Belgien, westwärts gequert

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Beim Silberhof verbindet die 'Brug der Keizerlijke Geneugten' oder Kaiser-Karl-Brücke (entworfen von dem Volkssänger-Bildhauer Walter de Buck) die Umgebung mit dem St. Antoniuskai.

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Im Hof ten Walle (Hof zum Walle), dem späteren Prinzenhof, wurde am 24. Februar 1500 Kaiser Karl V. geboren. Das war übrigens jener Herrscher, der es am Wormser Reichstag 1521 mit Martin Luther zu tun bekam und nicht nach der Pfeife von Papst Leo X. tanzen wollte.

Als letzter Rest der ehemals riesigen kaiserlichen Residenz blieb nur das Nordportal, nun das dunkle Portal (Donkere Poort) genannt. Dort wurde das Standbild vom Strickträger (Stroppendrager) aufgestellt.

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Am Sint-Veerleplein ist der Hauptzugang zum 'Oude Vismijn', dem Alten Fischmarkt von Gent. Am monumentale Eingangsportal aus dem Jahr 1689 steht Neptun mit seinem Dreizack, die Figuren links und rechts der Fenster sind allegorische Darstellungen der beiden Genter Flüsse Schelde und Lieve.

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Gravensteen beim Sint Veerleplein - Die Säule mit dem steinernen Löwen wurde zur Erinnerung an die Weltausstellung 1913 in Gent nach einem Entwurf des Architekten Valentin Vaerwyck errichtet und 1926 auf den Platz umgesiedelt, den Löwen schuf der Bildhauer Oscar Sinia.

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Im sechzehnten Jahrhundert spielte Gent eine wichtige Rolle im Aufstieg des Calvinismus. 1537 weigerte die Stadt sich die Kriege Kaiser Karls V. gegen Frankreich mit Steuergeld zu unterstützen. Der folgende Aufstand wurde durch den Kaiser mit großer Härte niedergeschlagen, die Anführer 1539 am Gravensteen geköpft. Als die politischen Führer 1540 um Vergebung baten, wurde Gent einem neuen Statut unterworfen und alle Privilegien gestrichen. Die Rolandsglocke Klokke Roeland, das Sinnbild der Genter Selbständigkeit, wurde aus dem Belfried entfernt. Ferner ließ der geborene Genter Karl V. die Sankt-Bavo-Abtei (Sint-Baafsabdij) schleifen und an der Stelle eine Zwingburg errichten, das Spaniardenkastell.

Die Führer des Aufstands mussten im Büßerkleid mit einer Schlinge um den Hals um Vergebung bitten, was sich im kulturellen Gedächtnis der Stadt als Ausdruck ihrer Entmachtung niederschlug.

Nachdem Gent Mitte des 16. Jahrhunderts an Karls Sohn Philipp II. von Spanien gefallen war, erhoben sich die protestantischen Bewohner gegen die Katholiken aus Spanien, die ihrerseits mit einem Terrorregime reagierten. Die Hinrichtung des Statthalters von Flandern, Lamoral Graf von Egmont, im Jahre 1568 löste den Befreiungskampf der Niederlande unter Wilhelm von Oranien aus.

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Die Burg Gravensteen (deutsch 'Grafenstein') ist die Burg der Grafen von Flandern und eine der größten Wasserburgen Europas. Die Burg überragt am linken Leieufer das Zentrum der Stadt und liegt am Zusammenfluss der Flüsse Lieve und Leie.

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Die erste Burg soll zur Zeit Karls des Kahlen errichtet worden sein, vielleicht von Balduin I. genannt 'Eisenarm' um 870, mit dem das Haus Flandern seine Herrschaft begann. 1128 kam es zur ersten ernsthaften Belagerung durch Anhänger des Dietrich von Elsass. Dabei wurde die Burg zerstört. Auf ihren Resten ließ Philipp von Elsass, der damalige Graf von Flandern, von 1180 bis 1200 den Gravensteen erbauen.

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Philipp von Elsass wollte allen zeigen, wer das Sagen hatte. Eine lateinische Inschrift über dem Eingangstor besagt, dass Graf Philipp I. diese Burg im Jahr 1180 erbaute. Das Flair von Reichtum und Macht, das diese Burg seinerzeit ausstrahlte, wird ganz oben im Donjon zwischen den Zinnen fast greifbar, wenn man auf das lebendige Treiben der Stadt schaut.

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Zwischen dem 13. Jahrhundert und dem 14. Jahrhundert wurde die Burg restauriert. Der ovale Burghof erhielt eine Ringmauer mit 24 vorspringenden, zweistöckigen Türmchen. Getrennt vom Donjon und innerhalb der Ringmauer lagen die Gebäude des Grafen sowie alle wichtigen Wirtschaftsräumlichkeiten. Ab dem 12. Jahrhundert wuchs Gent so enorm, dass die Stadt nun die Burg umschließt.

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Von 1407 bis 1708 diente die Burg als Gerichtssitz. Auch der Rat der Stadt Gent tagte hier. Es wurde ein Kerker und eine Folterkammer eingerichtet. In der Burg befindet sich ein Waffenmuseum, mit den typischen Waffen des Mittelalters, unter anderem aus der Waffensammlung von Adolphe Neyt. Ferner gibt es ein Folterinstrumente- und Gerichtsmuseum. Zu den Exponaten zählen eisernen Fesseln, Guillotine, Streckbank, Dornenhalsband und Richtschwerter.

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Die Festung ist im sternförmigen Stil syrischer Kreuzritter-Forts angelegt. Der Zentralturm mit Aussichtsplattform ragt wie ein riesiger Steinblock zwischen den beiden Wasserarmen auf. Der Burghof ist von einer Mauer mit Wehrgang sowie von 24 Halbtürmen mit Zinnen umgeben.

Der zweischiffige Audienzsaal im Erdgeschoss hat ein machtvolles Gewölbe. Im ersten Stock befindet sich der Große Saal, in dem 1445 die Versammlung der Ritter vom Goldenen Vlies stattfand. Dieser Ritterorden war 1430 von Philipp dem Guten von Burgund gestiftet worden. Im Kellergeschoss war das Gefängnis. Hier befinden sich noch die Folterkammer und das Kerkerloch.

Der ehemals ebenerdige steinerne Saalbau ist nach der Erdaufschüttung (Aushub vom Ringgraben) zum Keller geworden.

