu stellen.

In Summe würde ich also sagen: Die Freistellung auf die effektive Blende zu reduzieren, wird es alleine wohl nicht sein. Sorry.

Schade!

Danke und Gruß
Burkard
 
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Hallo,

Ja, das ist mir klar: Es wird bedingt durch den Perspektivwechsel ein anderes Bild, wenn ich die Brennweite bei gleichem Motivausschnitt ändere. Mir kommt's darauf an, dem subjektiven Unschärfeeindruck eine brauchbare objektive Maßzahl zur Seite zuie stellen.
die objektive Maßzahl wäre der oben genannte dimensionslose Faktor (= Vielfaches des zulässigen Zerstreuungskreises). Hier mal ein Screenshot aus cBlur, den ich gestern dann doch nicht mehr zeigen wollte.

50vs85mm.jpg

Zu sehen ist die eben jener Unschärfefaktor, aufgetragen über die Entfernung vom Fotografen. Je höher der Wert ist, desto größer ist der Freistellungseffekt. Angenommen wurden 50mm @ Blende 1,4 und 85mm [MENTION=9720]Blende[/MENTION] 2,8 bei jeweils 3 Meter Motivabstand. Der farbige Balken in der Mitte entspricht der Schärfentiefe bei dem gewählten erlaubten Zerstreuungskreis. Das hat jetzt nicht wirklich was mit Deinem Beispiel zu tun, weil das nicht Deinen 200mm Brennweite sind und weil wir die Situation korrekterweise bei unterschiedlichen Motivabständen betrachten müssen.

Was man aber sieht ist, dass wenn (!) wir unterschiedliche Motivabstände hätten, dann könnten die beiden Kurven nie deckungsgleich werden. Insofern kann die Unschärfe (egal ob gefühlt oder objektiv) in Deinem Beispiel zufällig passen (wenn sich die beiden Kurven zufällig schneiden oder wenn sie hinreichend nahe zusammen sind), als allgemeingültiges Postulat kann man das aber IMO nicht stehen lassen.

Mach´ doch mal ein konkretes Zahlenbeispiel (Brennweite, Arbeitsblende, Motivabstand, Hintergrundabstand) und zwar je zweimal für den Vergleich der beiden Setups und ich kann die Situation in cBlur einstellen und die Kurven hochladen.

Ciao
HaPe
 
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Mach´ doch mal ein konkretes Zahlenbeispiel (Brennweite, Arbeitsblende, Motivabstand, Hintergrundabstand) und zwar je zweimal für den Vergleich der beiden Setups und ich kann die Situation in cBlur einstellen und die Kurven hochladen.

Ciao
HaPe

Gute Idee! Konkret:
  • Brennweite: 50mm
  • Blende: 1,4
  • Motivabstand: 2m
  • Abstand Motiv-Hintergrund: 10m.

Und jetzt die Alternative (gleicher Bildausschnitt):
  • Brennweite: 200mm
  • Blende: 2,8
  • Motivabstand: 8m
  • Abstand Motiv-Hintergrund: 10m.

Danke im Voraus!
Burkard
 
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...gleicher Bildausschnitt...

Burkard, Du darfst eines nicht vergessen (und das zeigen die Bilder im verlinkten Thread ja auch): Du kommst in deinem Beispiel zwar auf ein gleich großes Hauptmotiv, der 'Bildausschnitt' ist aber ein ganz anderer, weil Du nämlich viel weniger Hintergrund im Bild hast.
Und dieses 'weniger an Hintergrund' macht eben sehr viel vom Freistellungspotential eines Teleobjektivs aus.

Gruß
Dirk
 
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Das freistellungspotential ist abhängig vom Abbildungsmassstab und der setzt sich zusammen aus Brennweite, Blende und Abstand zum Motiv.

Um so größer die Brennweite um so größer das Freistellungspotential.
Um so größer die Blende um so größer das Freistellungspotential.
Um so näher ich am Motiv bin um so größer das Freistellungspotential.

Aber erst wenn ich alle drei Faktoren kombiniere, bekomme ich das maximale Freistellungspotential.
 
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Hallo Burkard,

Gute Idee! Konkret:
die Darstellung ist jetzt leicht anders. Den Nullpunkt der Entfernung habe ich vom Fotografen weg nun in die Motivebene gelegt, damit die beiden Schärfetiefen übereinander liegen.

50vs200mm.jpg
Ansonsten sieht man: Mit den gegebenen Werten hättest Du genau 4 Meter hinter dem Motiv die identische Unschärfe. 10 Meter hinter den Motiv hättest Du mit den 200 mm eine um 30% größere Unschärfe ... wobei ich ehrlich gesagt nicht wirklich sagen kann, wie 30% mehr Unschärfe im realen Bild aussehen. Würde der Unterschied 300% oder 500% betragen, wäre es eindeutig. Wenn es doch nur 7 Meter bis zum Hintergrund sind und nicht 10 Meter, dann wäre der Unterschied nur 16% und ... ich lehne mich mal aus dem Fenster und sag´ ... das sieht kein Mensch.

Weiterhin denke ich wie Dirk, dass der andere Abbildungsmaßstab des Hintergrunds sehr viel mehr auf die gefühlte Freistellung wirkt als viele Prozente gemessene Defokusunschärfe.

