Teil 1: Die Hardware
Digitalisierung ist ein Wort, das derzeit in aller Munde ist. Unser Community-Mitglied Dieter Doeblin hat sich in letzter Zeit eingehend mit dem fotografischen Aspekt des Themas beschäftigt. Entstanden ist daraus ein ausführlicher Beitrag für unsere Portalseite, den wir in zwei Teilen präsentieren.
Wir freuen uns sehr über diesen hervorragenden Content aus den eigenen Reihen – herzlichen Dank, Dieter!
Seit einiger Zeit wird im Netz verstärkt das Thema „Negative oder Dias mit der DSLR abfotografieren“ diskutiert, hier im Forum sicherlich ausgelöst durch den Kopiervorsatz ES-2, der für die Nikon D850 angeboten wird. Dieser Vorsatz/Adapter funktioniert ohne weitere Hilfsmittel durch Einschrauben in das 2.8/60 mm Macro (FX) oder 2.8/40mm Macro (DX). Im Verbund mit der D850 gibt es sogar eine kamerainterne Software, die die Filterung bei Farb-Negativen auf Wunsch übernimmt. Als Ergebnis bekommt man dann ein akzeptables Farb-JPG, aber leider kein RAW! Das ist ganz zwar komfortabel, aber man verzichtet dann auf die Möglichkeiten, die eine RAW-Entwicklung bietet. Warum Nikon das so händelt, bleibt ein Rätsel.
Die Verwendung des ES-2 mit den o.g. Objektiven an anderen Nikon-Kameras funktioniert natürlich auch. Hier erhält man je nach Einstellung JPGs oder RAWs, die in RAW-Konvertern oder anderen Bildbearbeitungsprogrammen mit allen dort enthaltenen Korrekturmöglichkeiten bearbeitet bzw. entwickelt werden können. Allerdings ist der Nikon Adapter ES-2 nicht gerade günstig. Er kostet ca.165 €, und wenn man noch ein entsprechendes Objektiv benötigt, kommen noch einmal mehrere Hundert Euro dazu.
Da stellt sich dann die Frage, wofür man eine derartige Ausrüstung benötigt, und ob sich solch eine Investition lohnt oder ob es eventuell auch kostengünstiger und vorwiegend mit dem Equipment funktioniert, das man eh schon hat. Vorab sollte man also klären, was man warum oder für welchen Zweck digitalisieren will. Geht es darum, den Altbestand an Negativen oder Dias aus der analogen Zeit in die „digitale Welt“ zu holen? Oder ist das Ziel wie in meinem Fall, auch wieder mit analogen Kameras zu fotografieren, die Bilder dann im Hybridverfahren weiter zu nutzen und großformatig ausdrucken zu lassen?
Wenn man große Bestände digitalisieren will, z.B. Sammlungen oder ähnliches, sollte man sich auch darüber im Klaren sein, dass eine Archivierung auf digitalen Medien in regelmäßigen Abständen wiederholt werden sollte, da die Dauerhaltbarkeit und andere, technische Bedingungen (Verfügbarkeit von Hardware usw.) noch gar nicht endgültig beurteilt werden können. Allgemein geht man davon aus, dass digitale Medien nicht so lange halten wie analoges Filmmaterial, welches nachweislich bei richtiger Lagerung locker 100 Jahre übersteht. Nicht umsonst werden wichtige Dokumente, Filme und auch Dia- und Negativbestände von Museen und anderen Institutionen auf Filmmaterial archiviert.
Wie digitalisieren?
Das Digitalisieren analogen Bildmaterials besteht im Grunde aus zwei Teilen. Da ist einerseits der Hardware- basierte Teil, der durch die Auswahl des technischen Verfahrens bestimmt wird, und andererseits der Software-basierte Teil bei der Weiterverarbeitung. Beim Einsatz von Scannern hat man es allerdings schon beim Einscannen mit entsprechender Gerätesoftware zu tun, die letztendlich im Zusammenspiel mit der Bedienung (Einstellungen) durch den User über die Qualität des gemachten Scans entscheidet. Ich werde mich im ersten Teil ausschließlich mit der Hardware beschäftigen und im zweiten Teil auf die softwarebasierte „Nachbearbeitung“ eingehen.
Teil 1: Zur Hardware
Geht es darum, analoge Bestände in ein digitales Archiv zu integrieren, um sie digital weiter nutzen zu können, muss man die analogen Filme digitalisieren. Die bekannten Hilfsmittel dafür sind Scanner und spezielle Kopiervorsätze für Kameras. Bei den Scannern unterscheidet man zwischen Flachbettscanner mit Durchlichteinheit und s.g. Filmscannern, im Profibereich gibt es auch noch den Trommelscanner. Scanner gibt es in den Preisklassen von 45 – 2.000 Euro, je nachdem welche Qualität man erreichen will. Allerdings ist das Angebot an technisch aktuellen Geräten, gerade in den hochwertigen Klassen, im Zeitalter der Digitalkameras stark zurückgegangen. So bieten Kodak, Nikon und andere Hersteller schon seit längerem keinen Scanner mehr an. Ähnliches gilt auch für den Profibereich (Preisklasse 50.000 Euro) für die Druckvorstufe. Die Firmen Fuji, Heidelberg und viele andere haben ihr Angebot seit Jahren eingestellt oder sehr stark reduziert.
