6300 km in die Fremde

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Es ist nicht alleine die Fotografie, welche mich in diesem Thread begeistert, Lydian. Es ist die Kombination aus Bildern, sachlichen Informationen und persönlichen Sichtweisen als Betroffener in der Lebensphase eines Kindes ...

Es ist eine für den Betrachter langsame Reise- und Lebensbetrachtung mit viel Spielraum für eigenes Reflektieren ohne den Hang nach Ausserordentlichem und der Gier nach Aufmerksamkeit. Und doch berührt sie viele Themen, welche hochaktuell sind und unsere Generation weit weg davon ist, sie in gute Bahne gelenkt zu haben.

Eine persönliche Geschichte welche gehaltvoll daherkommt und somit die Betrachtenden einlädt sich an ihr zu bereichern ...

Dafür herzlichsten Dank. :)
 
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Herzlichen Dank für diese netten und einfühlsamen Worte, Sam. Ich weiß sie sehr zu schätzen.

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Viele Grüße,
Steff
 
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Ganz herzlichen Dank für diesen Bericht.
Die Türkei und insbesondere die Berge dort haben mich nie sonderlich interessiert. Deine Reportage hat das in kurzer Zeit geändert und Lust auf diese Gegend gemacht.
 
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Endspurt nach Tehran! Früh ging es in Tabriz los. Die Strecke war weit (ca. 650 km), aber vor allem mussten wir mit Hilfe einer von Hand gezeichneten Skizze das Haus eines Kollegen des Vaters irgendwo in Tehran finden. Dieser Kollege würde uns für die ersten Tage in Tehran beherbergen. Mehr als die Adresse und die Skizze hatten wir nicht.

Schon am frühen Nachmittag erreichten wir die Hauptstadt des Iran, die für die nächsten Jahre unsere Heimat werden sollte. Aus einem sehr landwirtschaftlich geprägten pfälzischen Dorf mit etwa 1000 Einwohnern in die 4-Millionen-Stadt (damals, heute wird die Zahl der Einwohner auf 8-14 Millionen geschätzt).... Die Außenbezirke Tehrans wirkten ärmlich und uns beschlichen ungute Gefühle. Aber je näher wir dem Haus des Kollegen kamen, desto "annehmbarer" wurde es. Ohne Verhauer, ohne einmal fragen zu müssen (wie denn, ohne Sprachkenntnisse?) kamen wir im Stadtteil Gholhak an. So sieht der Weg durch die Stadt heute in Google Maps aus:

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Uns irritierte sehr, dass die Straßen durchgängig von hohen Mauern gesäumt waren; man konnte kaum die Häuser dahinter sehen. Es wirkte nicht sehr einladend. An der richtigen Hausnummer angekommen (die Zahlen hatten wir bis dahin schon gelernt und während der Fahrt anhand von Autokennzeichen ständig geübt), klingelte der Vater mit einem mulmigen Gefühl - sagte er kürzlich - und die Haushälterin des alleinstehenden Kollegen öffnete. Er war nicht anwesend, aber sie wusste Bescheid und bat uns herein. Als wir sahen, welch schönes Haus uns für die nächsten Tage beherbergen würde, war die Erleichterung groß. Dass ein Garten mit Schwimmbad hier im Norden Tehrans, wo die Wohlhabenden und auch die Ausländer wohnen, zu jedem Haus gehört(e), damit hatten wir nicht gerechnet. Die nächsten Tage machten wir quasi Urlaub in unserer neuen Heimat.

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oh man, wieso schaue ich mir eigentlich diesen Thread an ?

Es ist einfach beeindruckend wie Du die Reise schilderst und sie mit Bildern untermalst. Ich beneide Dich um dieses Reise. So etwas gehört zu den Dingen die einem ein ganzes Leben in Erinnerung bleiben und es vor alle nachhaltig beeinflussen.

Vielen Dank dafür dass wir mit Dir diese Reise in die Vergangenheit mitreisen dürfen.
 