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Nach der Französischen Revolution wurde der Gravensteen an eine Baumwollspinnerei verkauft. Ende des 19. Jahrhunderts sollte die Burg abgerissen werden, was jedoch die Stadt Gent verhinderte. 1887 kaufte die Stadt Gent die Burg zurück. Zwischen 1889 und 1908 wurde die Burg nur notdürftig konserviert. Erst 1980 und in den folgenden Jahren wurde die Burg anlässlich der 800-Jahr-Feier der Stadt Gent vollständig restauriert.

Der Besucher wird in 15 Stationen bei eigenem Tempo durch die Burg geführt. Den Audio-Guide gibt's kostenlos zum Ticket dazu und es war die lustigste Tour die ich mir je anhören durfte. Der Sprachführer ist sehr humorvoll und unterhaltsam wie kurzweilig. Sehr zu empfehlen!

Die Audioführung wurde von dem Genter Comedian Wouter Deprez eingesprochen und führt auf Entdeckungsreise in und um die Burg herum. Er erzählt die Geschichte, gespickt mit komischen Anekdoten und mit mitreißenden Ritterkämpfen im Hintergrund.

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Die klassische Genter Perspektive von Korenlei zu Graslei: Nach der Sint-Michielsbrug stehen in einer Reihe die Alte Hauptpost und die drei Türme von Sint-Niklaaskerk, Belfried, St.-Bavo-Kathedrale.
Links im Bild hinter den Gildehäusern ist der Uhrturm vom Postgebäude.

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Gerne besucht hätte ich auch die Kirche Sankt Michael (Sint-Michielskerk), rechts im Bild, bei der Sint-Michielsbrug.
Leider ist die nur in den Sommerferien geöffnet. Schade.

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Der Vrijdagmarkt (Freitagsmarkt) war früher das politische Zentrum von Gent. Hier mussten im Mittelalter die flandrischen Grafen schwören, die Genter Privilegien zu respektieren, hier trugen 1345 die Gilden der Weber und Tuchwalker ihre Lohnstreitigkeiten in blutigen Kämpfen aus, hier wurden 1477 zwei Gesandte von Maria von Burgund hingerichtet, hier fanden Turniere und Feierlichkeiten statt und hier wurden Verbrecher mit dem Fallbeil öffentlich geköpft, letztmalig 1822.

Die Westseite des Vrijdagmarktes wird von dem im wahrsten Sinne des Wortes herausragenden Gebäude 'Ons Huis' beherrscht. Dieses wurde im Jahr 1920 nach den Plänen des ortsansässigen Architekten Ferdinand Dierkens in eklektischem Baustil errichtet. Bauherr war die Arbeitervereinigung "Socialistische Werkersvereenigingen".

Und unübersehbar auf dem Platz steht das Denkmal für Jacob van Artevelde, das am 14. September 1863 in Anwesenheit von König Leopold I. eingeweiht wurde. Der Lebenslauf, des um 1290 in Gent als Sohn eines vermögenden Tuchhändlers geborene Jacob van Artevelde, spannt sich von Freiheitskämpfer, über Diktator bis Vaterlandsverräter und endet mit seiner Ermordung 1345.

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Sint-Niklaaskerk, Belfried, St.-Bavo-Kathedrale von der Sint-Michielsbrug.

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Kommentar
Die Sint-Niklaaskerk im Herzen der historischen Altstadt gehört zu den bedeutendsten gotischen Kirchenbauwerken Mitteleuropas. Anders als die ca. 400 m entfernte St.-Bavo-Kathedrale ist sie keine Bischofskirche, sondern die Pfarrkirche der durch Fabrikation und Handel reich gewordenen Bürger der Stadt und ist infolgedessen in mancher Hinsicht repräsentativer und besser ausgestattet.

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Der aus dem für die Region um Tournai typischen Blaustein errichtete Kirchenbau beeindruckt durch die Schlankheit seiner Proportionen und den hohen doppelgeschossigen Vierungsturm, dessen Untergeschoss zum dreischiffigen Kircheninnern hin als Laternenturm konzipiert wurde, wohingegen im Obergeschoss das Kirchengeläut aufgehängt war.

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Der dem hl. Nikolaus von Myra, dem Schutzpatron der Getreidehändler, Kaufleute, Binnenschiffer, Fuhrleute etc. geweihte Bau wurde Anfang des 13. Jahrhunderts im Stil der Scheldegotik begonnen und noch im selben Jahrhundert vollendet. Die Händler kamen durch das Stapelrecht, in Gent Getreide einlagern zu dürfen, zu solch großem Reichtum, dass sie den kostspieligen Bau der Sint-Niklaaskerk finanzieren konnten.

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Der barocke Hauptaltar zeigt ein von vier salomonischen Säulen gerahmtes Bild mit der Darstellung eines Wunders des hl. Nikolaus, der ein Bischofsornat trägt. Der vom Chorumgang aus zugängliche Tabernakelaltar zeigt einen von Putten umgebenen, aus dem Himmel hinabwirkenden Gottvater.

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Im späten Mittelalter wurden an die lichtdurchfluteten Seitenschiffe und an den Chorumlauf eine Reihe von Seitenkapellen mit eigenen Altären angebaut. Die Zwischenräume schmücken mannshohe Heiligenfiguren, die - wie die Kapellen - von den an Gras- und Korenlei residierenden Kaufleuten und von den Gilden am nahen Korenmarkt gestiftet wurden.

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Nach dem Bildersturm der Protestanten und wegen wegbrechender Handelsgewinne der Kaufleute durch sich ändernde Handelsrouten wurde das Gotteshaus mehr und mehr vernachlässigt. Während der französischen Revolution wurde die Sint-Niklaaskerk dann ganz geschlossen und geplündert. Erst im 20. Jahrhundert konnte eine private Interessengemeinschaft eine grundlegende Sanierung erreichen, die in den 1960-er Jahren begann und die noch immer nicht abgeschlossen ist.

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Kommentar
Sint Baafsplein mit Belfried und der Lakenhal von 1426. Ich stehe unterm Vordach von St. Bavo. Weil es regnet. Schon wieder.
Die Lakenhal diente den Genter Woll- und Tuchhändlern - Halleheeren genannt - als Versammlungshalle und hier lagerten sie ihre Waren bis zum Weiterverkauf ein.