Scanner, die mit optischen Auflösungen unter 3.200 dpi arbeiten, sind eigentlich für anspruchsvolle Negativ oder Dia-Scans nicht geeignet. Foto-Scanner für den semiprofessionellen Bereich beginnen in der Preisklasse um die 700 Euro, also für den, der keinen Scanner besitzt, auch eine nicht eben preisgünstige Variante. Dazu muss man wissen, dass Scanner recht langsam sind, da sie die Vorlage zeilenweise mittels eines CCD-Zeilensensors abtasten. So benötigt man z.B. bei einer Auflösung von 4.800 dpi pro Negativ/Dia ca. 4 Minuten. Nutzt man bei Farbmaterial die automatische Staubentfernung, können es leicht auch 6-7 Minuten werden. Wenn man vor der Aufgabe steht, große Dia-Bestände zu digitalisieren (ich habe im Bekanntenkreis Leute, die haben locker 20.000 Dias im Bestand), kann ich eigentlich nur den professionellen Dienstleister empfehlen, ansonsten wird sowas leicht zum Generationen-Projekt!
1. Anmerkung: Grundsätzlich sind alle Ergebnisse, ganz gleich mit welcher Technik man digitalisiert, immer nur so gut wie das Ausgangsmaterial! Dazu kommen eine gewissenhafte Reinigung des anlogen Ausgangsmaterials und ein möglichst staubfreies Arbeiten.
Da ich keine D850 und auch kein 60er Macro besitze, ging es nun darum, was sich als kostengünstige Alternative für das KB-Format und den angedachten Zweck anbietet. Ich habe mir aus meinem Analogbestand einige beispielhafte SW- sowie Farbnegative und einige Dias (mit und ohne Glas) herausgesucht und diese mit verschiedenen Techniken digitalisiert. Dazu habe ich Beispiele aus einer vor einigen Jahren mit einem Nikon Coolscan 5000 gemachten Digitalisierungsaktion und einige vom Dienstleister direkt bei der Entwicklung angefertigte Scans als weiteren Vergleich nebeneinander gestellt.
Da ich einen Flachbrettscanner, einen schon älteren Epson V300 Photo, im Büro stehen habe, musste dieser ebenfalls für den ersten Vergleich herhalten. Die Scans wurden mit 4.800 dpi und der Epson-eigenen Software gemacht. Bei dem Farbmaterial wurde auf die automatische Staubentfernung verzichtet.
Die Ergebnisse waren, zumindest wenn man keine größeren Bilder als im DIN A4 Format drucken will, ganz passabel. Der Zeitaufwand für einen Sechserstreifen lag bei gut 25 Minuten, so dass man getrost einen Kaffee trinken gehen konnte. Hochgerechnet würde Einscannen eines 36er Films rund 2 ½ Stunden dauern! Die Ergebnisse mit dem Nikon Coolscan waren damals sehr ähnlich, sowohl was die Qualität angeht als auch hinsichtlich des Zeitaufwands. Bessere Ergebnisse soll die Verwendung von Silverfast, einer speziellen Scanner-Software, bringen, die dann auch wieder mit rund 280 Euro zu Buche schlägt. Keine wirkliche Alternative, zumindest für den alten V300.
2. Anmerkung: Im Netz werden auch immer wieder alternative Software-Lösungen diskutiert, die meist um die 100 Dollar kosten oder sogar als Freeware angeboten werden. In beiden Fällen ist die Software aber dann in englischer Sprache. Da es bei meinem Ansatz darum geht, mit vorhandenen Mitteln bzw. möglichst kostengünstig zum Ziel zu kommen, habe ich auf „neue“ Software erst einmal verzichtet. Abgesehen davon musste erst hardwareseitig eine Lösung gefunden werden, um die Negative/Dias abfotografieren zu können.
Als nächstes Testgerät kam ein Diakopiervorsatz, der direkt an die Kamera geflanscht wird, zum Einsatz.
Diese Teile haben in der Regel eine „Sammellinse“, also ein optisches Glied integriert. Da schwankt die Qualität der Abbildungsleistung eben mit der Qualität dieser Linse.
Ich habe mir daher ein älteres Gerät mit einer Glaslinse für den Test besorgt.
Mit gerahmten Dias war die Qualität schon besser als mit dem Scanner. Mit Negativen funktionierte das Ganze nicht so gut, da natürlich die Gefahr besteht, die Negative an den Metall-Andruck-Spangen zu beschädigen. Außerdem ist das Scannen von Negativen sehr fummelig, da es keine Führung für die Negative gibt.
Der erste Versuch, Negative „abzufotografieren“ war vom Ergebnis her schon sehr gut, aber vom Handling her eher mühsam.
