Adlerjung!

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Timotheos

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Usedom ist die "Insel der Adler". Fast nirgendwo in Deutschland gibt es eine vergleichbar dichte Population dieser grossen und wunderschönen Greifvögel. Die fischreichen Boddengewässer der Odermündung, der Waldreichtum und die Ruhe der weitgehend intakten pommerschen Naturlandschaft sind wichtige Faktoren für das Überleben des Adlers und auf Usedom findet Deutschlands Wappenvogel nahezu ideale Bedingungen. Hinzu kommt eine intensive Überwachung der Reviere durch engagierte menschliche Horstbetreuer, um Ruhe am Horststandort zu garantieren. Die Natur hat Vorfahrt!
Im Frühsommer, kurz vorm Ausfliegen der Adlerjungen werden diese, dort wo es die Lage des Horstes zulässt, beringt. Die Ringnummer wird anschliessend zusammen mit den Daten zur Herkunft des jungen Adlers an die Vogelwarte auf der Insel Hiddensee übermittelt, wo die Daten zentral archiviert werden. Aufgrund dieses sorgfältigen Verfahrens, gelingt es häufig, genaueste Informationen über das Leben der Vögel zu sammeln - Ringdaten können bei Beobachtungen abgelesen werden.
Die Beringung selbst ist Teamarbeit für Spezialisten. Die Beringer beobachten den Horst und warten auf den passenden Moment. Sind die Altvögel weg, erklimmt ein erfahrener Kletterer den Horstbaum. Oft muss er in Höhen von mehr als 20 Metern aufsteigen - es gibt Horste in alten Buchen auf mehr als 30 Meter Höhe. Ist der Kletterer oben angekommen, geht es schnell. Der Jungvogel wird in einem Sack an einem Seil vorsichtig zu Boden gelassen, wo er vom Team erwartet wird. Die Beringung selbst ist keine grosse Sache und die jungen Greife ertragen die Prozedur mit erstaunlicher Gelassenheit. Danach geht es sofort wieder am Seil hinauf zum Horst und der Kletterer steigt herab.


André "Adler" - der Kletterer bereitet sich auf seinen Einsatz vor.
Mehr als 200 Horstbäume hat er bereits bestiegen.
 
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Wenn die Jungvögel am Boden angekommen sind, muss man auf die Greife - die Füsse - achten. Sie sind die Waffen, mit denen der grosse Vogel später jagt und im Kükenalter sind sie bereits gross wie eine Menschenhand und scharf wie ein Rasiermesser. Zwar sind die Vögel erstaunlich ruhig und gelassen, aber während der Beringungsprozedur wird nichts dem Zufall überlassen. Weder Mensch noch Tier sollen Schaden nehmen.

 
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Das ist schon mal super spannend Tim! Da freu ich mich auf mehr - ich bin sicher, da kommt noch was :)

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Beeindruckend für mich ist der Größenvergleich mit der menschlichen Hand, ich hätte mir das nie so groß vorgestellt.
 
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Beeindruckend für mich ist der Größenvergleich mit der menschlichen Hand, ich hätte mir das nie so groß vorgestellt.
Beeindruckend sind auch die Horstbäume und die Horste selbst. In Brandenburg gibt es welche mit rund 5 Metern Höhe und mehr als 3 Meter Durchmesser, die sich in 36 Meter Höhe in steinalten Buchen befinden. Wenn der Kletterer sich nach oben arbeitet und sich dem Horst nähert, kommt man ob der Dimensionen nicht selten ins Staunen - selbst bei einem der neueren und kleinen Horste, wie diesem hier.



Himmelwärts!
 
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Ja, da habe ich auch gestaunt!
Hätte nicht gedacht, dass die Jungvögel schon solche großen Pratzen haben.
Vermutlich entwickeln sich die Greife so schnell, weil der Vogel dort oben auf dem Horst Starkwind und Sturmböen ausgesetzt ist. Mit den kräftigen Füssen klammert er sich am Horst fest und fällt nicht herunter. Die Vögel sind zum Zeitpunkt der Aufnahme etwa 50 Tage alt und bleiben noch 50 Tage dort bis zum Ausfliegen. Dann sind sie oft schwerer als die Eltern. Dieser hier brachte rund 5 Kilogramm auf die Waage. Erstaundlich viel! Der Geschwistervogel wog knapp 4 Kilogramm.




Adlerjung!
 
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Was passiert, wenn die Oldies heimkommen, während der Klettermaxe noch oben ist? Gibt es dazu empirisch valide Auswertungen?

Gruss
Suermel
 
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Was passiert, wenn die Oldies heimkommen, während der Klettermaxe noch oben ist? Gibt es dazu empirisch valide Auswertungen?

Gruss
Suermel

Das wollte ich auch fragen! Wird Adler-Paps da nicht ziemlich sauer, wenn ein André nicht nur an seinem Horst rumfummelt, sondern auch noch an den Kleinen?
Außerdem: Riechen die nicht den Menschen und verändern dann ihre Einstellung gegenüber den Kleinen? Oder ist das einer meiner Kindheitsmythen über Vögel?

Danke nochmals für diese einzigartigen Eindrücke!
 
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Was passiert, wenn die Oldies heimkommen, während der Klettermaxe noch oben ist? Gibt es dazu empirisch valide Auswertungen?
Ob es dazu Auswertungen gibt, weiss ich nicht. Man darf sich aber auf die Aussagen der Horstbetreuer verlassen. Viele von ihnen machen diesen Job seit Jahrzehnten und entsprechend gross ist ihre Erfahrung im Umgang mit den Adlern und nach Meinung der Betreuer passiert am Boden oder im Baum gar nichts, wenn die Altvögel unerwartet am Horst erscheinen. Die Reaktionen in der Luft sind unterschiedlich: manche Eltern fliegen weit weg und beobachten aus sicherer Distanz, andere kreisen über'm Horst. Vorsicht prägt das Verhalten der Adler. Das ist eine Folge der Bejagung in vergangenen Jahrhunderten.
Das Kreisen in unmittelbarer Horstnähe ist nach Aussagen einiger Horstbetreuer seit einigen Jahren vermehrt beobachtet worden und zeige, dass die Vögel weniger ängstlich geworden seien. Für diese These spricht auch die Tatsache, dass es vermehrt Horste in dichter besiedelten Gebieten gibt. Das ist ein Erfolg des intensiven Artenschutzes.
 
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