Rechts im Bild die ehemalige "Koninklijke Nederlandse Schouwburg". Das Ende des 19. Jahrhunderts nach den Plänen des Architekten Edmond de Vigne im Renaissancestil errichtete Gebäude wird auch als "Koninklijke Vlaams Theater" bezeichnet.

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Der Name 'Mammelokker' entstammt dem Genter Dialekt und bedeutet wörtlich Brustsauger ('mamme' = Brust; 'lokken' = saugen). Er bezieht sich auf die alte Legende der 'Römischen Mildtätigkeit' (Caritas Romana), die im Tympanonrelief dargestellt ist.

Der Legende nach wurde ein Gefangener namens Cimon zum Tode durch Verhungern verurteilt, aber er weigerte sich zu sterben. Seine als Amme tätige Tochter Pero durfte ihn jeden Tag besuchen, allerdings ohne ihm Nahrung mitzubringen. Es gelang ihr allerdings, ihn heimlich an ihrer Brust zu säugen und so sein Überleben zu sichern. Da der Vater auch nach längerer Zeit nicht starb, ließ der Richter die Frau während ihrer Besuche durch die Gefängniswärter heimlich im Auge behalten. Als diese ihr Tun bemerkten, konfrontierte er die Frau mit ihren Taten, worauf die Frau ihm in der Genter Version entgegnete, dass sie dies im Vertrauen auf Gott getan habe. Der Richter fand dies so wohltätig und gut, dass er sich beiden gegenüber gnädig zeigte und ihren Vater freiließ.

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Freie Sicht nach 386 Stufen von der umlaufenden Balustrade des Belfried auf die St.-Bavo-Kathedrale.
Der Genter Belfried symbolisiert Wohlstand und Unabhängigkeit dieser Stadt und wurde von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. 1402 wurden die Stadtprivilegien in einer Truhe im Erdgeschoss des Belfrieds aufbewahrt. Der Drache, der seit 1377 auf dem Turm steht, wachte nicht nur über die Stadt, sondern war auch der symbolische Schatzhüter des Belfrieds.

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Berühmt sind die vier steinernen Wächterfiguren aus dem Jahre 1339 auf den Ecktürmen (heute in Kopien), die große Rolandglocke von 1660 (6070 kg), ein Glockenspiel von 1659, die Turmuhr von 1912 und v. a. der legendäre, 1377 gegossene 'Drache von Gent' als Turmspitze.

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Die größte Glocke des Turmes, die Rolandsglocke (Klokke Roeland) gab das Signal zum Öffnen und Schließen der Stadttore, wies auf Brände hin und läutete auch bei besonderen Ereignissen. Auch bei gewonnenen Schlachten, weshalb Kaiser Karl V. nach der erfolgreichen Niederschlagung der Aufstände die Glocke entfernen ließ.

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Ein Besuch des Genter Belfrieds, der von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde, ist lohnenswert. 1402 wurden die Stadtprivilegien in einer Truhe im Erdgeschoss des Belfrieds aufbewahrt. Nach 1442 zogen die Turmwächter in den fertiggestellten Belfried ein. Zusammen mit den Glöcknern übten diese Wächter, das Korps der Stadtwächter, bis 1869 ihren Dienst aus. Feuer stellte für Gent die größte Gefahr dar.

Im Erdgeschoss stehen Eins-zu-Eins-Modelle der am Turm angebrachten Wächterfiguren. Wegen starker Verwitterung musste die letzte Originalfigur im Jahr 1870 vom Turm geholt und in der Folge durch ein Duplikat ersetzt werden. Die vier Figuren stellen Mitglieder der Gilde des Heiligen Georg (mit Schwert und Schild), der Gilde des Heiligen Sebastian (mit Lanze und Schild), der Metzgergilde (mit Beil) sowie den Stadttrompeter (mit Schwert und Trompete) dar.

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Die Stadthalle am Poeljemarkt wurde 2012 errichtet und ist ein großer, offener und überdachter Raum im Schatten von Belfried, Rathaus und St.-Nikolaus-Kirche. Das Gebäude ist Teil eines umfassenden Städtebauprojekts des Genter Architekturbüros Robbrecht & Daem - Marie-José Van Hee.

Der progressive Bau hat eine mehr als 40 Meter überspannende auffällige Dachstruktur mit 1.600 kleinen Fenstern. Und auch hier zeigte die Stadt
ihre eigensinnige Seite: Als das markante Gebäude stand, gaben die Bewohner ihm den Beinamen 'Schafstall', schlossen es aber gleichwohl in ihre
Herzen. Die Stadthalle von Gent hat den nationalen belgischen Architekturpreis und den Jo Crepain Award gewonnen. Außerdem war das Gebäude in der
Endausscheidung für den Mies van der Rohe Award der Europäischen Union.

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Am linken Ufer der Leie und seitlich der Sint-Michielsbrug überragt die dem Heiligen Michael geweihte Sint-Michielskerk die umliegenden Gebäude.
Mit dem Bau des Gotteshauses wurde im Jahr 1440 begonnen, weil die seit dem 12. Jahrhundert hier vorhandene Kapelle für die durch Zuzug schnell wachsende Gemeinde zu klein geworden war. Die Sankt-Michaels-Kirche wurde im spätgotischen Stil errichtet. Wegen Geldmangels und wegen massiver Probleme mit dem instabilen Untergrund konnten die Bauarbeiten erst 1650 abgeschlossen werden. Der Turm erhielt sein Dach im Jahr 1825, für eine Turmspitze fehlte das Geld.

Ein magischer wie romantischer Ort. Ich genieße die vertraute Zweisamkeit und Ruhe mit meinem Stativ.

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Sint-Niklaaskerk am Korenmarkt.

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Das Denkmal auf dem Sint-Baafsplein erinnert an den flämischen Schriftsteller Jan Frans Willems (1793-1846), der in Gent verstarb.
Jan Frans Willems war ein glühender Verfechter eines Vereinigten Königreiches der Niederlande und gilt als Vater der "Vlaamse Beweging", die in den Nord- und Südstaaten des Landes die niederländische Sprache als Gegengewicht zur offiziellen Staatssprache Französisch durchsetzen wollten.

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Kommentar
Die römisch-katholische St.-Bavo-Kathedrale (niederländisch Sint-Baafskathedraal) ist nach dem heiligen Bavo benannt. Infolge des Aufstands gegen Kaiser Karl V. in Gent 1539 wurde die alte Sankt-Bavo-Abtei aufgelöst. In der Mitte des 16. Jahrhunderts hatte die Kirche mehr oder weniger ihr gegenwärtiges Aussehen erreicht.