Für den ersten Versuch des „Abfotografierens“ benutzte ich ein älteres Leuchtpult, auf dem ich den Negativstreifen mit Tesafilm befestigt hatte. Schon der erste Vergleich mit den vorhandenen, gescannten Fotos deutete darauf hin, dass das Abfotografieren qualitativ wohl die besten Ergebnisse bringen würde, wenn es ohne neuen und teuren Filmscanner gehen sollte. Allerdings war das Handling mit dem Tesafilm und dem Lichtpult jenseits von Gut und Böse. Es musste also eine andere Lösung her!
Um weitere Alternativen, z.B. den Einsatz von Macro-Objektiven, die 1:1 abbilden können, oder ein Balgengerät mit einem 50 mm Vergrößerungsobjektiv zu testen, benötigte ich eine Halterung für die Negative/Dias. Balgengeräte, auch mit einem Diakopiervorsatz, werden von allen Kameraherstellern als Zubehör angeboten. Eine Alternative ist hier die Fa. Novoflex oder andere Drittanbieter. Allerdings liegen die Preise sowohl bei den Herstellern als auch den Drittanbietern meist ab 400 Euro aufwärts, wobei das Problem bei Negativen immer noch nicht gelöst ist. Es musste also ein eigenständiger „Negativhalter“ her! Nach einigen Nächten mit Google war klar, dass es so etwas wohl nicht gibt. Da war also Bastlerarbeit gefragt.
Das Projekt Negativhalter
Als erstes habe ich mir einige gebrauchte Scanner besorgt, diese zerlegt, und mir angeschaut, wie die Hersteller das Problem „Bildbühne“ gelöst haben. Die entsprechenden Bauteile waren meist aus Spritzguss oder sehr dünnem Blech und im ausgebauten Zustand eher filigran, so dass eine stabile Befestigung auf irgendeiner verschiebbaren Halterung (Makroschiene oder ähnliches) nicht möglich war. Es musste nach jedem Weiterschieben das Negativmagazin nachjustiert werden.
Das war also auch nicht die Lösung. Also habe ich mich hingesetzt und angefangen einen Halter zu konstruieren, den mir dann ein Freund im 3D-Drucker ausgedruckt hat. Meine Eigenkonstruktion erfüllte im Grunde alle Anforderung. Nur dauerte schon der Entwurfsdruck gute drei Stunden, die qualitativ stabilere Version sollte laut Druckersoftware dann 5,5 Stunden dauern! Das war für ein Einzelexemplar zwar ok, aber für eine Kleinserie nicht geeignet.
Bei der Testerei und einigen Gesprächen mit Fotofreunden stellte sich heraus, dass durchaus ein Bedarf für eine einfache und preisgünstige Lösung besteht, so dass es Sinn machte, eine andere Lösung für die Herstellung eines Negativ-Halters zu suchen. Letztendlich ist es ein gefrästes Kunststoffteil geworden, das alle Anforderungen erfüllt und mit Equipment genutzt werden kann, das bei vielen Fotografierenden schon vorhanden ist.
Gefräster Eigenbau-Halter mit Negativ-Magazin aus dem Zubehör, hier auf meiner optischen Bank, mit Balgengerät und 50 mm Vergrößerungsobjektiv. Das Licht kommt vom Systemblitz.
Natürlich funktioniert der Halter auch mit etwas simpleren Hilfsmitteln, hier mit Stativ, Macro-Objektiv und einem festgeklemmten Tischstativ! Der Halter ist auf einer justierbaren Macro-Schiene befestigt.
Mit dem neukonstruierten Halter konnte ich wirklich gute Ergebnisse bei der Digitalisierung erzielen. Quasi gleichwertige Ergebnisse lieferten sowohl das Sigma 2.8/105 Macro als auch ein Balgengerät mit einem 50 mm Vergrößerungsobjektiv an einer D600. Auch der direkte Vergleich mit einer D3200 (DX), ebenfalls mit dem Sigma, war sehr gut. Die Unterschiede sind mit dem bloßen Auge fast nicht zu erkennen. Da das Balgengerät mit dem 50er sich an der D3200 nicht weit genug zusammenschieben ließ (es fehlten ca. 2-3 mm), und so nicht in den nutzbaren Schärfebereich gebracht werden konnte, war hier ein Vergleich nicht möglich. Nachdem es keine bezahlbaren 40 mm Vergrößerungsobjektive gibt, habe ich die DX-Konfiguration nicht weiter getestet. Mit dem Eigenbau-Halter kann man natürlich auch andere Verfahren, wie Normalobjektiv mit Umkehrring, Zwischenringe usw. nutzen.
Hier die Ergebnisse mit Balgengerät (li) und 105er Macro (re)
Soweit einmal Teil 1 zur Hardware beim Digitalisieren von Negativen und Dias. Die Beispiele zu den Farbnegativen zeige ich im zweiten Teil, da hier das „Entwickeln“ eine maßgebliche Rolle spielt.
Fotos: © Dieter Doeblin
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