Wohl jeder von uns hat bei der Benutzung seines bevorzugten Bildbearbeitungsprogramms schon einmal eine Idee gehabt, was man außer Schärfe, Kontrast, Beschnitt etc. am Bild noch verändern / verbessern könnte. Ob die Bildbearbeitung das kann, ist meistens keiner Diskussion wert – sie kann. Nur weiß der Fotograf vor dem heimischen Bildschirm auch, wie er sie dazu bringt?
Die folgenden Tipps und Beispielbilder helfen bei dem Thema „Reflexionen retuschieren“. Sie sind ein Auszug aus dem Buch „Doc Baumanns Photoshop-Sprechstunde“ von Doc Baumann, Kapitel 55, erschienen bei unserem Partner mitp-Verlag.
Viel Spaß beim Lesen und Ausprobieren! Über Bilder Ihrer Ergebnisse freut sich die Netzwerk Fotografie Community in ihren Bilderforen.
FRAGE AN DOC BAUMANN: Es geht um die Spiegelung in der Seitenscheibe des Straßenbahnwagens, den unser Verein restauriert hat; diesen Bildfehler bekomme ich nicht in den Griff. Können Sie mir vielleicht helfen?
ANTWORT VON DOC BAUMANN: Eine einfache Lösung gibt es für dieses Retuscheproblem in der Tat nicht. Hier muss man schon einige Werkzeuge und Techniken miteinander kombinieren, um zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen.
Betrachten wir zunächst das kritische Ausgangsfoto (1 und 2): Die »Störungen«
im Falle der jungen Frau resultieren zum einen aus Tropfen auf der Glasscheibe, zum anderen aus hellen Stellen des gespiegelten Himmels zwischen den Ästen der Bäume. Dagegen sind die unerwünschten Bereiche im Gesicht des Bahnfahrers helle, horizontale Streifen, die sein ganzes Gesicht überlagern. Daraus folgt, dass die eher kleinen Störungen über dem Frauengesicht vor allem mit dem BEREICHSREPARATUR-Pinsel angegangen werden können, da es sich um Flecke handelt, die meist von größeren Bereichen ungestörter Gesichtshaut umgeben sind. Die Anwendung desselben Werkzeugs würde bei dem Männergesicht dagegen zu keinem brauchbaren Resultat führen, weil das Tool immer auch benachbarte Pixelbereiche einbezöge, die zur Störung gehören.
Bild 3 zeigt links die (aufgehellte) Originalversion des Fotoausschnitts. Erzeugen Sie eine neue Ebene und wenden Sie dort den BEREICHSREPARATUR-Pinsel an; achten Sie darauf, dass in der Optionenleiste unter AUFNEHMEN entweder ALLE EBENEN oder AKTUELLE EBENE UND DARUNTER aktiviert ist, damit das Werkzeug die im Bild vorhandenen Pixel berücksichtigen und auf der neuen Ebene ergänzen kann.
Die Abbildung zeigt in der Mitte die damit gemalten Abdrücke über der – hier verblassten – Hintergrundebene. Nicht alle Störungen verschwinden so unauffällig; bei größerer Ausdehnung wie bei den Haaren und am Hals entstehen unansehnliche Artefakte. Hier ist es sinnvoll, eine weitere leere Ebene anzulegen und diesmal die Retusche mit dem STEMPEL (bei identischen Einstellungen unter AUFNEHMEN wie zuvor) auszuführen (3, rechts).
Bild 4 zeigt noch einmal dieselbe Vorgehensweise, nur ist diesmal die Hintergrundebene voll deckend eingeblendet, so dass Sie die Wirkung der BEREICHSREPARATUR- sowie der STEMPEL-Ebenen in der endgültigen Ansicht erkennen können. Hier wird also noch einmal klar: Das Werkzeug zur BEREICHSREPARATUR arbeitet dort optimal, wo Farb- und Helligkeitsinformationen benachbarter Pixel herangezogen werden können, es liefert aber keine guten Ergebnisse, wenn diese benachbarten Strukturen nicht zur Umgebung passen. Wichtig ist auch die Reihenfolge der Retuschen; wenn Sie behutsam vorgehen, kann sich das Werkzeug im jeweils nächsten Schritt bereits an ergänzten Farbwerten orientieren und diese zur Füllung nutzen. Wo dies scheitert, greifen Sie zum STEMPEL.