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Der reiche Barockstil im Innenbereich zeugt vom Einfluss eines der am längsten regierenden Bischöfe von Gent, Antonius Triest.

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Rokokokanzel aus Marmor und Eiche

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Die 'Kruisbeukorgel' hat 48 Register auf zwei Manualen und Pedal.

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In der St.-Bavo-Kathedrale befinden sich viele religiöse Kunstwerke. Das älteste Stück stammt aus dem 8. Jahrhundert, das jüngste aus den späten 1990er Jahren. Das wohl bekannteste Werk ist der Genter Altar, ein Flügelaltar, der von Jan van Eyck und Hubert van Eyck angefertigt wurde und als bekanntestes und umfangreichstes Werk der frühen niederländischen Malerei gilt. Darüber hinaus befinden sich weitere 21 Altäre in der Kirche.

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Der Genter Altar ist ein Flügelaltar und wurde von Jan van Eyck und wahrscheinlich dessen älterem Bruder Hubert van Eyck geschaffen und 1432 oder 1435 von Jan van Eyck in der Kathedrale - der damaligen Pfarrkirche Sint-Jans (St. Johannes) - aufgestellt. Hauptthema des Retabels ist die Anbetung des Lammes aus der Offenbarung des Johannes mit Engeln und Heiligen.

Die Suche nach dem Altar sowie der Brügger Madonna während des Zweiten Weltkrieges ist ein zentrales Thema des Spielfilms 'Monuments Men - Ungewöhnliche Helden' (2014, mit George Clooney, Matt Damon, etc.).

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Der Flügelaltar wird derzeit restauriert, daher ist am Aufstellungsort in der Vijd-Seitenkapelle nur eine originalgroße Farb-Fotokopie des Altars zu sehen. Den kostenpflichtigen Besuch erspare ich mir daher ... ein Knipsbild durch die Tür muss genügen.

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Das Kircheninnere der Sint-Baafskathedraal ist bei einem Gent-Besuch ein absolutes Muss: Die Krypta mit den alten Bischofsgräbern, dem Kirchenschatz und dem Schrein des Heiligen Macarius, der im Jahr 1012 in Gent verstarb, das Kalvarientriptychon, die Gemälde von Peter Paul Rubens, die Barockkanzel aus Carrara-Marmor von 1745, die alten Chorschranken mit den Figuren von Petrus und Paulus sowie der Verbruggen-Hochaltar von 1719 mit Stiftungen des Kaisers Napoleon Bonaparte sind absolute Highlights der Kunst- und Kirchengeschichte, die kostenlos besichtigt werden können.

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Die Erinnerungen an den Bildersturm von 1566 sind bei aufmerksamer Beobachtung an der Fassade gut zu erkennen.
Der reformatorische Bildersturm war eine Begleiterscheinung der Reformation im 16. Jahrhundert. Auf Weisung von Theologen und der Obrigkeiten, die die reformatorische Lehre angenommen hatten, wurden Gemälde, Skulpturen, Kirchenfenster und andere Bildwerke mit Darstellungen Christi und der Heiligen sowie weiterer Kirchenschmuck aus den Kirchen und von Gebäuden entfernt, teils verkauft oder beschlagnahmt, zerstört oder beschädigt.

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Mehrmals verliert die Stadt im Lauf der Geschichte ihren Hafen, die Lebensader, die sie mit dem Meer verbindet: zuerst durch Versandung, später - wie könnte es anders sein - als Bestrafung für den rebellischen Charakter ihrer Bewohner. Jedesmal gelingt es Gent jedoch, den Kontakt mit dem Meer
wiederherzustellen, sei es durch den Bau von Kanälen oder durch das Eingehen neuer Allianzen.

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Die Weltausstellung von 1913 verschafft Gent ein Facelifting. Die Stadt zeigt dem Rest der Welt ein modernes Gesicht und ihren leidenschaftlichen
Glauben an den Fortschritt. Gent ist ehrgeizig, und die Expo 1913 soll die Ausstellungen von Brüssel und Antwerpen in den Schatten stellen:
Gebäude werden renoviert, der neue Bahnhof Gent-Sint-Pieters wird gebaut, alte Plätze werden umgestaltet und neue angelegt. Durch die beiden
Weltkriege und die wirtschaftliche Depression kommt die Entwicklung zum Erliegen, und Gent ächzt unter der Schlussoffensive der Alliierten.

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Die Graslei ist das rechte Ufer der Leie, die Korenlei das linke Ufer des mittelalterlichen Hafens. Auf beiden Seiten reihen sich die historischen Gildenhäuser aneinander.

Die Freien Schiffer hatten früher das Recht, mit ihren Schiffen alle Binnengewässer der Grafschaft Flandern zu befahren. Das brachte ihnen stattliche Gewinne. Und sie profitierten davon, dass die Gilde der Unfreien Schiffer für den Transport ihrer Frachten auf den Binnengewässern keine eigenen Schiffe einsetzen durften. Für die Beförderung ihrer Handelswaren mussten sie gegen Entgelt die Ladekapazitäten der Freien Schiffer nutzen.

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An beiden Ufern sind die sogenannten Schifferhäuser zu finden. Das Zunfthaus der freien Seeleute von 1531 (Graslei 14) gehörte den Seeleuten, die auf eigene Rechnung tätig waren und frei über Leie, Schelde und Lieve in die Genter Innenstadt fahren durften. Am anderen Ufer, an der Korenlei also, befindet sich das Zunfthaus der unfreien Seeleute. Diese waren als Angestellte verpflichtet, ihre Ladung am Stadtrand auf die Schiffe und Boote der 'freien' umzuladen, mit denen die Waren dann in die Stadt gebracht werden durften.

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Das Stadsmuseum Gent (dt.: Stadtmuseum Gent), kurz STAM oder auch Bijlokemuseum genannt, ist das stadtgeschichtliche Museum und wurde am 9. Oktober 2010 eröffnet. Eine Luftaufnahme der Stadt ist 300 m² groß und von den Besuchern begehbar; eine interaktive Karte macht Gent im Detail in vier Jahrhunderten anschaulich. Zichten op Gent (dt. Sichten auf Gent) ist eine multimediale Einrichtung, die einen Vergleich der Stadtpläne der Jahre 1534, 1614, 1912 mit der Luftaufnahme von 2008 ermöglicht.

