Klar strukturierte Tipps aus der Praxis
Das Buch zur Objektfotografie von Jürgen Herschelmann kam in sehr wertiger Aufmachung im breiten Format bei mir an. Die physische Qualität erkennt man auch schon am Gewicht der 358 Seiten, es wiegt fast 1,5 Kilogramm. Der Inhalt des Buches ist ebenfalls ein Schwergewicht im Sinne von äußerst fundiert. Es hat einen sehr klar strukturierten Aufbau, das Layout der Seiten ist makellos und die Abbildungen sind eine Augenweide. Man erkennt deutlich, dass hier Könner am Werk waren.
Jürgen Herschelmann selbst ist ein Profi seines Genres und arbeitet seit über 30 Jahren vor allem für Kunden aus dem Bereich Werbung und Editorial. Durch seinen Unterricht in Fotokursen und persönlichen Coachings versteht er es, sowohl zwischen einfachem und preiswertem Equipment und teurer Profiausstattung wie auch zwischen den Ansprüchen engagierter Amateure und angehender Berufsfotografen zu vermitteln. Er zeigt in sehr vielen Situationen, wie mit sehr wenig Aufwand hervorragende Objektbilder umgesetzt werden können, einfach indem der Fotograf kreative Ideen und unverbrauchte Sichtweisen auf die Dinge anwendet.
Das Buch ist in zehn Kapitel aufgeteilt, die kurz besprochen werden sollen:
1 Foto- und Studiotechnik
Im ersten Abschnitt wird die unvermeidliche Abhandlung über die Kamerasysteme gottlob schnell und unbürokratisch abgearbeitet. Ebenso kurz ist die Objektivbesprechung. Deutlich interessanter ist dann die Vorstellung der möglichen Settings und Räumlichkeiten. Es werden sowohl Mietstudios als auch der Aufnahmetisch in einer Raumecke angesprochen. Es fehlen natürlich auch nicht die besonders wichtigen kleinen Hilfsutensilien für die Objektfotografie wie z.B. Kamera- und Lampenstative, die Kramskiste mit Klammern, Spachtel, Schnüren und Modelliermasse bis hin zu Hinter- und Untergründen.2 Licht
Licht, Lichtquellen und Lichtformer sind für die Objektfotografie essentiell. Der Autor stellt die wichtigsten Utensilien vor und gibt praktische Tipps.3 Freisteller und Packshot
Freisteller und Packshots sind wohl das Brot und Butter Geschäft vieler Objektfotografen. Ein Produkt soll so fotografiert werden, dass es später technisch sauber in der Bildbearbeitung freigestellt werden kann. Das ist eine sehr häufige Anwendung in Katalogen, Onlineshops und Werbebroschüren.4 Flatlay
Unter Flatlay versteht man das Fotografieren aus der Vogelperspektive. Dabei werden die Objekte gewöhnlich durchgehend scharf und flach abgebildet. Kein Vordergrund oder Unschärfe lenken vom Objekt ab. In diesem Abschnitt werden Motivwelten und ein effektiver Setaufbau besprochen.5 Close-up
Aufnahmen aus kürzester Distanz haben ihre eignen Gesetze und Regeln. Die Schärfentiefe sinkt in den Zentimeter- oder gar in den Millimeterbereich. Man muss sich also schon sehr genau überlegen, was man vom Objekt darstellen will. Es ist ebenfalls nicht so einfach, auf diese kurzen Distanzen z.B. Lichtquellen, Diffusoren oder Aufheller unterzubringen. Vorgestellt werden in diesem Abschnitt Techniken für den Nahbereich, die Lichtsetzung, die Gestaltung von Close-up-Fotos und die in diesen Fällen besonders wichtige Retusche.6 Objekte on Location
Objektfotografie außerhalb der gewohnten Umgebung eines Studios stellt radikal andere Anforderungen an das Equipment und verlangt von der Planung und Umsetzung fantasiereiche Ansätze und eine gute Portion Glück. In mancher Hinsicht ist sie quasi das Gegenteil von der genau berechenbaren Umgebung eines Aufnahmeraumes. Sie bietet aber auch durch ihr Umfeld sehr spannende Umsetzungsmöglichkeiten und neue Perspektiven.7 Objekte mit einem Modell inszenieren