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Deine Reisen in die Vergangenheit sind immer wieder hochinteressant, spannend erzählt und das Bildmaterial geeignet, den Betrachter mit in die Vergangenheit und in die Region zu nehmen. Ganz wunderbar und jetzt auch in den Highlights zu sehen :up:
 
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So etwas gehört zu den Dingen die einem ein ganzes Leben in Erinnerung bleiben und es vor alle nachhaltig beeinflussen.

Ja, unser Leben hat sich dadurch verändert. Die Reisen, die wir seither regelmäßig unternahmen sind das eine. Aber dass z. B. jeder in unserer Familie in irgendeiner Weise ehrenamtlich in die Arbeit mit Flüchtlingen engagiert ist, wäre ohne das Erlebnis, selbst fremd in einem Land zu sein und die orientalische Gastfreundschaft kennengelernt zu haben, sicher so nicht denkbar.

Die Anfangszeit in Tehran habe ich als unbeschwert in Erinnerung. Wir Kinder hatten Urlaub, die Eltern wurden vom Kollegen in den tehraner Alltag eingeführt. Wo geht man einkaufen, was kann man in der Freizeit machen etc. Mehrmals gingen wir in verschiedenen Restaurants der Stadt essen und lernten das städtische Leben kennen.

Ganz wichtig bei der Betreuung durch den Kollegen: die Begleitung zu Maklern. Schon nach einer Woche bezogen wir nur wenige hundert Meter von unserer ersten Unterkunft das eigene Haus. Ein Garten mit Granatapfelbäumen, ein Schwimmbad. War der Garten für uns Dörfler eher klein, so war doch das eigene Schwimmbad ein absolutes Highlight - noch dazu beim tehraner Sommerwetter mit durchgängigem Sonnenschein und Temperaturen von knapp über 40 Grad von Juni bis September. Nachdem es gestrichen war verging kaum ein Tag ohne baden.

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Dass unser Haus fußläufig zur künftigen Schule lag, war toll. So konnten wir dann wie gewohnt den Schulweg zu Fuß oder dem Rad zurücklegen - nicht gerade selbstverständlich in einer solch riesigen Stadt. Was nicht so gut klappte, war die Ankunft unserer Möbel. Ziemlich lange hausten wir mit Campingausrüstung im neuen Heim. Aber auch das war irgendwann vorbei. Und bald schon hatten wir eine Mitbewohnerin mehr: Ein kleines Kätzchen lief uns zu. Wunderbar, hatten wir doch auch zuhause in der Pfalz immer Katzen.

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So. Wir sind angekommen und hatten sehr interessante Jahre vor uns. Zunächst hatte ich überlegt, noch Alltagsszenen aus Tehran zu zeigen, lasse dies jedoch und beende meine Reportage. Hier noch ein Link zu einem Video aus dem Tehran des Jahres 1973. Nicht eine der - recht zahlreich zu findenden - Zusammenstellungen von Szenen aus dem Iran unter dem Pahlawi-Regime, die diese Zeiten verherrlichen, sondern gedreht von einem touristischen Standpunkt, also in etwa mit den Augen, mit denen wir auf diese Stadt und dieses Land blickten. Ich erkenne jedenfalls die Stadt und ihre Menschen, wie wir sie erlebten, wieder: ein unbeschreiblicher Verkehr mit dennoch großer Gelassenheit, modern gekleidete neben voll verschleierten Frauen. Ein Nebeneinander von Tradition und Moderne, Hektik und Gelassenheit. Eine riesige Stadt mit erstaunlich viel Wasser und Grün, gelegen an den Füßen der immer mit Schnee bedeckten Berge des Alborz. Ab etwa Minute 5 verlässt der Film Tehran und die wahren Schönheiten dieses wunderbaren Landes werden gezeigt.

https://www.youtube.com/watch?v=T-2A3p8eN3I


Das will ich in der nächsten Zeit auch tun, indem ich von unseren Reisen innerhalb des Iran berichte. Nach Khuzestan, an den Persischen Golf, in die Wüsten Dasht-e Kavir und Dasht-e Lut, nach Isfahan, Kerman, Bandar Abbas etc. Bis dahin sage ich خسته نباشی - oder "khasteh nabashid (möged ihr nicht müde sein)". Herzlichen Dank für euer Interesse, eure Reisebegleitung und die vielen netten Kommentare. Bis zum nächsten Mal, Steff
 