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Mit der Bijlokesammlung als Basis und den Gebäuden der Bijlokeabtei bewahrt das STAM als modernes Forum das kulturelle Erbe der Stadt und macht es zugänglich. Die Zisterzienserinnenabtei Bijloke (französisch: Byloke) war von 1234 bis 1796 ein Kloster der Zisterzienserinnen.

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Grabmonument von Hugo II, Burggraf von Gent von 1227 bis 1232, im Refektorium der Abtei.

Hugo II. war Burggraf von Gent und Herr von Heusden. Hier wird er als kampfbereiter Ritter mit Schwert und Schild dargestellt. Das Grabmal aus dem 13. Jahrhundert hat wenig mit der Bijloke-Abtei zu tun; vielmehr stammt es aus der verschwundenen Zisterzienserinnenabtei Nieuwen-bossche in Heusden. Während des Bildersturms von 1578 flüchteten die Nonnen von Nieuwen-bossche nach Gent. Vermutlich hatten sie das Grabmal damals versteckt, um es vor Zerstörung zu schützen. Nach der Entdeckung im Jahr 1948 schenkte Herr Felix Beernaerts das Grabmal dem Museum. Es wurde damals ins Refektorium der Abtei gebracht und ist seitdem dort geblieben - auch, weil es nicht einfach ist, das zerbrechliche und schwere Stück zu transportieren.

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Die Urkunde der militärischen und wirtschaftlichen Union zwischen Flandern und Brabant aus dem Jahr 1339.

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Familienstammbaum um Karel V. (1500-1558)

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Der Vrijdagsmarkt 1666 anlässlich der Inauguration Karls II., König von Spanien, als Graf von Flandern -
vom flämischen Maler François Duchatel 1666-1668, Öl auf Leinwand, 330 x 536 cm, Stadsmuseum Gent

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Mit geöffneten Flügeln zeigt der Genter Altar seine Festtagsseite (auch 'Sonntagsseite' genannt). Sie ist unterteilt in zwei Zonen. Der das Bild beherrschende obere Mittelteil zeigt eine inthronisierte, monumentale Gestalt, die als Gott Vater, als Christus oder als Dreieiniger Gott interpretiert werden kann. Sie wird umrahmt von Maria und Johannes dem Täufer. Auf den Seitenflügeln wird diese Gruppe jeweils von Engeln und von Adam und Eva begleitet.
Der untere Teil der Festtagsseite zeigt auf fünf Tafeln, die durch eine im Mittel- und im Hintergrund einheitliche Landschaft miteinander verbunden sind, Engel und Gruppen von Heiligen, die anbetend um das Lamm versammelt sind oder darauf zuströmen.

Der Genter Altar ist nicht nur ein Höhepunkt westlicher Kunst, sondern besitzt auch eine sehr bewegte Geschichte. Viele Male wird das Altarbild in der Genter Kathedrale Sankt Bavo bedroht. Die größte Verstümmelung findet im 20. Jahrhundert statt. Belgien erlebt in den 1920er- und 1930er-Jahren eine in sozialer, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht turbulente Zeit. Im Jahr 1926 kommt es zur Abwertung des belgischen Franc. Drei Jahre später, beim New Yorker Börsenkrach im Oktober 1929, stürzt der Finanzmarkt ab; der Beginn der Großen Depression. Der Krieg steht vor der Tür. Das religiöse Leben jedoch verzeichnet eine auffällige Blüte und die kirchliche Macht spielt im gesellschaftlichen Leben eine große Rolle. Innerhalb dieses Kontexts kommt es zu einem Kunstraub von weltweit nahezu einmaliger Größenordnung: Zwei Bildtafeln des Genter Altars werden gestohlen. Die Tafel mit Johannes dem Täufer taucht später wieder auf, aber die Tafel mit den Gerechten Richtern bleibt bis zum heutigen Tag verschollen. Der Diebstahl wurde zu einem der bekanntesten Kriminalfälle Belgiens.

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Die Wurzeln des Museums reichen bis in das Jahr 1833, als die Sammlung des Oudheidkundig Museum van de Bijloke in Gent entstand. 1928 wurde dieses Museum in der Bijlokeabtei untergebracht, daher auch der Name Bijlokemuseum. Die Bijlokesammlung wurde mit Stücken anderer Sammlungen erweitert. Anschließend wurde ein neues Eingangsgebäude gebaut, entworfen vom Genter Stadtarchitekten Koen Van Nieuwenhuyse.

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Die Dauerausstellung des STAM bietet eine museale und multimediale Einführung für einen Besuch der Stadt Gent und präsentiert ihre Geschichte, Gegenwart und Zukunft.

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Die Paulskirche 'Sint-Pauluskerk' befindet sich im Süden des Stadtzentrums, in der Nähe des St. Petersbahnhofs 'Sint-Pietersstation' und ist eine neoromanische Kirche aus Sandstein.

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Das neoromanische Gebäude des Architekten Henri Valcke wurde 1930 errichtet.

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'Sanctus, sanctus, sanctus Dominus Deus Sabaoth.' ist der Anfang des Ordinariums, der feststehenden Gesänge oder Gebete innerhalb der christlichen Abendmahls-Liturgie, und dadurch auch in der Regel Bestandteil von Mess-Vertonungen. Es gehört zum alten Bestand des christlichen Gottesdienstes und wird zu Beginn des eucharistischen Hochgebets als Antwort der Gemeinde auf die Präfation von allen Gläubigen, vom Chor oder im Wechsel gesungen.

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In den letzten Jahrzehnten ist die Bedeutung der katholischen Kirche wie der Religion im Allgemeinen stark zurückgegangen. Die Mehrheit der belgischen Bevölkerung bezeichnet sich selbst als Atheisten, Agnostiker oder nicht gläubig. Die Pauluskerk wird daher kaum noch als klerikaler Ort genutzt.

Trotzdem oder gerade deswegen kommt hier eine ortsansässige Dame zum Klavierspielen her, was für mich wiederum die netteste Begegnung bei dieser Reise bedeutet. BeST hat jetzt eine Brieffreundin.

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Fazit: Gent hat mich überrascht. Sehr positiv. Ich kam nachmittags an und lief bei Tageslicht durch die gesamte Altstadt. Am Abend habe ich das mit dem Free-Walking-Tourguide wiederholt und schließlich nachts mit dem Stativ ein drittes Mal gemacht. Das Zentrum ist Fußgängerzone, bequem abzulaufen, fotogen und historisch. GENT IST GEIL!