Schmuck und Mode wird gerne mit einem Modell fotografiert. Die Arbeit mit einem Modell stellt andere und neue Anforderungen an den Fotografen und sein Verhalten. Das Kapitel gibt Tipps, wie man zu einem Modell kommt, wie das Shooting abläuft und ob eine Fotoassistenz benötigt wird.8 Kreatives Stillleben
Kreative Stillleben gehören zu einer der Paradedisziplinen der Objektfotografie. Jürgen Herschelmann versucht in diesem umfangreichen Kapitel die ungeheure Bandbreite und den Einfallsreichtum dieses Themas aufzuzeigen. Dazu arbeitet er nicht nur mit zahlreichen interessanten und überraschenden Objekten, sondern kombiniert sie auch mit Elementen wie Feuer, Nebel, Wasser oder Eis. Um die Aufmerksamkeit des Nutzers in der Werbung oder in den sozialen Netzwerken zu erlangen, muss in kürzester Zeit ein Aufhänger oder ein Storyeinstieg beim Betrachter ankommen.9 Motive
Das Kapitel Motive behandelt klassische Motive und Materialien. Dazu gehören z.B. Schmuck, Uhren Kosmetik, Brillen, Food, Kleidung & Accessoires, technische Geräte oder Interior. Jede der vielen Einzelthemen wird in einer knappen Schrittanleitung ohne Schnickschnack behandelt. Es wird nicht jedes einzelne Detail erläutert (kein Malen nach Zahlen), sondern die grundsätzliche Vorgehensweise ergänzt um zahlreiche Tipps aus der langen Karriere des Autors.10 Bildbearbeitung
Die Bildbearbeitung als letztes Kapitel fällt - wie schon der Anfang des ersten Kapitels - ein wenig ab. Dort wird eher an der Oberfläche gekratzt ohne tieferen Einstieg. Letztlich kann das aber auch nicht Aufgabe dieses Buches sein. Trotzdem fand ich diesen Abschluss etwas unbefriedigend.Aufgelockert wird das Buch durch einige Interviews mit anderen Fotografen. Ich persönlich konnte mit den kurzen Statements nicht viel anfangen, aber das mag bei jedem anders ausfallen. Interessanter fand ich die eingestreuten Exkurse z.B. über Themen wie Focus Stacking, Setstyling oder Cinemagraphs.
Fazit
Insgesamt sicherlich ein sehr schönes, klar aufgebautes und hilfreiches Buch mit vielen Tipps aus der Praxis. Für mich ist es eines der großen Highlights des Buches, dass es sehr viel originelle Ansätze aufzeigt und auch praktisch durchspielt. Meiner Ansicht nach setzt das Buch bereits Kenntnisse in der Fotografie voraus und zielt auf engagierte Amateurfotografen oder angehende Objektfotografen, die sich dieses Genre zum Beruf wählen möchten. Von mir dafür viereinhalb Sterne.Die Daten
Jürgen Herschelmann. Objektfotografie. Die große Fotoschule erschien am 29. Oktober 2021 im Rheinwerk Verlag. 358 Seiten, gebunden, in hochwertiger Fadenheftung. Großes Bildbuchformat 21 x 24 cm, mit Lesebändchen. Gedruckt auf matt gestrichenem Bilderdruckpapier (135 g). Gut lesbare serifenlose Schrift (Franklin ITC Pro 9,25 Pt.). Zweispaltiges Layout. Mit zahlreichen Beispielbildern und Lichtskizzen. Auch als E-Book im PDF-Format (143 MB) und als Onlinebuch erhältlich.ISBN 978-3-8362-8019-8
Preis: 39,90 €
Hier geht es zur Leseprobe (PDF)
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Rezension: Lothar Schloemer
Bewertung
© Lothar Schloemer und Netzwerk Fotografie. Jedwede Art der Veröffentlichung, auch auszugsweise, bedarf der Genehmigung. Text: Lothar Schloemer, Bildnachweis: © Rheinwerk Verlag