Ciao
HaPe
 
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Burkard, Du darfst eines nicht vergessen (und das zeigen die Bilder im verlinkten Thread ja auch): Du kommst in deinem Beispiel zwar auf ein gleich großes Hauptmotiv, der 'Bildausschnitt' ist aber ein ganz anderer, weil Du nämlich viel weniger Hintergrund im Bild hast.
Und dieses 'weniger an Hintergrund' macht eben sehr viel vom Freistellungspotential eines Teleobjektivs aus.

Danke für den Hinweis, Dirk! Ist mir schon klar, dass mir trotz gleichen Motivausschnitts eine längere Brennweite einen kleineren Hintergrundausschnitt liefert. Dass das allerdings zum subjektiv deutlicheren Freistellungsempfinden führt, leuchtet mir nicht unmittelbar ein. Klar ist schon, dass dadurch der Hintergrund insgesamt ruhiger wirkt, weil er weniger Details enthält.

Gruß
Burkard
 
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die Darstellung ist jetzt leicht anders. Den Nullpunkt der Entfernung habe ich vom Fotografen weg nun in die Motivebene gelegt, damit die beiden Schärfetiefen übereinander liegen.

Danke für Deine Mühen, Hans-Peter! Deine Darstellung macht mir deutlich, dass es meinen erhofften schönen einfachen Zusammenhang zwischen Blendenöffnung und Freistellungspotential leider nicht gibt. Diese hässlichen Kurven sind einfach nicht linear. Trotzdem gefallen mir meine Portraits mit der längeren Brennweite einfach besser.

Gruß
Burkard
 
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Hallo Burkhard,

Trotzdem gefallen mir meine Portraits mit der längeren Brennweite einfach besser.
das geht mir genauso. Eigentlich hätte das AF-S 85/1,4 meine Portraitlinse werden sollen, aber es wird dann doch immer wieder das AF-S 70-200/2,8 am langen Ende bei Offenblende. Zum einen ist die Festbrennweite eine Diva und zickt manchmal etwas herum, während es bei dem Zoom-Objektiv eigentlich immer passt und zum anderen kann man mit der langen Brennweite immer etwas mehr aus der Distanz agieren.

Ciao
HaPe
 
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Ist mir schon klar, dass mir trotz gleichen Motivausschnitts eine längere Brennweite einen kleineren Hintergrundausschnitt liefert. Dass das allerdings zum subjektiv deutlicheren Freistellungsempfinden führt, leuchtet mir nicht unmittelbar ein.

Ist nicht der erste Satz die Erklärung für den zweiten? ;)

Je weniger Hintergrund im Bild ist, desto weniger kann man das Motiv in der Umgebung verorten.
Und je weniger man das Motiv in eine Beziehung zur Umgebung setzen kann, desto 'freier' wirkt es.

Mal so als Erklärungsversuch, eher aus der Richtung der Gestaltpsychologie denn aus der Physik!

Gruß
Dirk
 
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Je weniger Hintergrund im Bild ist, desto weniger kann man das Motiv in der Umgebung verorten.
Und je weniger man das Motiv in eine Beziehung zur Umgebung setzen kann, desto 'freier' wirkt es.

Hmm, klingt nicht unplausibel. Klar, die maximale Freistellung empfindet man bei einem homogenen Hintergrund. Und weniger Details bei längerer Brennweite sind ein Schritt in Richtung Homogenität. Danke für die Idee!

Gruß
Burkard
 
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Deine Darstellung macht mir deutlich, dass es meinen erhofften schönen einfachen Zusammenhang zwischen Blendenöffnung und Freistellungspotential leider nicht gibt. Diese hässlichen Kurven sind einfach nicht linear.

Doch, den gibt es! Die Kurven sind zwar nicht linear, aber hässlich sind sie nun auch wieder nicht. Sie haben nämlich eine Eigenschaft, die man auf den cBlur-Grafiken nicht wirklich deutlich sieht, wenn man nicht weißt, wo man hingucken muss (kann man aber wissen, denn nur deshalb gibt es eine Hyperfokaldistanz): Sie streben mit großer Entfernung des Hintergrunds gegen einen Grenzwert. Und der bestimmt sich ganz einfach aus dem Abbildungsmaßstab (in der Fokusebene), der Eintrittspupille (was Du "Blendenöffnung" nennst) und dem zulässigen Zerstreuungskreis. Die Größe der Unschärfekreise auf dem Sensor ist nichts anderes als Eintrittspupille*Abbildungsmaßstab. In cBlur wird das dann noch durch den zulässigen Zerstreuungskreis geteilt. In den Rechenbeispielen ist diese Unschärfe in unendlich im 2. Fall tatsächlich doppelt so groß wie im 1. Fall, denn beide haben ja den gleichen Abbildungsmaßstab des Motivs. Aber leider ist da der Hintergrund längst noch nicht weit genug entfernt. Ist er nur in der doppelten Entfernung wie das Motiv, erreicht man nur 50% dieses Werts, in der fünffachen Entfernung schon 80%, in der hundertfachen Entfernung 99% usw.
 
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