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Weiter geht es nach Brügge und somit Zeit endlich etwas flämisch zu lernen.

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Brügge (niederländisch Brugge, französisch Bruges) ist die Hauptstadt der Provinz Westflandern.

Im Spätmittelalter war die niederländische Region um Brügge eines der Zentren der Textilindustrie und des Fernhandels in Europa und damit eine der Geburtsstätten des Frühkapitalismus. In der Stadt residierten zeitweise die Herzöge von Burgund, unter deren Herrschaft Brügge zu einer der wirtschaftlich und kulturell reichsten Städte im damaligen Europa wurde.

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Die Stadt ist sowohl zu Fuß als auch per Bootstour erkundbar. Die Kanäle, die die Stadt durchziehen, nennen die Einheimischen Reien nach dem im Mittelalter vollständig kanalisierten Flüsschen Reie, über das Brügge direkt mit der Nordsee verbunden war. Der mittelalterliche Stadtkern wurde 2000 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. 2002 war Brügge Europäische Kulturhauptstadt.

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Gleich nach Minnewater beginnt der Beginenhof. Die Beginen waren eine mittelalterliche Lebensgemeinschaft von Frauen und führten ein andächtiges Leben. Dieses war die bekannte Ausprägung des im Spätmittelalter aufkommenden Semireligiosentums, eine Zwischenform von Klerus und Laie. Besonders für Frauen erschien es attraktiv, eine dem Mönchtum ähnliche Lebensweise zu wählen.

Winston Churchill fand diesen Beginenhof so nett, dass er davon ein Bild gemalt hat.

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Die im Begijnhof gelegene St.-Elisabeth-Kirche (Begijnhofkerk Sint-Elisabeth) ist nach der heiligen Elisabeth von Ungarn benannt, die viele Beginenhöfe unterstützte. Diese schlichte Kirche aus rotem Backstein hat nur eine Statue an der Außenfassade. Im Inneren ist die Kirche mit ihren weiß getünchten Wänden, dem Hochaltar mit einem hohen religiösen Gemälde, den dunklen hölzernen Kirchenbänken und der Kanzel, einigen Glasmalereien in den Bogenfenstern und Stuhlreihen für die Gläubigen ebenfalls recht gewöhnlich. Die Kirche ist nicht groß und nicht mit Zierarchitektur geschmückt.

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Zwei weitere Hochaltäre befinden sich in den schmalen Seitenschiffen. Das heutige Gotteshaus stammt aus dem 17. Jahrhundert. Es ist immer noch eine praktizierende Kirche, die von den Benediktinerinnen bewohnt wird, die jetzt in den weiß getünchten Reihenhäusern aus dem 16. bis 17. Jahrhundert gegenüber dem grasbewachsenen Innenhof der Kirche leben. Die Kirche und die Reihenhäuser am Wijngaardplein wurden von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.

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Bei der Brücke zum Begijnhof am Wijngaardplein sind zahlreiche Schwäne am Minnewater anzutreffen. Natürlich gibt's eine Geschichte dazu:

Ende des 15. Jahrhunderts hatten es die Einwohner von Brügge satt, sich noch länger von ihrem ungeliebten Kaiser Maximilian von Österreich schikanieren zu lassen. Es kam zu einem Aufstand, bei dem sie den Kaiser und seinen Berater Pieter Lanckhals in Craenenburg auf dem Marktplatz einsperrten. Lanckhals wurde zum Tode verurteilt, und der Kaiser musste die Hinrichtung notgedrungen mitverfolgen. Einige Zeit später hatte Maximilian jedoch die Gelegenheit, sich zu rächen. Er zwang die Einwohner von Brügge, bis in die Ewigkeit die Schwäne oder 'Langhälse' auf ihren Kanälen zu pflegen. Eine Stadtlegende war geboren.

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Was hier so idyllisch aussieht - was es auch ist - soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Minutentakt voll(st)besetzte Touristenboote vorbeibrausen. Angeblich ist eine Kanalfahrt in Brügge ein MUST-DO.

Fünf ansässige Bootsanbieter teilen sich die üppigen Nachfragekuchen zum sportlichen Einheitspreis auf. Dies, die überfüllten Boote und der häufige Regen haben mich schlussendlich von einer Bootsfahrt abgehalten. Außerdem hatte ich dieses Vergnügen bereits in Gent.

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Die Bonifaciusbrücke wurde erst Anfang des 20. Jahrhunderts errichtet und ist eine der jüngsten Brücken der Stadt. Dort lassen sich die märchenhaften Grachten mit den überhängenden (Fachwerk-)Häuschen und den vorbeifahrenden Booten bewundern.

Die Bonifaciusbrug (Bonifaciusbrücke) ist beim Arentshof hinter der Onze-Lieve-Vrouwekerk und so ein Selfie-Hotspot wie die Karlsbrücke in Prag. Es verläuft sich nur viel schwieriger auf die etwa 10 Meter.:-]

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Das vermutlich kleinste Barockfenster der Welt. Vom heutigen Gruuthusemuseum konnte der Zöllner an der Bonifaciusbrug überwacht werden.

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Kommentar
Liebfrauenkirche (niederländisch Onze-Lieve-Vrouwekerk) ist der Name einer gotischen Kirche. Die Liebfrauenkirche, deren Anfänge in das frühe 13. Jahrhundert zurückreichen, gehört stilistisch zu den frühesten Backsteinarchitekturen in Flandern.

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Das zunächst dreischiffige Langhaus entstand zwischen 1210 und 1230. Die zwei filigranen Treppentürme an der Westfassade datieren um 1280. In der um diese Zeit bereits begonnenen zweiten Bauphase, die bis 1335 reichte, entstanden Querhaus, Chor und der in ungewohnter Weise nördlich des Langhauses platzierte mächtige Turm von 1320, der mit 115,6 Meter Höhe das südliche Stadtbild prägt.

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Bemalter Rokokoaltar von Pieter Pepers aus Holz mit einer Figur aus Marmor von 'Unserer Lieben Frau'. Sie stammt aus der abgebrochenen Kathedrale St. Donaas. Pieter Pepers (1730-1785) ist in dieser Kirche getauft. Er war der meist bekannte Brügger Bildhauer im 18. Jahrhundert.