Beim Gesicht des Fahrers (5, links) kann der BEREICHSREPARATUR-PINSEL aus den genannten Gründen wenig ausrichten. Begonnen habe ich hier mit dem STEMPEL im Bereich der Haare und der Stirn (5, Mitte); wieder steht AUFNEHMEN auf ALLE EBENEN oder AKTUELLE EBENE UND DARUNTER.
Die neu erzeugte Ebene setzen Sie in diesem Fall auf ABDUNKELN, da der gespiegelte Streifen überall heller ist als die Haut- und Haarstrukturen, die ihn ersetzen sollen.
Die Deckkraft des STEMPELS sollte zunächst 60 bis 70 % betragen. Die Retusche der großflächigen Spiegelung in Höhe des Mundes bereiten Sie vor, indem Sie den Bereich mit dem Lasso und weicher Kante auswählen und die Auswahl als Ebenenmaske für eine abdunkelnde TONWERTKORREKTUR oder GRADATIONSKURVEN-Einstellungsebene verwenden (5, rechts).
Anschließend ist es ein wenig einfacher, mit dem STEMPEL weitere Hautpartien zu übertragen und so das Gesicht Schritt für Schritt zu rekonstruieren (6, links).
Hier im Druck ist der Unterschied zwischen dem Bildausschnitt links und dem in der Mitte minimal; am Monitor ist er deutlich sichtbar: Dort wurde die Ebene mit dem STEMPEL-Abdrücken mit RAUSCHFILTER | RAUSCHEN HINZUFÜGEN bearbeitet, was zu einer erheblich besseren Angleichung der ersetzten Hautpartien an ihre Umgebung beiträgt. In Bild (6, rechts) sehen Sie noch einmal die Retusche-Ebene separat.
Im direkten Vergleich von Original und fertiger Version ist die Wirkung der vorgenommenen STEMPEL-Retusche gut nachzuvollziehen (7). Ergänzend wurden Helligkeitswerte und Farben des bearbeiteten Bildes optimiert (7, rechts). Von den in der Glasscheibe der Straßenbahn reflektierten horizontalen Steifen ist nichts mehr zu erkennen.
Eine solche Retusche erfordert vor allem Geduld – und natürlich auch Erfahrung im Umgang mit den Werkzeugen. Photoshops automatisierte Hilfsmittel sind inzwischen in der Lage, Ihnen viel Arbeit abzunehmen; dennoch haben sie ihre Grenzen und müssen fachkundig angewandt werden. Erwarten Sie keine Wunder oder dass alles auf Knopfdruck wie von allein passiert. Der größte Teil solcher Eingriffe besteht noch immer aus mühsamer Handarbeit (8).
Ist Ihnen ein Foto besonders wichtig und haben Reflex-Überlagerungen so viel zerstört, dass selbst die beschriebenen Verfahren zu keinen befriedigenden Ergebnissen verhelfen, müssen Sie notfalls Pixelbereiche und Strukturen aus geeigneten Referenzaufnahmen übertragen. Das kann unter Umständen der einzige Weg sein, um ein solches Bild zu retten. Ignorieren die Betrachter am Ende die investierte Arbeit völlig und nehmen das Foto ganz selbstverständlich hin, ist das nicht zu bedauern – genau dann hat sich der Aufwand gelohnt.
Mehr Hilfe bei der Bildbearbeitung mit Photoshop
Für die Nutzer von Photoshop gibt es seit langem unkomplizierte Hilfe in den Weiten des Internet, nämlich auf dem Blog des Magazins DOCMA: Chefredakteur Doc Baumann hält dort regelmäßig seine Photoshop-Sprechstunde ab und beantwortet Leseranfragen.
105 davon und die daraus entstandenen Workshops hat er zusammen mit unserem Partner mitp-Verlag in einem Buch zusammengefasst. In unserer ausführlichen Rezension, die Sie hier finden, haben wir das Buch mit 5 von 5 Sternen bewertet. Wir empfehlen es allen Nutzern von Photoshop, egal wie fortgeschritten sie in der Anwendung der Software sind.
Unser Artikel ist ein Auszug aus eben jenem Buch „Doc Baumanns Photoshop-Sprechstunde“ von Doc Baumann, Kapitel 55 (ISBN: 978-3-95845-610-5, mitp-Verlag). Bilder und Texte mit freundlicher Genehmigung des mitp-Verlags. Dafür ganz herzlichen Dank!