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Vielen Dank für die herrliche Reportage. Schade, dass sie
schon zu Ende ist, ich war jeden Tag gespannt auf die Bilder
und Texte. Aber es geht ja anscheinend weiter mit dem Iran .... :)
 
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Danke, Steff, aus der Zeit habe ich Erinnerungen
an einen iranischen Freund, der viele Geschichten
aus Teheran und seiner Jugend mir erzählte …

Die coolste teile ich gerne:

Seine begüterte Familien besaß ein unbebautes
Grundstück in bester Teheraner Lage – links 'ne
Bank, rechts 'ne Versicherung und beide wollten
erweitern. So überboten sich beide fleißig, bis
dann eine das Grundstück schließlich für ein wohl
horrendes Geld bekam. Einige Wochen später kam
dann Khomeini … puff, aus und vorbei. :)



 
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Hätte ich kein Problem damit gehabt, ganz im Gegenteil. Ich freue mich auf die nächste Reportage:huepf::

Vielleicht bringe ich das mal in einem eigenen Thread unter. Ich muss immer wieder feststellen, dass man hierzulande völlig falsche Vorstellungen vom Leben im Iran (ob nun in den 70ern oder heute) hat.
 
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Grundig hatte über Jahre eine gute Geschäftsbeziehung zu Pars Electric. Man lieferte Kits (als Fernsehgeräte komplett zerlegt) an Pars in Tehran, wo die Geräte zusammengebaut wurden. Über den Fertigungszeitraum kann ich keine präzise Aussage machen. Bin überrascht, eine PARS/GRUNDIG Fernbedienung von ca. 1991 gefunden zu haben.

https://www.radiomuseum.org/r/pars_togru_tp_623.html

https://divar.ir/v/GRUNDIG,PARS_تلویزیون-و-پروژکتور_تهران_زعفرانیه_دیوار/oBOh_IsNR
 
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...es sei Dir herzlichst gedankt für diesen Beitrag, Steff ....:)

Geschichte beginnt immer mit einem Menschen im Dialog mit einem andern. Und erst daraus entsteht die grosse Geschichte, welche wir oft nicht mehr verstehen ...

Ich freue mich auf die nächste deiner Geschichten, oder wie es ein altes Indianersprichwort sagt: "du lernst einen Menschen erst kennen, wenn du einen Monat lang in seinen Mokasins gehst" ....:)
 
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Grundig hatte über Jahre eine gute Geschäftsbeziehung zu Pars Electric.

Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der BRD und dem Pahlawi-Regime waren vielfältig und umfassend. Die Deutsche Schule Tehran war mit bis zu 2.000 Schülerinnen und Schülern zeitweise die größte deutsche Auslandsschule. Es gab zu unserer Zeit sogar eine zweite deutsche Schule im Iran: in Bushir. Dort baute die KWU (ein Joint-Venture von Siemens und AEG) das Atomkraftwerk, das nach der Revolution von den Russen fertig gestellt wurde. Zeitweise lebten allein in Bushir über 5.000 Deutsche. In Tehran groß vertreten waren z. B. die Firmen Merck und Fritz Werner. Letztere baute die Anlagen, auf denen dann Maschinenpistolen von Heckler & Koch in Lizenz gefertigt wurden.
 
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Vielen Dank für den spannenden Reisebericht.

Ich muss immer wieder feststellen, dass man hierzulande völlig falsche Vorstellungen vom Leben im Iran (ob nun in den 70ern oder heute) hat.

Da hast Du meine Zustimmung, da ich voriges Jahr die Chance hatte zumindest einen kleinen Eindruck vom wunderschönen Land mit seinen superfreundlichen Menschen zu bekommen.

Das gilt auch für einige andere Länder dieser Welt, z.B. Sudan, Bangladesch, Nordkorea und die Elfenbeinküste.
Unsere Medien berichten lieber von Katastrophen, als vom normalen Alltag.
Oft wird vermutlich bewusst negativ berichtet, um die Erwartungen der Zuschauer zu befriedigen.

Umso spannender finde ich Deine Reportagen aus dem "normalen" Leben.
Ich freue mich auf weitere Berichte von Dir.
 
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