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1345 wurde dem Langhaus ein zweites nördliches Schiff angefügt, 1450-1474 entstand sein Gegenstück im Süden. Diese beiden äußeren Seitenschiffe der nunmehr fünfschiffigen Anlage repräsentieren zusammen mit dem in der Spätphase errichteten Paradiesportal am Turm den Stil der Brabanter Gotik, die auf nordfranzösische Einflüsse zurückgeht.

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1480 war der Bau von Sakristei und Kapellen abgeschlossen.

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Das Passionstriptychon von Barend van Orley

Barend van Orley (Brussel, 1488-1541) war ein wichtiger flämischer Maler der Renaissance. Diese Triptychon wurde 1534 von Margaretha von Österreich bestellt. Sie war die Tochter von Maria von Burgund und Maximilian von Österreich. Das Werk war bestimmt für die Grabkirche in Brou, die die Prinzessin in Bourg-en-Bresse (Savoyen) in Erinnerung an ihren Gemahl Philipp von Savoyen hatte errichten lassen. Nach dem Tod von Orley bekam der Brügger Maler Marcus Gerards 1561 den Auftrag, das Werk zu vollenden.

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Kommentar
Sanctus, der nach seinem Anfangswort benannter Teil des Ordinariums, ist auch hier anzutreffen.

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Die Orgel geht zurück auf ein Instrument, das 1721/1722 von dem Orgelbauer C. Cacheux (Arras) erbaut worden war. 1954 baute der Orgelbauer Loncke in dem vorhandenen historischen Gehäuse ein neues Orgelwerk, wobei er vorhandenes Pfeifenmaterial wiederverwandte. Das Instrument hat 35 Register auf drei Manualen und Pedal. Die Trakturen sind elektropneumatisch.

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In der Kirche befinden sich unter anderem der Sarkophag von Karl dem Kühnen und neben diesem, der seiner Tochter Maria von Burgund. Das Grabmal der 1482 verstorbenen Maria, der Gemahlin von Maximilian I., wurde von Jan Borman d. Ä. entworfen und 1502 von Renier van Thienen in Bronze gegossen. Die ebenfalls bronzene Grabmalfigur Karls des Kühnen, die auf einen Entwurf von Cornelis Floris zurückgeht, vollendete der Bildhauer Jacob Jonghelinck im Jahr 1562.

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Die Brügger Madonna ist eine Skulptur von Michelangelo aus den Jahren 1501 bis 1506 in der Moscron-Kapelle. Sie ist unsigniert, mit Basis 1,26 m hoch und aus poliertem Marmor. Sie ist eine Vollplastik, auf Vorderansicht zur Anbetung gestaltet. Die Darstellung zeigt Maria mit dem stehenden Jesusknaben. Beide haben niedergeschlagene Augenlider, die Leonardo da Vinci bei seinen Mariendarstellungen eingeführt hat.

1944 wurde sie von der deutschen Besatzungsmacht beschlagnahmt und in einem stillgelegten Bergwerk in Altaussee gelagert, von wo sie später zusammen mit anderer NS-Raubkunst in das in Linz geplante Führermuseum gebracht werden sollte. Die Brügger Madonna ist ein zentrales Thema des Films 'Monuments Men - Ungewöhnliche Helden' (2014). Neben den Wegen anderer Raubkunst wird auch die Suche nach ihr und ihre Bergung in Altaussee nach dem Fall des Naziregimes 1945 dargestellt.

Wie mehrere Tourguides unabhängig voneinander beauskunften, wird die Verfilmung realitätsfern, übertrieben proamerikanisch und geschichtsverfälschend dargestellt.

Was jedoch Tatsache ist, ist die gegenwärtige Baustelle und Renovierung der Kapelle mit Guckloch auf die Madonna für die zahlenden Touristen.

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Viel weniger lokale Personen wussten mit dem Filmtitel 'Brügge sehen... und sterben?' (In Bruges, 2008) etwas anzufangen.
Für mich der Grund, warum ich überhaupt dort hin wollte. Seltsam.

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Die Kirche ist ein Paradebeispiel der Backsteingotik, ist aber gleichzeitig durch die jahrhundertealte Verbindung mit dem Gruuthusepaleis über eine Gebetskapelle im hohen Chor sehr außergewöhnlich.

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Kommentar
Das typische Postkartenmotiv am Rozenhoedkaai.
Das Gebäude mit der Fensterfront zum Wasser hatte eine wesentliche Filmszene in 'Brügge sehen und sterben'.

Der Rozenhoedkaai ist eine touristische Hauptsehenswürdigkeit und daher entsprechend oft von Reisegruppen besucht. Hier sind die meisten berühmt-schönen Ansichten der Altstadt konzentriert. Auf Grund der relativ großen Altstadt von Brügge verteilt sich der Besucherstrom, daher gibt es genügend stillere Bereiche. Und wie an den meisten (nicht allen!) Orten ist nachts sowieso kaum noch wer unterwegs.

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Beim Hotel Bourgoensch Hof in der Wollestraat

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In der Wollestraat ist die Bierhandlung 2be (The Beerwall) beliebt, ein Brauhaus mit Flaschenverkauf, Bierwand-Ausstellung und Terrasse mit malerischem Flussblick.

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Das Stadthuis Brugge ist als prachtvolles Rathaus ein Klassiker der Spätgotik, der als Vorbild für unzählige neugotische Bauwerke Epoche machte.

Der Platz nennt sich 'Burg' und war bereits im 2. Jahrhundert bewohnt. Im 9.Jahrhundert wurde er zur Ausgangsbasis des Grafen von Flandern. Vom Brügger Freiamt aus wurde ab dem Spätmittelalter bis 1795 das Land verwaltet. Anschließend wurde der Komplex beinahe 200 Jahre lang von den Gerichten vereinnahmt. Links vom Rathaus aus dem 14. Jahrhundert die Alte Kanzlei, ein außergewöhnlicher Brügger Renaissancebau, rechts davon die Basilika des Heiligen Blutes, wo die Reliquie des Heiligen Blutes aufbewahrt wird.

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Das Rathaus (Stadhuis) von Brügge ist eines der ältesten Rathäuser Belgiens. Dessen Bau begann im Jahr 1376 und dauerte bis 1421. Das Gebäude inspirierte die Baumeister der Rathäuser in Brüssel, Gent, Leuven und Oudenaarde und hatte einen großen Einfluss auf den gotischen bürgerlichen Baustil der Stadt.

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Von 1376 bis 1421 wurde am zentralen Burgplatz das Stadthaus (Stadhuis van Brugge) als Sitz des Stadtrats errichtet. Das Bauwerk ist eines der ältesten Beispiele gotischer Baukunst in ganz Flandern und den Niederlanden, die prachtvoll mit Bildhauerarbeiten geschmückte Fassade wurde im 16. und 17. Jahrhundert mehrfach erweitert und gibt Auskunft über den großen damaligen Reichtum Brügges. In der Französischen Revolution wurde die Fassade fast vollständig zerstört, von 1895 bis 1905 wurde der gesamte Innenraum saniert und umgebaut.

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Besonders sehenswert ist der große Saal des Gebäudes. Er ist im gotischen Stil eingerichtet und verfügt über prächtige Wandmalereien, die die Geschichte von Brügge zum Thema haben. In liebevoller Arbeit haben die Künstler ein Wandbild entworfen, auf dem vor allem die goldenen Zeiten von Brügge dargestellt werden. Kirchen- und Stadtgeschichte sind hier ebenso verewigt wie einflussreiche Adelige und berühmte Bürger der Stadt. Auch die über die Jahrhunderte hinweg hochentwickelten Künste und Handwerke werden bildlich gewürdigt.

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Auch der 'Historische Saal' im alten Stadhuis ist zugänglich und beherbergt historische Dokumente, Ausstellungsstücke und Gemälde. Wer die Ausstellung und baulichen Besonderheiten besichtigt, dem werden sich viele spannende Ereignisse der Stadtgeschichte sowie das über Jahrhunderte hinweg interessante Verhältnis der Brügger Bürger, Fürsten und Administrationen erschließen.

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Das Wachpersonal ist hier eine Dame, die meine üblichen Kunststücke ganz genau beobachtet. Nachdem ich mich in alle Ecken gedrückt und mittig auf den Boden gelegt habe (Blickwinkel 114 °), spricht sie mich an. Sie vermutet bei solchem Körpereinsatz einen Fotografen vor sich zu haben, erzählt mir von ihrem letzten Fotoshooting und zeigt mir Bilder von sich auf ihrem Handy.

Immer wieder interessant, was man von wildfremden Frauen ungefragt zu sehen bekommt.
Mich stört das aber nicht, mich amüsiert der Gedanke, wenn/wie das umgekehrt wäre...#metoo...

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Auch heute schlägt hier das politische Herz der Stadt. Der Brügger Gemeinderat trifft heute noch stets monatlich im Gotischen Saal zusammen. In diesem eindrucksvollen Dekor versprechen einander auch hunderte verliebte Paare ewige Treue.

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Der Gotische Saal im ersten Stockwerk, wo Wandmalereien aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts die Geschichte von Brügge darstellen. Darüber hinaus springt auch das Gewölbe mit originalen polychromierten Konsolen aus dem 14. Jahrhundert ins Auge.

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Bei meinem abendlichen Streifzügen komme ich am Restaurant 'De Vlaamsche Pot' vobei. Das ist auch so eine Ecke, die man auf Instagram immer wieder zu sehen bekommt.

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Koninklijke Stadsschouwburg Brugge ist ein restauriertes Barocktheater aus dem 19. Jht. Die Brügger Stadsschouwburg von 1869 begeht in diesem Jahr ihr 150-jähriges Bestehen und ist eines der besterhaltenen Stadttheater Europas. Hinter der schlichten aber würdevollen Neorenaissance-Fassade des königlichen Theaters befindet sich ein palastartiger Theatersaal mit einem majestätischen, in den Farben Rot und Gold gehaltenen Foyer.

Die Papageno Statue steht vor der Stadsschouwburg und zeigt die bekannte Figur aus Mozarts Oper "Die Zauberflöte".

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Die Schokoladenmafia rüstet sich für Halloween.

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Am Marktplatz befindet sich die Tuchhalle mit ihrem 83 m hohen Belfried, dessen Aussichtsplattform liegt 366 Stufen hoch. Ebenfalls am Marktplatz der neogotische Provinciaalhof aus dem 19. Jahrhundert, in ihm ist das Historium untergebracht.

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Den Belfried darf man gegen 12 EUR Gebühr besteigen, das Carillon (Glockenspiel) mit seinen 47 Glocken darf man gratis hören. Der Einlass endet um 17 Uhr, um 16:56 Uhr war ich der letzte Ticketkäufer und muss erst warten bis einer den Turm verlässt, bis ich hoch darf. Die Anzahl der Besucher zu limitieren hat seinen Grund, die einzige Treppe ist so eng, dass man unweigerlich auf Tuchfühlung geht bei Gegenverkehr. Ganz oben ist auch nicht zuviel Platz - außer man ist wie ich auch hier der letzte Tourist und kann sich die verbleibenden Minuten vom Sturm umblasen lassen.

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Der Brügger Belfried wurde 1999 in die UNESCO-Liste des Welterbes als Kulturdenkmal aufgenommen. Das Glockenspiel erklingt vor den Viertelstundenschlägen automatisch über die größte, älteste erhaltene Stecktrommel. Es kann auch als Carillon über einen Spieltisch durch einen Glockenspieler (hier auch Beiaardier genannt), bespielt werden.

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Der Brügger Belfried ist 83 m hoch und in die Stadthallen (Stadshallen) am zentralen Marktplatz von Brügge (Grote Markt) integriert. Er wurde ebenso wie diese im 13. Jahrhundert erbaut. Im Spätmittelalter demonstrierte der alle Bauwerke der Stadt überragende Turm die Macht des selbstbewussten reichen Bürgertums und diente als Brandwache. Noch heute darf ihn kein Neubau überragen.

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Beim Hochsteigen kann an der Schatzkammer, in der im Mittelalter wichtige Stadturkunden, das Stadtsiegel und die Stadtkasse aufbewahrt wurden, beim beeindruckenden Uhrwerk oder beim Glockenspiel Halt machen.

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Blick auf das Rathaus und den Burgplatz vom Belfried.

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International wurde der Turm auch durch den Film 'Brügge sehen... und sterben?' bekannt. Darin wurde Brendan Gleeson von der Plattform gestürzt. Ich bekomme durch das Gitter nicht mal ein 77er-Objektiv durch. Weder ohne GeLi, noch mit Gewalt.

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